Spitzenkandidaten | Daniel Wesener, Ramona Pop, Bettina Jarasch, Antje Kapek (Grüne) - Ein Fall für die grüne Viererbande

Fr 15.07.16 | 11:00 Uhr | Von Nina Amin
Archivbild: Ramona Pop, Daniel Wesener, Bettina Jarasch und Antje Kapek (Bündnis 90/Die Grünen) unterhalten sich in Berlin (Quelle: dpa)
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Doppel hält besser, viermal erst recht. Das haben sich die Berliner Grünen erklärtermaßen bei ihrem Beschluss gedacht, im Viererpack bei der Abgeordnetenhauswahl anzutreten. Doch die "Viererbande" wie aus den TKKG-Jugendromanen ist vor allem Resultat heftiger Machtkämpfe in der Partei. Von Nina Amin

Berlin-Mitte am Spreeufer: Bei frisch zubereiteter Holunderlimonade präsentieren die Grünen ihre Wahlplakate. Die drei Frauen in Sommerkleidern, der Mann mit Sakko über dem bedruckten T-Shirt: Sie treten gemeinsam als Spitzenkandidaten zur Berliner Abgeordnetenhauswahl im September an. Die Stimmung ist gelöst. Jeder positioniert sich vor einem der zu enthüllenden Wahlplakate. Keiner drängt sich in den Vordergrund. Auffällig ist nur, dass Ramona Pop als Letzte mit dem Enthüllen an der Reihe ist.

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Jünger, erfahren, nicht überall beliebt: Ramona Pop

Die 38-Jährige ist die Nummer 1 im Quartett.  Auch wenn weder Pop noch ihre Mitstreiter das je so sagen würden. Aber die Jüngste der vier Grünen hat am meisten Führungserfahrung.

In Rumänien geboren, in Münster aufgewachsen, trat Pop früh in die Partei ein. Als langjähriges Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus versammelt die Fraktionschefin die sogenannten Realos hinter sich. Die Partei-Basis verpasste Pop im März allerdings einen Dämpfer: Für Listenplatz 1 bekam sie zunächst nur rund 60 Prozent der Stimmen.

Trotzdem:  Stets im hippen Damenoutfit gekleidet, ist die studierte Politologin die Bekannteste der Berliner Grünen. Das wissen auch die linken Parteifreunde. Nach der Wahl hätte sie gute Chancen auf einen Senatorinnenposten, auch als mögliche Bürgermeisterin wird sie gehandelt. Sagen will Pop zu der Personalfrage nichts, weil sie auf keinen Fall denselben Fehler machen will wie die Grünen bei den letzten Wahlen, als vorzeitig über Posten geredet wurde. Deshalb antwortet Pop auf die Amtswunschfrage lächelnd: "Nach der Wahl schauen wir weiter."

Die karrierebewusste Grüne stellt ihre Themen in den Vordergrund. Auf dem Wahlplakat, das Pop an diesem Sommertag enthüllt, steht groß "Steuern nicht verfeuern!" Im Hintergrund ist verschwommen der Flughafen BER zu sehen.  Das Ziel der Haushaltspolitikerin:  "Die rot-schwarze Pannen-Regierung abschaffen."

Bodenständig, Kreuzbergerin, nicht immer diplomatisch: Antje Kapek

Das will auch Antje Kapek. Die gebürtige Kreuzbergerin vertritt den linken Flügel der Grünen-Fraktion, seit fast vier Jahren zusammen mit Ramona Pop als Fraktionschefin.

Für die zweifache Mutter ist ein Viererteam zur Wahl "unglaublich befruchtend, bereichernd und entlastend, auch für die Frage Vereinbarkeit von Politik und Familie." Und anscheinend auch spannend, denn Kapek verglich ihr "grünes Kleeblatt" unlängst mit den vier jugendlichen Hobby-Detektiven aus den TKKG-Jugendromanen.

