Bürgermeisterwahl am Mittwoch - Spandauer BVV ringt um eine unübersichtliche Mehrheit

Mi 30.11.16 | 07:54 Uhr | Von Ute Zauft
Helmut Kleebank (Quelle: imago/Olaf Wagner), Raed Saleh (Quelle: imago/IPON), Kai Wegner (Quelle: imago/IPON); Andreas Otti (Quelle: privat) und Paul Fresdorf (Quelle: FDP)
Bild: imago/Olaf Wagner/IPON/Metodi Popow; FDP; Andreas Otti privat

Es dürfte spannend werden, wenn die Spandauer Bezirksverordneten am Mittwochabend zur Wahl des Bezirksbürgermeisters aufgerufen sind. In kaum einem anderen Bezirk ist die Mehrheitsfindung so kompliziert, dazu schwelen alte Konflikte. Von Ute Zauft

Der zweite Punkt auf der Tagesordnung der Spandauer Bezirksverordnetenversammlung (BVV) für Mittwoch zeigt schon, wie knifflig es ist: "Wahl des Bezirksbürgermeisters - Vorschlagsrecht der Fraktion der SPD - Vorschlag zur Wahl - der Fraktionen der SPD, Bündnis '90/Die Grünen und Linksfraktion".

In kaum einem anderen Bezirk sind die Mehrheitsverhältnisse so kompliziert wie in Spandau. In der 55-köpfigen BVV stellt die SPD mit 20 Bezirksverordneten zwar die stärkste Fraktion und kann damit den Bürgermeister vorschlagen. Aber nur zusammen mit Stimmen von den Grünen, den Linken und der FDP kann sie auf die erforderliche Mehrheit von mindestens 28 Stimmen kommen. Hier zeigt sich die neue Unübersichtlichkeit, die nach dem Einzug der AfD in vielen Berliner BVVen herrscht. In Spandau stellt die AfD neun Verordnete, doch zusammenarbeiten will mit ihnen bisher keine der anderen Fraktionen. Nun hängt anscheinend alles von der FDP ab.

Schuldzuweisungen zwischen SPD und CDU

Direkt nach der Wahl sah zunächst alles ganz einfach aus: SPD und CDU führten Gespräche über die Wiederwahl von SPD-Bürgermeister Helmut Kleebank, denn beide Parteien zusammen verfügen über eine ausreichende Mehrheit. Doch kurz vor der konstituierenden Sitzung der BVV erklärte die CDU die Gespräche für gescheitert.

Es folgten gegenseitige Schuldzuweisungen der Verhandler. Der Spandauer SPD-Kreischef (und Fraktionschef im Abgeordnetenhaus) Raed Saleh warf der CDU vor, gar nicht an einer Zusammenarbeit interessiert gewesen zu sein. Das sei Quatsch, erwiderte CDU-Kreischef (und Noch-Generalsekretär der Landespartei) Kai Wegner: "Wir haben festgestellt, dass wir sehr unterschiedliche Politikansätze haben und wollten am Ende des Tages nicht einzig und allein als Mehrheitsbeschaffer für die SPD dienen."

Eine Art feindliche Übernahme durch die SPD 2011

Die parteipolitischen Gräben in Spandau sind tief – besonders für kommunalpolitische Verhältnisse, denn auf dieser Ebene wird man sich sonst auch schnell mal über die Parteigrenzen hinweg einig. Auf Bezirksebene haben die Politiker die Sachzwänge schließlich direkt vor der Nase. Um die Tiefe der Gräben zu verstehen, muss man einen Blick zurück werfen.

Es gab eine Zeit, als die Spandauer Bürgermeister gefühlte Ewigkeiten an der Macht waren. Den Rekord stellte zuletzt mit 16 Jahren der CDU-Mann Konrad Birkholz auf. Doch 2011 folgte dann, was aus Sicht der CDU eine feindliche Übernahme war: Die Konservativen stellten zwar die stärkste Fraktion, doch mittels einer Kooperation mit Grünen, Piraten und den Linken hob die SPD ihren Spitzenkandidaten Helmut Kleebank ins Amt.

