Interview mit dem Gründungsbeauftragten der BTU Cottbus-Senftenberg - 10 Fragen an Dr. Birger Hendriks

| Von Sascha Erler, Stand: 20.01.2014

Sie ist die jüngste Universität in Berlin-Brandenburg:  Im Juli 2013 entstand die BTU Cottbus-Senftenberg durch die Zusammenführung der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und der Hochschule Lausitz. In etwa anderthalb Jahren, so der Gründungsbeauftrage Dr. Birger Hendriks, soll sich die Universität neu geordnet haben. Im Interview erzählt Hendriks, wie er die neue BTU zu einer "exzellenten kleinen Universität" machen will.

 

1. Mit welchen großen Zukunftsfragen beschäftigen sich Forscherinnen und Forscher an der BTU Cottbus-Senftenberg?

Die Zukunft ist etwas, was hauptsächlich in der Forschung stattfindet. Und da haben wir natürlich eine Fülle von Fragen, die in Bearbeitung sind. Da ist die Frage von Energieerzeugung und -speicherung, die sehr schwierig ist. Wir haben jetzt gerade ein Projekt vorgestellt zu der Möglichkeit, Solarenergie in Autos zu speichern und je nach Bedarf auch wieder an das Netz abgeben zu können. Das Auto wird so zur mobilen Batterie, die jeweils dort auftauchen kann, wo sie gebraucht wird. Ein weiterer Punkt ist die Energieeinsparung an Gebäuden, Autos und Flugzeugen – beispielsweise durch Dämmung oder leichte Baustoffe. Dann haben wir das Thema Biotechnologie: Was kann man mit Mikroalgen machen als Ressource für Biotreibstoffe? Wir betreiben Forschung an Nanopartikeln, ganz kleinen Partikeln, die so in der Natur nicht vorkommen. Wie wirken die sich auf den Menschen aus? Sind sie schädlich oder bieten sie große Chancen? Eine weitere Frage ist: Was machen wir mit IT-Sicherheit in Kernkraftwerken? Aber wir haben auch ganz andere, eher geisteswissenschaftliche Fragen, mit denen sich unsere Wissenschaftler befassen - etwa mit den kulturellen und technischen Werten historischer Bauten. Das ist nur eine kleine Palette von Forschungsthemen aus der großen Fülle, die für uns und die Gesellschaft von Bedeutung sein könnten.

2. Was sind für Ihre Universität die größten Herausforderungen für 2014?

Angesichts der Zusammenführung der beiden Vorgänger-Hochschulen BTU Cottbus und Hochschule Lausitz zur BTU Cottbus–Senftenberg gilt es, die interne Neuordnung von Studiengängen, Selbstverwaltung, Verwaltung und Finanzen in Angriff zu nehmen und dafür einen Hochschulentwicklungsplan zu erarbeiten. Neue Studiengänge sind aufzustellen, bestehende auf den Prüfstand zu stellen, die Gelder an der Hochschule anders zu verteilen. In etwa anderthalb Jahren sollte das erledigt sein.

3. Was macht Ihrer Meinung nach die Qualität der Wissenschaftslandschaft Berlin-Brandenburg aus und wo sehen Sie Probleme?

Die Hochschulen verfügen über hervorragendes Personal und eine exzellente Ausstattung an Laboren, Geräten und Einrichtungen. Sie bieten vielfältige, auch internationale Studiengänge an. Die BTU Cottbus–Senftenberg bietet in einer breiten Palette neben universitären Studiengängen auch anwendungsbezogene. Gute Ausstattung der Räume und Labore ist die eine Sache. Die andere Sache ist natürlich, dass die Menschen, die darin arbeiten auch gut bezahlt werden.

4. Die Hochschulfinanzierung muss neu geordnet werden. Wie wünschen Sie sich die Neuordnung?

Bundesweit betrachtet, aber auch in Brandenburg, brauchen die Hochschulen mehr Geld, weil sie tendenziell unterfinanziert sind. Grob gesehen haben wir die Situation: Der Bund verfügt über viel Geld und hat wenig Zuständigkeit für die Hochschulen, bei den Ländern ist es umgekehrt. Das muss sich ändern im Interesse der Studierenden und der Forschung an den Hochschulen.

5. Die Förderung vieler wissenschaftlicher Projekte ist zeitlich befristet und an interdisziplinäre Kooperationen gebunden. Für wie sinnvoll erachten Sie dies?

Interdisziplinarität ist essenziell für Ausbildung und Forschung. Wissenschaftliche Projekte brauchen Befristung, setzen aber andererseits nachhaltige Strukturen mit Personal und Ausstattung voraus. Beides muss sinnvoll aufeinander abgestimmt werden, um Fehlinvestitionen zu vermeiden.

