Untätigkeit der Beamten vertuscht? - Fall Amri: Wohnungen und Büros von LKA-Beamten durchsucht

Mo 29.05.17 | 13:18 Uhr
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Polizisten stehen vor dem zerstörten LKW am Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin (Quelle: dpa/Michael Kappeler)
Bild: dpa

Manipulierte Akten im Fall Amri: Die Staatsanwaltschaft hat am Montag Handys und Laptops von Kriminalbeamten beschlagnahmt. Die Frage ist, ob Fehler vertuscht wurden und das Attentat mit zwölf Toten hätte verhindert werden können.

Nach der mutmaßlichen Manipulation von Akten im Fall des Attentäters Anis Amri sind in Berlin Wohnungen und Arbeitsplätze mehrerer Beamter des Landeskriminalamtes durchsucht worden. Am Montag sei das Umfeld eines beschuldigten Beamten durchleuchtet worden, sagte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner.

Seit Freitag gab es demnach auch Durchsuchungen bei mehreren Kollegen des
Beschuldigten, diese gelten laut Staatsanwaltschaft aber als Zeugen. Beschlagnahmt wurden Handys, Laptops und auch Speichermedien.

Ermittlungen wegen Strafvereitelung und Urkundenfälschung

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte Strafanzeige gestellt, nachdem bekannt wurde, dass Ermittlungsakten zu Amri nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche nachträglich zurückdatiert, abgespeckt und gemildert wurden. Möglicherweise sollte so Untätigkeit der Behörden vor dem Attentat vertuscht werden. Es geht um die Frage, ob der verheerende Anschlag hätte verhindert werden können, wenn Amri wegen anderer Delikte vorher verhaftet worden wäre.

Laut Staatsanwaltschaft wurde nach der Anzeige des Senators ein Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitelung im Amt und Urkundenfälschung eingeleitet. Der Verdacht richte sich gegen einen Beamten, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Untersuchungsausschuss soll Arbeit bald aufnehmen

In der vergangenen Woche hatten die Berliner Regierungsfraktionen von SPD, Linke und Grüne sich darauf geeinigt, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzurichten. Dieser soll Behördenfehler im Fall des Attentäters Anis Amri aufarbeiten und möglichst vor der parlamentarischen Sommerpause eingesetzt werden.

Zunächst soll der Sonderermittler des Berliner Senats, der frühere Bundesanwalt Bruno Jost, am 3. Juli seinen Zwischenbericht vorlegen. Jost hatte vermutlich manipulierte Ermittlungsakten zu Amri gefunden. Die Regierungsfraktionen erklärten, die Ermittlungen von Jost hätten gravierende Einzelfehler der Sicherheitsbehörden aufgedeckt. Der
Ausschuss sollte aber auch strukturelle Fragen im Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern und der gesamten Sicherheitsarchitektur klären.

Landesregierung will Anti-Terror-Trainingszentrum

In einem am Montag bekannt gewordenen Antrag fordern SPD, Linke und Grüne eine verstärkte Prävention gegen Radikalisierung sowie ein gemeinsames Anti-Terror-Trainingszentrum von Berlin, Brandenburg und dem Bund. Zusammen mit Betreibern "kritischer Infrastruktur" sollen die Sicherheitsbehörden im Krisenfall außerdem ein Lagezentrum einrichten. Opfer sollen besser betreut und für Angehörige und Hinterbliebene soll eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet werden.  

Sendung: Abendschau, 29.05.2017, 19.30 Uhr

13 Kommentare

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  1. 13.

    Ehrlich gesagt halte ich mehreres für möglich:

    1. Es kann sein, dass in der Behörde einfach ein Opportunitätsprinzip herrscht, einfach keine weiteren Konsequenzen zu ergreifen, weil die bisherigen Konsequenzen sowieso schon erfolglos blieben. Das ist ohne Zweifel gegenüber Drogendealern der Fall.
    Dieses Handeln schafft natürlich Frust und jeder weiß das auch. Hier läuft der Rechtsstaat aufgrund der Bodenlosigkeit der Andershandelnden zumeist ins Leere.

    2. Auch kann es sein, dass Amri deshalb nicht festgenommen worden ist, weil sich andere Stellen da noch mehr von seinem Handeln erhofften. Ein Tatort-Film - derjenige mit Hans-Jürgen Prochnow - hat dieses Szenario ja vor etlichen Monaten durchgespielt, ohne auf den Fall Amri abheben zu können.

    3. Für nicht möglich halte ich, dass da ein Behördenmitarbeiter einfach aus Kumpanei oder persönlichem Versagen heraus die Schwärzung vorgenommen hat. Da ging´s wegen 1) oder 2) nach dem Motto: Retten, was zu retten ist.

  2. 12.

    ...in Berlin dauert ALLES etwas länger... >>>BER, Termine beim Bürgeramt (6 Wochen Wartezeit für ´nen Reisepass?! Da geht das Kaufen im Park schneller..;), die Kommunikation zwischen den Behörden. Insofern verwundert es von außerhalb dieser Welt betrachtet nicht, dass zwischen der Erkenntnis, dass manipuliert und vertuscht wurde und der heutigen Durchsuchung von Arbeitsplätzen und anderen Räumlichkeiten von LKA-Beamten genügend 2Wochen Zeit berlinisch verwaberten, damit alle Beteiligten in Ruhe (nach Vatertag und Hitzewallung;) ihre möglicherweise kompromittierenden Zutaten und deren Reste beseitigen, entsorgen, verstecken oder verhökern konnten.... Aber wenn in Berlin ein Wasserrohr an der Straße platzt, dauert die Reparatur auch 3-6 Monate, woanders nur 1-3 Wochen. Mir wird Angst und Bange.

