Sondierungsgespräche könnten am Donnerstag beginnen - Brandenburger SPD will keine Zeit verlieren

Mo 15.09.14 | 22:08 Uhr
rbb Spezial | 15.09.2014

Nach der Landtagswahl strebt die SPD offenbar eine zügige Regierungsbildung an. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke will mit der Linken und der CDU Ende dieser Woche die ersten Sondierungsgespräche führen. Und in gut einer Woche soll schon die Entscheidung fallen: eine Neuauflage von Rot-Rot oder eine große Koalition mit der CDU.

Der Zeitplan für die Regierungsbildung in Brandenburg steht. Am 23. September werde die SPD entscheiden, mit wem sie Koalitionsverhandlungen führe, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke am Montagabend in Potsdam. Die Sozialdemokraten seien schon Ende dieser Woche bereit, mit CDU und Linker Sondierungsgespräche zu führen, am Donnerstag oder spätestens Freitag könnten diese beginnen. Bis Anfang November sei die Bildung einer neuen Regierung möglich, wie Woidke nach einer Sitzung des SPD-Landesvorstandes sagte.

Die Brandenburger SPD ist am Sonntag als stärkste Kraft aus der Landtagswahl hervorgegangen. Woidke kann nun weiter mit dem bisherigen Koalitionspartner, der Linken, zusammenarbeiten, die nur noch auf 18,6 Prozent der Stimmen kommen - oder ein neues Bündnis mit der CDU eingehen. Die Christdemokraten hatten sich mit 23,0 Prozent auf Platz 2 vorgeschoben.

Mehrere Sondierungsrunden geplant

Für die neue Koalition seien Vertrauen und Verlässlichkeit entscheidend, unterstrich der Regierungschef. An inhaltlichen Schwerpunkten nannte er die Fortsetzung der wirtschaftlichen Entwicklung, die Bildungspolitik und innere Sicherheit. Hier gebe es mit beiden möglichen Regierungspartnern große Schnittmengen. "Die Wahlprogramme ähneln sich in den Grundzügen." Es seien mehrere Sondierungsrunden geplant.

Mit wem die SPD zuerst sprechen will, ist noch nicht bekannt. Dem Sondierungsteam der SPD werden neben Woidke SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz, Landtagsfraktionschef Klaus Ness und die stellvertretende Landesvorsitzende Katrin Lange angehören. Der Landesvorstand der Linken beschloss am Montagabend einstimmig, die Einladung der SPD zu Sondierungen anzunehmen. Die Partei werde dabei von Fraktionschefin Margitta Mächtig, der Landrätin von Teltow-Fläming, Kornelia Wehlan sowie den beiden bisherigen Ministern Christian Görke (Finanzen) und Helmuth Markov (Justiz) vertreten.

CDU stellt sich auf harte Verhandlungen ein

"Wir wollen ernsthaft in Sondierungsgespräche gehen, wenn wir das Angebot bekommen", sagte CDU-Spitzenkandidat und Parteichef Michael Schierack am Montag dem rbb. "Es ist wie im richtigen Leben. Es müssen Personen und Inhalte stimmen. Wir sind mit den Themen Innere Sicherheit, gute Bildung in Brandenburg und gute Infrastruktur in den Wahlkampf gegangen. Das werden wir natürlich auch in die Sondierungsgespräche einbringen."

Und in diese Gespräche will Schierack "optimistisch und sehr ernsthaft" gehen. Es dürften aber durchaus harte Verhandlungen werden, sagte er vor Sitzungen der CDU-Spitzengremien in Berlin. "Unter Wert werden wir uns nicht verkaufen." Die lange zerstrittene Union hat mit 23 Prozent der Stimmen in Brandenburg die bislang mitregierenden Linken überholt. Rot-Schwarz würde "eine deutlich stabilere Regierung werden als mit den Linken", sagte Schierack. Ähnlich äußerte sich Ingo Sentleben, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagskfraktion: Nur mit der CDU sei eine stabile Mehrheit möglich, Rot-Rot sei abgewählt worden, sagte er mit Blick auf die deutlichen Verluste der Linken.

Görke: "Wir werden uns nicht flach hinlegen."

Doch auch die Linken wollen regieren. "Wir haben einen Gestaltungsanspruch für ein soziales Brandenburg", sagte Landesgeschäftsführerin Andrea Johlige - aber sie sagte auch, das schlechte Wahlergebnis habe Einfluss auf einen möglichen Gang in die Regierung.

