Dirigent James Gaffigan im Pierre Boulez Saal - Freudestrahlende Nähe zur Musik

Mo 10.01.22 | 08:34 Uhr
James Gaffigan. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Audio: Inforadio | 10.01.2022 | Hans Ackermann | Bild: dpa/Jörg Carstensen

James Gaffigan - derzeit noch Chefdirigent in Luzern - wird ab der Spielzeit 2023/24 der neue Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin. In einem Sinfoniekonzert stellte er sich am Wochenende dem Berliner Publikum vor. Von Hans Ackermann

Schöner als mit der lyrischen "Idylle für Streicherorchester" von Leos Janacek kann eine sonntägliche Matinee nicht beginnen. In der sechs Sätze umfassenden Suite hat der tschechische Komponist um das Jahr 1880 die Lieder und Tänze seiner mährischen Heimat kunstvoll verarbeitet und farbenfroh instrumentiert - helle Geigenmelodien, die im Pierre Boulez Saal von den Bratschen und Celli angenehm abgedunkelt werden und sich mit dem tiefen warmen Klang der Kontrabässe verbinden.

Körperbetontes Dirigieren

Bei dieser wohligen Musik dirigiert James Gaffigan die Staatskapelle mit dem ganzen Körper. Mit den Armen zeichnet er Melodielinien in die Luft, geht auch mal leicht in die Knie, wenn es besonders leise werden soll, deutet mit einem kleinen Sprung in die Höhe an, dass es ihn vor Spannung kaum mehr auf dem Boden hält.

Zu Gaffigans körperbetonter Dirigierweise gehört auch eine immer mal wieder zu beobachtende flüchtige Handbewegung zum Mund. Damit wird signalisiert, dass es "gesungen" klingen soll - auch wenn das Konzert ganz ohne Sängerinnen und Sänger auskommt und "nur" mit Instrumenten besetzt ist.

Dichter Klang

Diese rund 60 Instrumentalisten müssen beim zweiten Werk dann eng zusammenrücken, wenn Blech- und Holzbläser sowie mehrere Schlagzeuger hinzukommen. Alle zusammen passen gerade noch in das Oval des Pierre Boulez Saals. Der Orchesterklang ist durch diese räumliche Konzentration dann aber auch entsprechend dicht - und damit genau richtig für die Uraufführung von "Respond", ein anspruchsvolles zeitgenössisches Werk des ungarischen Komponisten Peter Eötvös.

Im Mittelpunkt steht bei diesem knapp 15 Minuten dauernden Stück für Viola und Orchester die exzellente Solo-Bratschistin der Staatskapelle, Yulia Deyneka. Sie tritt gewohnt glanzvoll auf und lässt ihren Bratschenton in der Mitte des Stücks mit dem Fagott zu einem klanglich betörenden Duo verschmelzen.

Künstlerische Kompetenz

Im Saal anwesend und anschließend ebenfalls mit stürmischen Beifall gefeiert ist der Komponist Peter Eötvös. Und er bleibt aus guten Gründen auch danach im Saal, setzt sich wieder an seinen Platz - um seinem jungen Kollegen James Gaffigan und der bestens geleiteten Staatskapelle auch beim dritten Stück der Matinee zuzuhören.

Mit Maurice Ravels "Ma mère l’oye" klingt der Sonntagvormittag dann genauso idyllisch aus, wie er begonnen hat. Um das Jahr 1910 uraufgeführt, scheint dieses musikalische Märchen für den zukünftigen musikalischen Leiter der Komischen Oper wie geschaffen, um noch einmal seine Stärken zu präsentieren: künstlerische Kompetenz und eine freudestrahlende Nähe zur Musik, zum Orchester und zum Publikum.

Leider wird der 1979 in New York geborene Dirigent erst zur Spielzeit 2023/24 regelmäßig am Pult der Komischen Oper stehen, zum Beispiel beim Neujahrskonzert 2023. Bis dahin ist er noch Chefdirigent in Luzern und erster Gastdirigent bei verschiedenen Spitzenorchestern - kein Wunder, das alle diesen James Gaffigan haben wollen.

Sendung: Inforadio, 10.01.2022, 7 Uhr

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