Digitale Auftritte im Check - Wie Brandenburgs Spitzen den Wahlkampf verschlafen

Fr 05.09.14 | 18:04 Uhr | Von Friederike Steinberg

Der Wahlkämpfer von heute, sollte man glauben, hat alle Informationskanäle gut um Blick: Twitter, Facebook und Co. - alles auf dem neusten Stand. Kontakt zum User immer da. Bei der Brandenburg-Wahl ist das jedoch noch Zukunftsmusik, bilanziert Friederike Steinberg. Sie hat sich die digitalen Auftritte der Spitzenkandidaten genauer angeschaut.

Wahlkampf im Jahr 2014 ohne Neue Medien? Nicht denkbar. Auch die Spitzenkandidaten der fünf großen Parteien in Brandenburg bemühen sich, auf Homepages und Social-Media-Kanälen wie Facebook und Twitter eine gute Figur zu machen. Doch das Ergebnis ist enttäuschend: Den Leser erwartet ein träger Strom an Berichten, wer wann wo auf einer Wahlkampfveranstaltung war. Knackige Argumente? Diskussionen mit dem Wähler? Fehlanzeige.

SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke schenkt sich den Twitter-Account gleich ganz. Zwar ist er mit einer offiziellen Facebook-Seite vertreten, auch eine Homepage in modernem Layout steht im Netz. Knackige Argumente, weshalb der Wähler nun Woidke und die SPD in den Landtag wählen soll, fehlen jedoch auf beiden Plattformen.

Die Internetseite ist praktisch eine inhaltsfreie Zone. Neben einer Biografie in Bildern ("Der zweite langhaarige Junge von links, das bin ich") findet sich der Menüpunkt "Brandenburg-Plan". Doch wer hier Stoff für politische Debatten erwartet, wird enttäuscht: Fünf Allerweltsmottos  wie "Faire Chancen für alle", kommentiert mit ein, zwei Sätzchen.

Ähnlich dürftig schaut es auf Facebook aus: Es gibt fade Fotos von Woidke bei Wahlkampfauftritten (Gruppenbild mit Dame, Gruppenbild mit Kita-Kindern) und sehr viel Platitüden im landesväterlichen Ton. Oft fällt das Stichwort Ehrenamt. Weisheiten wie "Brandenburg bietet Perspektiven" sind in jedem zweiten Post zu finden. Diskutieren lässt sich darüber kaum.

Entsprechend mau ist auch die Zahl der Likes: rund 1.200 Anfang September. Nur zum Vergleich: Torsten Albig, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein mit einer ähnlichen Einwohnerzahl wie Brandenburg, lag da ganz ohne Wahl bei über 8.000 "Daumen hoch".

Ein wenig belebter wirkt der offizielle Facebook-Auftritt von Christian Görke, Spitzenkandidat der Linken. Die Seite wird nach Angaben von Parteisprecherin Andrea Johlige teils von Görke selbst bestückt, teils vom Wahlteam. Die Bilanz der fast täglichen Postings: Mit rund 1.200 Likes liegt er gleichauf mit dem Ministerpräsidenten.

Argumente, warum der Wähler für die Linke entscheiden sollte, bleiben aber auch hier gut versteckt. Görke nutzt Facebook (und auch den Blog auf seiner Homepage) vor allem, um seine Wahlkampfauftritte nachzuzeichnen. Um Gespräche mit dem User geht es kaum. Humor und eine persönliche Note fehlen so gut wie ganz. Dass sich Einträge wie "Solide, gerecht, innovativ - Das ist Brandenburg, das ist DIE LINKE“ viral im Netz verbreiten, ist wohl eher unwahrscheinlich...

Einen Twitter-Account von Görke gibt es zwar, die Tweets führen aber wieder zurück zu Facebook. Von der Pressestelle der Linken heißt es, kein Kandidat werde zu Social Media gezwungen, sonst könne es gar "peinlich" werden. Aber ein Twitter-Auftritt ohne echte Tweets spricht dann auch für sich.

Aufregender wird es auch bei Michael Schierack, der für die CDU antritt, nicht. "Gestern Abend haben wir die infrastrukturellen Chancen und Herausforderungen der Metropolregion Berlin-Brandenburg bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsrates diskutiert", heißt es auf der offiziellen Facebook-Seite "Prof. Dr. Michael Schierack". Zwei Wochen vor der Wahl ein echter Stimmungsbringer für die Facebook-Gemeinde.