Auch Spitzenkandidat Christian Görke drückte sich zurückhaltend aus. "Jetzt ist erstmal die Zeit der Sondierungen, da muss man schauen, ob es Schnittmengen gibt", sagte Görke im rbb. "Wir können opponieren, wir können auch regieren", so Görke weiter. "Das Problem war - und das hat sich schon bei den Wahlen in Thüringen und Sachsen gezeigt - dass es immer schwer ist für den kleinen Koalitionspartner die Akzente zu setzen", sagte er mit Blick auf die hohen Einbußen seiner Partei. Abstriche an ihre Bedingungen für eine etwaige Fortsetzung der Koalition will die Linke aber nicht machen. "Wir werden uns da nicht flach hinlegen", sagte Görke am Montag in Berlin. "Wir werden nicht diejenigen sein, die für die CDU den Preis drücken."

Bei den Wählern zeichnet sich keine eindeutige Präferenz für eines der beiden Bündnisse ab: Laut Infratest dimap wünschen sich 46 Prozent eine rot-schwarze Regierung und 45 Prozent eine rot-rote.

Ness und Schierack wollen Fraktionschefs bleiben

SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz sagte dem rbb am Montag, ihre Partei werden sich bei den Gesprächen über eine Koalition an Personen und Programmen der möglichen Partner orientieren. "Wir haben zehn Jahre mit der CDU und fünf Jahre mit der Linken zusammen regiert. Das ging beides und hat das Land vorangebracht", sagte Geywitz. Für ihre Partei sei es wichtig, in Bildung und Wissenschaft zu investieren, aber die Schulstrukturen nicht zu ändern.

Die Fraktionen von SPD, CDU und Linker wollen schon am Dienstag eine neue Führung wählen, wie SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz und der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Ingo Senftleben, am Montag in Potsdam ankündigten. Bisher einzige Kandidaten für den Vorsitz sind bei SPD und CDU die Amtsinhaber Klaus Ness und Michael Schierack. Zur Linken bemerkte deren Landesgeschäftsführerin Andrea Johlige: "Es hat sich noch niemand erklärt." Bündnis 90/Die Grünen, AfD und BVB Freie Wähler wollen sich mehr Zeit lassen.

Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge büßten die Sozialdemokraten 1,1 Prozentpunke ein, bleiben mit 31,9 Prozent aber klar stärkste Kraft. Die Linke verlor 8,6 Punkte und liegt jetzt bei 18,6 Prozent. Bei der letzten Wahl erreichte sie noch Platz zwei hinter der SPD - mit 27,2 Prozent der Stimmen. Nun ist sie hinter die erstarkte CDU gerutscht. Für ein rot-rotes Bündnis reicht es aber: Von 88 Sitzen im Landtag gehen 30 an die SPD und 17 an die Linke.

Ergebnis, Sitzverteilung und Analysen

Gauland: "Ich glaube nicht, dass wir ein Sammelbecken für die Frustrierten sind"

Die CDU kommt laut vorläufigem Endergebnis auf 23,0 Prozentpunkte (21 Sitze). Sie legte damit zu: 2009 stimmten noch 19,8 Prozent der Wähler für die Christdemokraten.

Wie erwartet ist die Alternative für Deutschland (AfD) neu im Landtag vertreten: Sie holte auf Anhieb 12,2 Prozent der Stimmen (11 Sitze).  "Ich glaube, wir haben ein paar Themen angesprochen, die die Parteien im Landtag nicht mehr thematisieren, weil sie sich davor fürchten und weil sie glauben, dass sie damit die politische Korrektheit verletzen", erklärte Spitzenkandidat Alexander Gauland am Montag im rbb den Wahlerfolg. "Aber die Menschen auf der Straße wollen darauf angesprochen werden und sprechen auch die Politiker darauf an." Gauland nannte konkret die Themen Einwanderung und Asyl, Innere Sicherheit, zu wenig Polizei an der Grenze und in der Fläche.

Im neuen Landtag werden nach seiner Einschätzung die anderen Parteien nicht daran vorbeikommen, sich mit den Themen der AfD zu befassen.  Die AfD habe auch einige Gemeinsamkeiten mit der Linken. Beide Parteien kritisierten, dass 1989/90 vieles in der DDR abgewickelt wurde, was eigentlich gut gewesen sei wie die Ärztehäuser. "Ich glaube nicht, dass wir ein Sammelbecken für die Frustrierten sind, aber es ist richtig, dass ich mich in einem Brief an die linken Wähler gewandt habe, und durchaus an einigen Stellen Gemeinsamkeiten festgestellt habe."

