Interview mit dem Präsidenten der Universität der Künste Berlin - 10 Fragen an Prof. Martin Rennert

| Von Ina Krauß, Stand: 20.12.2013

Die kleinteiligen Kontrollmechanismen bei der Hochschulförderung sollten abgebaut werden, wünscht sich UdK-Präsident Martin Rennert. Im Interview plädiert er stattdessen für einen "vertrauensvollen Umgang mit Leistung". Der Professor für Konzertgitarre kritisiert das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen Berliner und Brandenburger Hochschulen und erklärt, warum sich die UdK in vielerlei Hinsicht von anderen Universitäten unterscheidet.

 

1. Mit welchen großen Zukunftsfragen beschäftigen sich Forscherinnen und Forscher an der Universität der Künste Berlin?

An einer künstlerischen Universität untergliedern sich unsere Fragestellungen in gestalterische, künstlerische und wissenschaftliche Themen. In den künstlerischen Disziplinen sind wir diejenigen, die neue gesellschaftliche Themen erkennen und diese künstlerisch-ästhetisch bearbeiten – eine brisante Daueraufgabe. In den gestalterischen Zukunftsfragen widmen wir uns z. B. der alternden Gesellschaft, der Seniorengerechtigkeit, der Usability an vielen Stellen des Lebens. Im wissenschaftlichen Bereich ist eines unserer zentralen Themen die Lehrerbildung. Uns beschäftigen Fragen der Entwicklung der Gesellschaft durch das Wissen der Künste und was Kunst selbst beitragen kann.

Hochschulverträge

Im August 2013 verabschiedete der Berliner Senat die so genannten Hochschulverträge für den Zeitraum von 2014 bis 2017. Neben der Höhe der Finanzmittel für die Hochschulen insgesamt, werden in diesen Verträgen auch die Kriterien festgelegt, nach denen sich die Zahlung an die einzelnen Hochschulen bemisst. Finanziell belohnt werden etwa die Aufnahme vieler Studierender und das Einwerben hoher Drittmittel-Summen.

2. Vor welchen Herausforderungen steht die Universität der Künste 2014?

Unser Ziel ist, die Künste zu stärken. Wir werden weiterhin sehr selbstbewusst agieren und unsere verschiedenen künstlerischen Examen und ebenso auch unsere Projekte im postgradualen Bereich offensiv darstellen. Wir betonen, dass es verschiedene Arten von Wissen und verschiedene Arten von Ausbildung gibt. Unsere künstlerische Spezialstellung ist nicht einfach darzustellen und schon gar nicht in Finanzierungssysteme zu übersetzen. Für 2014 wird zunächst die Umsetzung der neuen Hochschulverträge eine große Herausforderung sein, aber auch der Ausbau unserer Kapazitäten. Seit Jahren wachsen die Anforderungen an Bauunterhaltung und Neubau. Die Finanzierung der Hochschulen in Berlin wird dem nur zum Teil gerecht.

3. Wie schätzen Sie die Qualität der Wissenschaftslandschaft Berlin-Brandenburg ein? Wo sehen Sie Probleme?

Das Klima wird besser und besser. Wir sind auf einem guten und sehr dynamischen Weg. Vielzahl und Verschiedenheit der Angebote machen den Standort attraktiv, in Berlin und Brandenburg ergänzt sich vieles. Insgesamt werden wir gemeinsam immer anziehender. Wir haben allerdings Probleme: Die Abstände der Besoldung der Hochschullehrer sind schon jetzt sehr groß zwischen Berlin und Brandenburg, so dass es Schwierigkeiten gibt, Leute nach Berlin zu holen. In Brandenburg ist die finanzielle Ausstattung deutlich besser, sowohl für Forschung als auch für Investitionen sind die Voraussetzungen attraktiver, da ist Berlin wirklich in Gefahr. Man kann in diesen Fragen Berlin und Brandenburg nicht in einem Atemzug nennen.

4. Die Hochschulfinanzierung muss neu geordnet werden. Wie wünschen Sie sich die Neuordnung?

Mein Wunsch wäre eine andere Form des vertrauensvollen Umgangs mit Leistung. Die UdK Berlin  nimmt – wie alle künstlerischen Hochschulen -  eine Sonderstellung ein, denn wir beteiligen uns nicht an Rankings für künstlerische Leistungen. Aber im Rahmen der Hochschulfinanzierung sollten die kleinteiligen Kontrollmechanismen abgebaut werden, so dass sich die dynamische Entwicklung weiter verstetigt. Da kein Missbrauch von Mitteln stattfindet, gibt es keinen Grund, den Universitäten und Hochschulen die ganze Zeit argwöhnisch und missmutig auf die Finger zu schauen. Den Institutionen sollte aufgrund ihrer Kompetenz und der gemeinsam definierten Ziele die Entscheidung überlassen bleiben, das Geld dort zu investieren, wo sie es für richtig halten.

5. Die Förderung vieler wissenschaftlicher Projekte ist zeitlich befristet und an interdisziplinäre Kooperationen gebunden. Wie sinnvoll erachten Sie dies?

Ich kann verstehen, dass Institutionen, Stiftungen oder Bundesprogramme Befristungen vorgeben, aber die Fiktion dahinter ist eine aus den 1980er-Jahren, als Profilierung und strukturelle Konsequenzen nicht gleichermaßen Thema waren. Für die Universität der Künste sorge ich mich um Weiterführung von Graduiertenschulen und Graduiertenprojekten, wenn die DFG-Förderung ausläuft. Das sind Angebote, die ergänzen, aber sie befruchten auch und haben Auswirkungen auf die gesamte Lehre und Qualität, zudem sind sie international hochattraktiv. Wenn Projekte auslaufen, dann sind Universitäten nicht in der Lage, den Erfolg fortzuführen. Befristungen sind nur sinnvoll, wenn sie Hand in Hand mit einer sehr klugen Wissenschaftspolitik –  oder in unserem Fall – Kulturpolitik gehen. Bezüglich der Interdisziplinarität wird so getan, als ob Internationalisierung und Vernetzung erst durch Förderprogramme geschaffen werden muss, weil sie nicht existiert. Aus meiner Sicht ist die deutsche Hochschullandschaft, was die Spitzenforschung betrifft, eine der am besten vernetzten und interdisziplinärsten in der Welt.