FDP sagt Unterstützung zu - nicht ohne Gegenleistung

Dieser Politkrimi könnte sich nun fortsetzen, wenn auch in anderer Besetzung. Nach Gesprächen mit der SPD hat die FDP inzwischen erklärt, SPD-Mann Kleebank zu unterstützen. Herausgehandelt haben die Liberalen dabei für sich die Zusage von Kleebank, drei ihrer Themen voranzutreiben: Die Verbesserung der Verkehrssituation im Spandauer Süden, etwa durch Haltebuchten für Busse auf dem Kladower Damm, die Stärkung der Gymnasien und die Bewerbung Spandaus als Pilotbezirk für die digitalisierte Verwaltung.

SPD, Linke und Grüne bilden ganz offiziell für die Wahl des Bürgermeisters eine sogenannte Zählgemeinschaft und haben Kleebank vorgeschlagen. Über die Vereinbarung einer weitergehenden inhaltliche Zusammenarbeit wird derzeit noch diskutiert – besonders kontrovers bei den Grünen.

FDP als Zünglein an der Waage

In Berlin-Spandau ist die FDP also als Zünglein an der Waage auf die Bühne zurückgekehrt, doch der Spandauer Liberalen-Chef Paul Fresdorf zeigt sich mit dieser Rolle alles andere als zufrieden. "Den kleinen Parteien wird auf Bezirksebene eine undankbare Aufgabe zugeschoben", so Fresdorf gegenüber rbb|24. Ebenso wie Grüne und Linke werde die FDP dazu gedrängt, den Bürgermeister mitzuwählen, habe dann aber keine Möglichkeit, auch Verantwortung zu übernehmen, so seine Kritik.

Das Bezirksamt mit dem Bezirksbürgermeister und den vier Stadträten wird nach Proporz besetzt - entsprechend der Sitzverteilung in der BVV. Eine Chance auf einen Stadtratsposten hat die FDP mit ihren drei Verordneten damit nicht. Der SPD und der CDU stehen jeweils zwei Posten im Bezirksamt zu, der AfD einer. "Das bisherige System des Proporzbezirksamtes gehört endgültig abgeschafft, stattdessen brauchen wir ein politisches Bezirksamt", so die Forderung von Fresdorf. In diesem Fall hätten sich auch CDU und SPD schon längst geeinigt, schiebt er hinterher. Denn nur im jetzigen System standen für die CDU die zwei Stadtratsposten ja nie auf dem Spiel.

Spannung am Wahlabend

Die CDU wirbt unterdessen bei allen Fraktionen in einer Erklärung für einen "neuen Spandauer Weg". Man wolle weg vom Parteienstreit und hin zu einem Wettbewerb der Ideen, heißt es darin. Nicht das Parteibuch sondern die Idee müsse im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung stehen. Die FDP hat schon unterschrieben, die SPD hat dagegen laut CDU noch nicht reagiert.

Für die anstehende Bürgermeisterwahl am Mittwoch hat die CDU bereits angekündigt, Helmut Kleebank nicht mitzuwählen. "Wenn er gewählt wird, werden wir gratulieren", betont der Sprecher der Spandauer CDU, Thorsten Schatz. Und fügt hinzu: "Wir werden sehen, ob die Mehrheit auch bei der Wahl steht." Schließlich habe sich bei den Wahlen 2011 gezeigt, dass bei der SPD selbst innerhalb der Partei nicht immer Einigkeit herrsche. Damals wurde Kleebank erst im dritten Wahlgang gewählt, nachdem dem Vernehmen nach mehrere Abweichler aus den eigenen Reihen hatten überzeugt werden müssen.

Die Kräfteverhältnisse in Spandau nach der Wahl 2016

Beitrag von Ute Zauft

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