Der Stadtplanerin ist wichtig, dass Familien und Leute ohne viel Geld nicht an den Stadtrand gedrängt werden. "Berlin muss bezahlbar bleiben. Das unterscheidet uns schließlich von Paris und London."

Diplomatisch ausdrücken ist nicht ihre Stärke. Die 39-Jährige ist mehr der Typ "Berliner Schnauze" als zurückhaltende Strippenzieherin. Im Frühjahr äußert sich Kapek  über geplante Flüchtlingsheime in Marzahn-Hellersdorf. Die seien in solch "schwieriger Nachbarschaft", "einer NPD-Hochburg", eher "weniger geeignet". Das empört ihre grünen Parteifreunde, bringt Spott und Ärger von CDU und Linke und Beifall von NPD-Sympathisanten. Kapek fühlte sich von allen Seiten missverstanden und stellt klar, sie habe natürlich nichts gegen Flüchtlinge in dem Bezirk. "Das hat mir damals sehr weh getan", sagt sie heute.

Gläubig, ausgewogen, ohne Parlamentserfahrung: Bettina Jarasch

"Dein Gott? Dein Sex? Dein Ding!" steht auf dem Wahlplakat, das Bettina Jarasch im weißen Sommerkleid präsentiert.

Der verheirateten Katholikin ist diese Botschaft besonders wichtig: In Berlin soll jeder leben können wie er möchte.

"Wir werden nicht zulassen, dass es einen Wahlkampf auf dem Rücken von Muslimen gibt. Wir hoffen, dass wir es bei dieser Wahl schaffen, die AfD zu stoppen."

Die Endvierzigerin ist die Älteste im Quartett, wirkt reifer als ihre MitkandidatInnen. Wie Ramona Pop versammelt sie die sogenannten Realos hinter sich.

Ursprünglich kommt Jarasch aus Augsburg, lebt aber schon "eine Ewigkeit in Berlin".

Neben ihrem Landesvorsitz hat sie auch bei den Grünen auf Bundesebene ein Standbein. Im Bundesvorstand sind Religions- und Familienpolitik ihre Themen.

Privat ist sie für ihre beiden Söhne da. "Die halten mich gesund, weil sie mir immer vor Augen halten, dass es noch etwas anderes als Politik im Leben gibt."

Kinder und Parteiarbeit bestimmen das Leben der dunkelbraungelockten Frau.

"Für mehr reicht die Zeit nicht, aber das ist für mich völlig in Ordnung", sagt Jarasch lächelnd.

Gut vernetzt, souverän, ebenfalls ohne Parlamentserfahrung: Daniel Wesener

Er ist der einzige Mann im Spitzenteam. Aber das ist komplett Nebensache. Hauptsächlich ist er "Teil des neuen Teamgeistes der Partei". 

Als Doppelspitze mit Bettina Jarasch vertritt der 40-jährige Landeschef den linken Flügel der Grünen. Wie sein politischer Ziehvater Christian Ströbele ist auch Wesener meist mit dem Fahrrad unterwegs. Von 2003 bis 2011 arbeitete der jugendlich wirkende Grüne für den Grünen-Bundestagsabgeordneten in dessen Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg.

"Politik zu machen" war dem in Hamburg aufgewachsenen Wesener wichtiger, als sein Studium zu beenden. "Seitdem begleitet mich das Mietenthema. Wir Grünen waren damals die ersten im Bezirk, die gesagt haben: Achtung, es gibt da Probleme!“

Und nach der Wahl? Wesener zieht wohl ins Parlament ein, vielleicht auch an die Fraktionsspitze.

Sein langjähriger Lebensgefährte, der Grünen-Abgeordnete Dirk Behrendt, hat jedenfalls nach zehn Jahren im Abgeordnetenhaus auch für Wesener seinen Platz geräumt - vorsorglich. "Wenn man es als Paar vermeiden kann, im gleichen Gremium zu arbeiten, dann sollte man das tun", sagt Behrendt.

Beitrag von Nina Amin

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