6. Funktioniert die Selbstkontrolle in der Wissenschaft oder wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Als UdK-Präsident habe ich ein Privileg, denn in der Kunst herrscht gnadenlose und glückliche Freiheit. Diese ist auch wichtig. Die Selbstkontrolle bezieht sich auf Wissenschaftspolitik und wissenschaftliche Fragestellungen an anderer Stelle. Sie hat mehrere Aspekte: Die ethische Kontrolle hängt stark von der Wissenschaftslandschaft und Kultur in einer Region ab. Und da funktioniert sie hier sehr gut im Gegensatz zu anderen Orten in der Welt. Bezüglich der wirtschaftlichen Selbstkontrolle ist klar, dass wir alle, Präsidenten und  Heerscharen der Universitätsleitungen, längst halbe Betriebswirte geworden sind.

7. Befristete Verträge, unsichere Perspektiven im Wissenschaftsbetrieb: Warum sollten junge Akademikerinnen und Akademiker lieber in die Wissenschaft als in die Industrie gehen?

Auch hier unterliegt die künstlerische Ausbildung anderen Regeln. Für Kunstschaffende ist es unabdingbar und wichtig, den geschützten Raum von Universitäten zu verlassen. Das gefällt einigen nicht. Die künstlerische Entwicklung vollzieht sich normalerweise in einem eigenen, speziellen Raum. Das kann in einer Universität geschehen, während der Ausbildung auf jeden Fall, weil dort Anleitung, Kritik und Diskurs entscheidend sind zur Heranbildung der Persönlichkeit. Für diejenigen, die künstlerisch lehren wollen, kann die künstlerische Entwicklung, die Voraussetzung ist, aber nur "draußen" passieren. Insofern gibt es keine akademischen Karrieren für Künstlerinnen und Künstler. Das ist in künstlerischen Fächern undenkbar. Auch für viele andere Fächer sehe ich es ähnlich wie für die künstlerischen Disziplinen: Praxis ist oft gut und notwendig. Wer allein eine akademische Karriere plant, begibt sich oft auf einen Holzweg.

8. Welches Konzept zur beruflichen Gleichstellung von Mann und Frau verfolgt die Universität der Künste?

Die UdK Berlin ist in dieser Hinsicht außerordentlich erfolgreich. Der Anteil von Professorinnen in der Bildenden Kunst beträgt 60 Prozent quer durch alle Besoldungsstufen. Auch in den Disziplinen der Gestaltung sind etwa 40 Prozent Professorinnen. Wir haben extreme Steigerungsraten, stehen bei Rankings bundesweit weit oben. Dieser Erfolg spiegelt sich an vielen Stellen. Aber wir müssen auch Umstände schaffen, wo gedeihlich gearbeitet werden kann, egal von wem. Das heißt, familiäre Situationen müssen immer mitgedacht werden in unseren komplexen Arbeits- und Ausbildungsprozessen. An der UdK berücksichtigen wir das, ob mit Kindergarten, Familienbüro oder Stellung der Frauenbeauftragten, gemeinsam. Gleichstellung ist hier nicht ein Thema einer kleinen Gruppe, sondern gehört zum Selbstverständnis der gesamten Hochschule.

9. Wer im Ringen um Drittmittel die Nase vorne haben will, muss die Öffentlichkeit auf seine Seite ziehen. Welche Kommunikationsstrategie verfolgen Sie?

Für künstlerische Themen wird es immer wenige Drittmittel geben, anders als etwa in der Luftfahrt, wo hohe Summen fließen. Aber für eine künstlerische Universität sind wir die drittmittelstärkste in Europa. Wir haben eine Fördermittel-Stelle aufgebaut, die alle Fachbereiche berät, um Drittmittel für künstlerisch-gestalterische oder auch wissenschaftliche Projekte zu akquirieren. Als Präsident kommuniziere ich allerdings weniger, um Drittmittel zu bekommen, sondern um die Relevanz unserer Ausbildung und deren Notwendigkeit für die Gesellschaft zu verdeutlichen. Es gibt Formen der Interaktion zwischen Menschen, die allein künstlerisch verständlich gemacht werden können und damit wesentliche gesellschaftliche Fragen.

10. Welche Frage würden Sie gerne einmal beantworten, wurde Ihnen aber bislang noch nicht gestellt?

Ich bin Musiker. Und für mich wäre schön, wenn mich etwa ein Parlament, oder aber auch eine Schule oder Klasse ansprechen würde, um mich zu fragen, wie künstlerische Entwicklung am leichtesten verständlich und erfahrbar gemacht werden könnte, auch für Menschen, die sonst kaum mit Kunst zu tun haben. Ich bin sicher, dass jeder dann verstehen könnte, welche Komplexität, aber auch welche Chance in dieser Frage steckt.  Ich glaube, dass man dies gut erklären kann. Aber meine Erfahrung ist, dass ich immer fiskalisch, strukturell oder politisch befragt werde, aber ganz selten aus der künstlerischen Betrachtungsweise und Kompetenz heraus. Und genau das wünschte ich mir.

Beitrag von Ina Krauß, Stand: 20.12.2013

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