6. Stichwort Plagiate: Funktioniert die Selbstkontrolle in der Wissenschaft oder muss sich etwas ändern?

Die Selbstkontrolle und Qualitätssicherung funktionieren. Die Lerneffekte der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass die Verfahren verbessert worden sind. Promotionen werden eben nicht mehr von einzelnen Leuten angenommen und betreut, sondern sie sind an die Fakultät angedockt. Der Fakultätsrat muss sich jetzt mit jeder Doktorarbeit befassen. Das heißt aber nicht, dass man das Verfahren nicht noch verbessern könnte, zum Beispiel indem man externe und auch internationale wissenschaftliche Sachverständige hinzuzieht.

Tenure Track

Der so genannte "Tenure Track" soll angehenden Professorinnen und Professoren den Weg zur Lebenszeitprofessur erleichtern. Das aus dem US-amerikanischen Bildungssystem entlehnte Modell sieht vor, dass nach einer befristeten Juniorprofessur Aussicht auf eine Stelle auf Lebenszeit besteht. Bei entsprechender Leistung können Juniorprofessorinnen und –professoren ohne erneute Ausschreibung der Stelle auf eine dauerhafte Professur an der eigenen Hochschule übernommen werden. Einige deutsche Universitäten haben dieses Modell, teilweise in abgewandelter Form, übernommen.

7. Befristete Verträge, unsichere Perspektiven im Wissenschaftsbetrieb: Warum sollten junge Akademikerinnen und Akademiker lieber in die Wissenschaft als in die Industrie gehen?

Die Hochschulen stehen bei der Aufgabe, qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs zu gewinnen - gerade in technischen Disziplinen - im Wettbewerb mit der Wirtschaft. Um hier mithalten zu können, brauchen wir klare Karriere-Perspektiven für junge talentierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das ist noch ausbaufähig. Das soll nicht heißen, dass jemand, der hier promoviert bis zur Rente an der Uni bleiben soll. Aber wenn wir z.B. eine Juniorprofessur einrichten, sollten wir schon darüber nachdenken, wie eine weitere Karriere aussehen kann. In Amerika gibt es da z.B. den sogenannten "Tenure-Track". Bei uns müssen Professuren immer wieder neu ausgeschrieben werden. Da muss, denke ich, mehr Flexibilität hinein.

8. Stichwort Gleichstellung: Welches Konzept zur beruflichen Gleichstellung von Mann und Frau verfolgen Sie?

An der BTU Cottbus-Senftenberg haben wir eine Frauenförderrichtlinie und überwiegend Frauenförderpläne für die Universitätsverwaltung, für das Medienzentrum, für die zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen und Betriebseinrichtungen. Zudem gibt es Gleichstellungskonzepte der beiden Vorgängereinrichtungen, mit denen beide Hochschulen positiv im bundesweiten Professorinnenprogramm bewertet wurden. Eine Neuformulierung des Gleichstellungskonzeptes für die gesamte BTU Cottbus–Senftenberg ist in Arbeit. Die BTU ist als familiengerechte Hochschule zertifiziert. Eine ganztätige Kinderbetreuung ist unter anderem in der campusnahen KiTa möglich. Natürlich ist es für eine technische Hochschule immer schwieriger, gerade junge Frauen zu gewinnen als das in geisteswissenschaftlichen oder sozialen Bereichen möglich ist. Aber auch da laufen Projekte, um junge Frauen für ein Studium im technischen Bereich zu interessieren.

9. Wer im Ringen um Drittmittel die Nase vorne haben will, muss die Öffentlichkeit auf seine Seite ziehen. Welche Kommunikationsstrategie verfolgen Sie?

Die BTU Cottbus–Senftenberg kommuniziert nachhaltig ihre Erfolge in Studium und Lehre. Wir setzen auf Authentizität: Geschichten von Menschen, die an der Universität studieren, forschen und leben. Dies wird vor allem im Internet, bei Facebook und im Printbereich realisiert. Außerdem erstellen wir auch selber Videos und veröffentlichen sie bei Youtube.

10. Ihre Aufgaben als Gründungsbeauftragter enden mit der Wahl des neuen Präsidenten. Was möchten Sie unbedingt noch loswerden?

Mir liegt daran, dass das, was ich bis jetzt an Möglichkeiten gesehen habe für die Universität auch tatsächlich zur Entfaltung kommt. Ich sehe hier in der Situation der gesamten Universität eine enorme Chance, sich gut aufzustellen. Manches, was verbessert werden kann, gilt es zu verbessern, manches, was gut ist, weiterzuführen. Hier besteht die Chance, eine exzellente kleine Universität zu schaffen, die auch für die Region und die Wirtschaft in der Region da ist. Ich denke, das ist eine gute Möglichkeit, und ich bin da sehr zuversichtlich.

Beitrag von Sascha Erler, Stand: 20.01.2014

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