"Lösungen haben sie nicht, aber sie sprechen das aus, was die Leute bewegt", sagte Ministerpräsident Woidke dem rbb über den Wahlerfolg der AfD. "Da haben die demokratischen Parteien sicher auch ein Loch hinterlassen oder sich um bestimmte Probleme nicht so gekümmert, wie es hätte sein müssen. Das müssen wir sehr ernst nehmen." 

Ergebnisse im Detail: Wahlkreise, Landkreise und Bundesland  

Die Grünen mit Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher, die die Forderung nach einem Braunkohle-Ausstieg im Wahlkampf herausstellten, konnten ihr Ergebnis verbessern und kommen auf 6,2 Prozent (6 Sitze). Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren lagen sie noch bei 5,7 Prozent. "Wir haben im Wahlkampf mit unseren Themen durchaus punkten können", freute sich Landesvorsitzende Petra Budtke.

Die FDP verpasste den Einzug in den Landtag – mit einem erwarteten, aber trotzdem bitteren Ergebnis: Nur 1,5 Prozent der Stimmen entfallen auf die Liberalen, 2009 waren es noch 7,2 gewesen. Spitzenkandidat und Landes-Vizechef Andreas Büttner reagierte am Sonntagabend trotzig auf das schlechte Ergebnis: "Die Brandenburger brauchen die FDP - sie haben sie einfach nicht gewählt", sagte er. "Die Ziele der FDP sind richtig." Sowohl Büttner wie auch der Landeschef Gregor Beyer gaben noch am Abend ihren Rücktritt bekannt.

Überraschend in den Landtag einziehen werden dagegen die BVB/Freie Wähler, auch wenn sie ganz klar unter der Fünf-Prozent-Hürde liegen: Der bekannteste Akteur der Freien Wähler, der frühere SPD-Mann und Flughafen-Rebell Christoph Schulze, gewinnt nach dem vorläufigen Endergebnis das Direktmandat im Wahlkreis 25 (Zossen/Teltow-Fläming). Damit setzt er nach Landeswahlgesetz die Fünf-Prozent-Hürde für die Partei außer Kraft und die BVB/Freien Wähler erhalten drei Mandate.

Reaktionen in Berlin und Brandenburg

  • SPD

Wahlbeteiligung auf historischem Tiefstwert

Thema in den nächsten Tagen dürfte neben der Regierungsbildung auch die Wahlbeteiligung sein: Nur 47,9 Prozent der 2,1 Millionen Stimmberechtigten gingen wählen - ein historischer Tiefstwert. Am niedrigsten war die Wahlbeteiligung in der Gemeinde Oderberg (Barnim). Dort stimmten nur 29,5 Prozent der Wahlberechtigten ab, teilte Landeswahlleiter Benno Küpper am Montag mit.  Nach dem vorläufigen Ergebnis gingen in der Gemeinde Märkische Heide (Dahme-Spreewald) mit 71,3 Prozent die meisten an die Urne. Eine hohe Beteiligung gab es den Angaben zufolge dort, wo es einen hohen Anteil an Wohneigentum und viele Kirchenmitgliedern gibt. Großer Leerstand, viele Hartz-IV-Empfänger und eine hohe Zahl älterer Einwohner kennzeichneten dagegen die Orte mit geringer Stimmabgabe.

Nach Ansicht des Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt von der Technischen Universität Dresden gehen viele Wähler in Brandenburg davon aus, dass ihre Stimme keine Änderung im Land bewirkt. Dies sei einer der Gründe für das geringe Interesse an der Landtagswahl gewesen, sagte der Politologe. Patzelt sieht im Wählerverhalten Signale für den Wunsch nach einer Regierungsbeteiligung der Christdemokraten. Die SPD werde kaum entgegen dem Willen eines großen Teils der Wähler handeln. Die Linkspartei müsse sich damit abfinden, dass sie gegen die Union ausgetauscht werden könne. "Es gibt keinen Rechtsanspruch, an Regierungen beteiligt zu sein."

Erstmals durften bei der Landtagswahl in Brandenburg auch gut 38.000 Jugendliche ab 16 Jahren wählen, bundesweit eine Premiere in einem Flächenland.

Mit Informationen von Alex Krämer

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- Jubel, Enttäuschung, Entsetzen

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke hat allen Grund zur Freude: Seine SPD hat das Wahlergebnis von 2009 gehalten und kann weiter regieren. Aber mit wem? Die CDU hat den jetzigen Koalitionspartner Linke überholt. Und eine neue Partei mischt im Landtag mit: Die AfD - während die FDP den Einzug nicht schaffte.