Interview | Zur FDP-Forderung "Tegel offen halten" - "Tegel wird geschlossen. So einfach ist das."

Mi 10.08.16 | 11:13 Uhr
Blick auf den Flughafen Tegel April 2016 (Quelle:dpa)
dpa
Audio: Radioeins | 08.08.2016 | Der schöne Morgen | Bild: dpa Download (mp3, 6 MB)

"Tegel offen halten" – das ist die Wahlkampfforderung der Berliner FDP, "So kann der Flughafen Tegel doch noch offen bleiben" titelt eine große Berliner Boulevardzeitung dieser Tage. Doch geht das überhaupt? Der rbb-Flughafenexperte Thomas Rautenberg sagt: Es geht nicht. So einfach ist das.

Sechs Monate nach der Eröffnung des BER muss der Flughafen Tegel geschlossen werden. Das sagen Berlins Regierungspolitiker gebetsmühlenartig. Stimmt das denn definitiv?

Thomas Rautenberg: Das stimmt. Und wenn die FDP mal nachgelesen hätte, hätte sie sich davon auch überzeugen können. Es gibt einen Bescheid, danach muss Tegel geschlossen werden. Dieser Widerruf der Betriebsgenehmigung von Tegel als Flughafen stammt schon vom 29. Juni 2004. Da sind ein paar Daten festgelegt: Wenn der BER über eine Nordbahn verfügt, die 3.600 Meter lang ist, wenn der BER über eine Südbahn, also eine Startbahn, verfügt, die 4.000 Meter lang ist und wenn der BER eine Betriebsgenehmigung als Flughafen hat, also als Flughafen fungieren kann und eröffnet wird auf dieser Basis, dann muss ein halbes Jahr später Tegel geschlossen werden. So einfach ist das.

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Wenn man der Berliner FDP und einer bekannten Berliner Boulevardzeitung glauben darf, dann ist es kein Problem, den Flughafen Tegel offen zu halten. Die Zeitung zitiert aus einem Bundestagsgutachten: "Die Bestandskraft dieses Planfeststellungsbeschlusses entfaltet keine Bindungswirkung zur Schließung des Flughafens Berlin Tegel." Wenn man sich ganz viel Mühe gibt, könnte man doch zwei Flughäfen parallel betreiben?

Das ist genau der Punkt. Dieses Gutachten, das ja auch nicht mehr ganz frisch ist, bezieht sich auf den Nachsatz zum Planfeststellungsbeschluss des BER. Also zur schriftlichen Genehmigung des BER und darin wird behauptet, weil es nur in der Begründung steht und nicht im Planfeststellungsbeschluss, sei es nicht bindungsfähig. Daher könne man irgendeinen Ausweg suchen. Dazu ein ganz klares Wort: Das Bundesverwaltungsgericht hat schon in einer früheren Entscheidung gesagt, dass der Flughafen BBI, also BER später, an einer sehr problematischen Stelle gebaut ist und nur genehmigt werden kann, weil im Gegenzug die beiden Innenstadtflughäfen Tegel und Tempelhof geschlossen werden.

Und als hätten die Richter schon geahnt, dass es findige FDP-Politiker geben würde, die dann irgendwann später um die Ecke kommen, haben sie auch gesagt: Der Ausbau von Schönefeld unter Beibehaltung einer der beiden Innenstadtflughäfen wäre fachplanerisch nicht gerechtfertigt. Eine größere Watsche vom zuständigen obersten Gericht, nämlich dem Bundesverwaltungsgericht, kann keiner bekommen. Jetzt kann man hingehen nach Leipzig und sagen, wir wollen das machen. Dann wird am nächsten Tag, sage ich voraus, gegen den BER geklagt und Berlin hat gar keinen Flughafen mehr.

Jetzt haben wir über das Juristische gesprochen. Was spricht denn wirtschaftlich für, beziehungsweise gegen eine Schließung Tegels?

Man sagt ja immer, Tegel sei im Moment eine Gelddruckmaschine, aber man muss  genau hinschauen. Es ist eine Gelddruckmaschine, weil nicht mehr viel investiert, aber unter Volllast geflogen wird. Den Hauptverkehr würde künftig, die Offenhaltung von Tegel mal vorausgesetzt, in jedem Fall Schönefeld tragen (Schönefeld Alt und der BER). Damit würde Tegel dann kaum noch Gewinn abwerfen, weil der teure Flughafenbetrieb bei viel geringerer Auslastung aufrecht erhalten werden müsste. Tegel wäre dann keine Gelddruckmaschine mehr und Gewinn und Verlust würden sich da vielleicht gerade so die Waage halten. Das ist das eine.

Das andere ist: Wir würden eine neue Flugroutendiskussion bekommen, weil ja auf den Flugrouten des BER nicht geflogen werden kann, solange es Tegel gibt. Ein weiterer Punkt, über den die FDP soweit ich weiß gar nicht diskutiert, ist der Schallschutz. Wenn wir in Tegel weiter fliegen wollten, müssten die Anwohner Schallschutz kriegen. Dafür sind zwei Milliarden Euro veranschlagt worden. Ja, soll man doch machen, wenn man das Geld hat. Das hätte man sich alles vorher überlegen sollen, auch bei der FDP, bevor man diese Beschlüsse fasst. Das wird nicht reichen für die Offenhaltung von Tegel. Das wird maximal dafür reichen, fünf Prozent für die FDP zu holen. Und dann wird diese kleine Parlamentspartei auch nicht mehr über die Offenhaltung von Tegel reden.

Und noch eine letzte Flughafen-Frage: Wird der BER im kommenden Jahr eröffnet oder wackelt der Termin schon wieder kräftig?

Nach meiner Ansicht wird er 2017 nicht eröffnen können. Dazu gibt es viel zu viele offene Fragen. Man hält den Druck auf dem Kessel, heißt es so schön, aber dass dort tatsächlich Ende 2017 Flugzeuge fliegen werden, halte ich für ausgeschlossen.

 

Das Interview führten Tom Böttcher und Marco Seiffert, Radioeins