  3. 11.

    Der LKA Beamte ist doch nur ein Bauernopfer. Die NSA hatte das Umfeld von Amri im Ausland im Blick und eine frühe Verhaftung von ihm hätte bestimmt die Ziele der NSA gestört.
    Wetten, dass die NSA da die Finger im Spiel hatte und die berliner Behörden ausgebremst hat?
    Da wird bestimmt noch so einiges zu Tage treten.

  4. 10.

    Ich möchte zu diesem Thema mal auf den Interessenkonflikt hinweisen, den Sicherheitsbehörden ausgesetzt sind. Denn sie sind einerseits für die Sicherheit zuständig, so auch für das verhindern von Anschlägen. Andererseits wächst die Bereitschaft in der Bevölkerung solche Behörden mit mehr Macht auszustatten wenn etwas passiert. Zusammen mit den personellen Verstrickungen einiger in diesen Behörden mit dem politisch rechten Rand gibt einen gut begründeten Anlass zu Skepsis.
    Man denke dabei nur mal an ein anderes Ereignis was sich in jüngerer Zeit abspielte: Den Putschversuch in der Türkei. Die Situation ist ähnlich: Der dortige Machthaber profitiert immens von diesem gescheiterten Putsch, sodass man sich durchaus die Frage stellen kann ob er von seinen Sympathisanten in den entsprechenden Behörden verhindert worden wäre wenn sie es gekonnt hätten.
    Möglicherweise handelt es sich um die erweiterte Form einer "Strategie der Spannung", die ohne Stay-Behind Organisationen auskommt.

  5. 9.

    Das hat etwas mit Bequemlichkeit zu tun und politischem Opportunismus.
    Als ob irgend Jemand Sympathie mit einem potenziellen Terroristen hätte.
    Ermittelt die Richtigen und dann soll es den rechtsstaatlichen Weg gehen. Zudem sollte Jeder, der in irgendeinerweise Etwas mitbekommt nicht schweigen und seine Pflicht tun.
    JohnBowie

  6. 8.

    Ja, es gibt wirklich viel aufzuklären. Im Moment sucht man ein paar kleine Beamte, die eine Mitschuld an der Vorgeschichte tragen sollen. Was die Bevölkerung wirklich interessiert, sind wahrheitsgemäße Angaben zu den Details des Geschehens am 19.12.2016. Alle warten auf die Veröffentlichung der GPS-Daten des LKWs (wann, wo, wie schnell) und der Fotos aus der Überwachungskamera am Bahnhof Zoo.

  7. 6.

    ich frage mich (hoffe RBB bleibt da dran) ob es was geändert hätte, wen wegen Drogen gesucht(gefahndet) wurden wäre. Wie viele (Straf-)Täter gehen nach 24h spätestens wieder aus dem Gewahrsam , weil kein Richter oder Staatsanwalt (wegen Überlastung) Zeit hat ?

    Nichts desto Trotz darf so was nicht vorkommen und der Beamte gehört für mich eben so vor einen Richter.
    Trotzdem wäre es gut (auch für uns Bürger) zu wissen was es gebracht hätte, um z.B. noch andere Fehler oder Schlupflöcher zu finden und zu beseitigen. (z.B. Mehr Juristen) ...

  8. 5.

    Hat man also wieder mal einen "Schuldigen" gefunden ...
    Natürlich muß derartigen Manipulationen (schon im Namen des Volkes!) nachgegangen werden.
    Aaaaber: Was passiert ist, ist passiert und nicht mehr ungeschehen zu machen - es wäre also wesentlich sinnvoller, gegen ZUKÜNFTIGE Terrorpläne (die mit Sicherheit bereits in Planung sind) rigoroser vorzugehen als bisher - aber dazu müßte man ja dazugelernt haben und folglich ein bißchen von dem behörlich verordnetem Gutmenschentum abrücken ...
    und das wäre dann ja wohl wieder nicht "politisch korrekt" ...

  9. 4.

    Diese Entwicklung überrascht mich keineswegs. Hier wird man irgend einen kleinen Beamten als Bauernopfer finden. Die wirklich politisch Verantwortlichen werden für dieses katastrophale Versagen niemals grade stehen müssen.

  10. 3.

    Die Vertuschung rechtswidrigen Verhaltens von Beamten im Dienst hat in Berlin eine lange Tradition, wie sich nun auch im Fall Benno Ohnesorg herausstellt:
    https://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2017/05/50-jahre-tod-benno-ohnesorg-interview-margot-overath.html

  11. 2.

    Soll man uns glaubhaft machen, dass er nur deshalb nicht abgeschoben wurde, weil die Polizei nicht sauber gearbeitet hat?
    Die Politik schiebt hier sehr elegant der Polizei den schwarzen Peter zu.

  12. 1.

    Nach vielen Berufsjahren als Anwältin nun ich nicht überrascht von den Aktenmanipulation im Fall Amri. Schon lange scheinen sie mir ein beliebtes Mittel von Behördenmitarbeitern zu sein, arbeitsintensivere oder komplexe Verwaltungsangelegenheiten bequem zu erledigen. Und auch die Gerichte sind meist mehr an bequemen Lösungen (Vergleich), denn an einer sachlichen und rechtlichen Entscheidung interessiert;

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