Auch beim Twittern (16 Tweets!) überstrapaziert Schierack die Nerven seiner potentiellen Stimmgeber nicht: "Plakate aufhängen in Cottbus. Gute Gespräche mit den Bürgern vor Ort." Danach wochenlang kein Tweet. Da bleibt der Puls auf Niveau. Laut Pressesprecher Martin Burmeister geht es ohnehin nur darum, "alle möglichen Medienkanäle zu bedienen". Zitat: "So wahnsinnig Internet-affin sind die Brandenburger nicht."

Schieracks Homepage lässt sich als "ausgewachsener Klon" von der des Konkurrenten Woidke beschreiben: schickes Design, langweilige Statements - nur die Texte sind dreimal so lang. Das Pendant zu "Faire Chancen für alle" lautet: "Ich stehe für ein Brandenburg, in dem in allen Landesteilen gleichwertige Lebenschancen gelten, das Grundbedürfnis an Sicherheit garantiert wird, unser Mittelstand und unsere Industrie gefördert werden, gute Bildung für unsere Kinder gesichert und Unterricht erteilt wird."

Weit interessanter liest sich die Homepage von Ursula Nonnemacher, betreut von ihr und ihrem Wahlkreisbüro. Zwar schreckt auch die Grünen-Spitzenkandidatin nicht vor Wahlkampf-Gruppenbildern zurück. Aber immerhin gibt es politische Inhalte: Es geht um den Braunkohle-Abbau und die Agrarindustrie. Da wacht der User doch mal auf.

Nicht unbedingt auf Twitter, aber immerhin auf ihrer Facebook-Profilseite ist Nonnemacher sehr aktiv. Im Gegensatz zu den anderen Kandidaten diskutiert sie hier auch schon mal mit den Nutzern. Sie äußert sich kritisch und kommentiert sogar was als "Blödsinn".

Unglücklich nur, dass nicht alle persönlich mit Ursula Nonnemacher streiten können, denn es handelt sich um keine offizielle Facebook-Seite. Mitdiskutieren kann nur, wer zunächst als Freund akzeptiert worden ist. Wer keinen Facebook-Account hat, kann die Beiträge des Freundeskreises noch nicht einmal anschauen. Die Pressestelle der Brandenburger Grünen verweist zwar auf die allgemeine Fanseite der Partei - aber persönlich geht anders.

Andreas Büttner von der FDP besitzt ebenfalls keine offizielle, sondern nur eine private Facebook-Seite, die er für seinen politischen Auftritt nutzt - auch hier bleiben Nicht-Facebook-Mitglieder draußen. Die anderen erfahren Politisches fast nur über verlinkte Medienbeiträge, davor Kommentare wie: "Schon interessant, was die anderen so über einen denken." Klare Positionen des Kandidaten - Fehlanzeige. Diskussion? Dito.

Ganz und gar dünn wird die Luft in der Twitter-Welt des @BuettnerAndreas. Der letzte der wenigen Tweets des FDP-Kandidaten ist vier Monate alt. Beachtenswert ist auch der erste: "Muss ich jetzt eigentlich auch alle anschreiben, weil ich bei Twitter bin? :)".

Auch die letzte Hoffnung Homepage muss der netzaffine Wähler aufgeben. Hinter andreas-buettner.net liegt keine eigenständige Seite, sondern ein Verweis auf die Website der Landes-FDP. Hier findet der interessierte Wähler eine Biografie im Steno-Stil: "Hobbies: Politik, Musik, Literatur."

Fazit: Nicht einer der fünf Spitzenkandidaten schöpft die Möglichkeiten der sozialen Medien als Teil einer modernen Wahlkampfstrategie aus. Über die Menschen hinter der Politikerfassade ist verhältnismäßig wenig zu erfahren. Stattdessen verbreiten sie vorwiegend Wahlkampfsprüche im Einbahnstraßen-Prinzip. Der Wähler als Gesprächspartner kommt kaum vor.

Nicht einmal die großen Plattformen Facebook und Twitter werden von allen bedient. Alexander Gauland, Spitzenkandidat der zuletzt in Sachsen erfolgreichen AfD, schenkt sich gleich beides. Auch eine persönliche Homepage Gaulands ist nicht zu finden. Auf Nachfrage zeigte sich AfD-Sprecher Detlev Frye überzeugt, die Seite gebe es, räumte aber auch ein: "Ich muss mal nachschauen, ob die verschoben wurde."

Mit Informationen von Sebastian Schneider

Beitrag von Friederike Steinberg

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