Impfpflicht im Gesundheitssektor ab März - Wie Arbeitgeber Ungeimpfte zur Impfung bewegen wollen

Mo 10.01.22 | 09:02 Uhr | Von Sylvia Tiegs
Symbolbild: Eine Frau erhält eine Corona-Impfung. (Quelle: dpa/R. Utrecht)
Video: rbb|24 | 10.01.2022 | Material: Abendschau | Bild: dpa/R. Utrecht

Wer in Krankenhäusern, Arztpraxen, bei Rettungsdiensten oder in Pflegeeinrichtungen arbeitet, muss bis 15.3. einen Corona-Schutz nachweisen. Unternehmen sind nun mit Hochdruck dabei, Impflücken zu schließen - dafür locken sie auch mit Geld. Von Sylvia Tiegs

Dem Statistischen Landesamt zufolge haben 19,5 Prozent der Berliner bislang keine Corona-Impfung bekommen, in Brandenburg sind es 28,3 Prozent. Kinder bis vier Jahre sind hier nicht miteingerechnet. Einen Teil der ungeimpften Erwachsenen trifft ab Mitte März die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht – und zwar alle, die in Gesundheitsberufen arbeiten. Betroffen sind somit auch Reinigungskräfte, die in Krankenhäusern tätig sind oder Friseure in Pflegeheimen.

Beim Berliner Pflegeunternehmen Renafan fährt die Geschäftsleitung mit Blick auf die Impfpflicht eine Doppelstrategie. Deren Kern ist Motivieren und Belohnen.

Das Bonussystem ist schnell erklärt, sagt Geschäftsführer Simon Welte: "Jeder Mitarbeiter bekommt eine kleine Anerkennungsprämie über 25 Euro, wenn er sich impfen lässt." In Renafan-Pflegeinrichtungen, die zu 100 Prozent durchgeimpft sind, bekommen die Teams laut Welte bis zu 3.000 Euro.

Mit so einer Summe könne man aus seiner Sicht beim nächsten Betriebsausflug schon "richtig was anfangen". Wichtiger als das Geld sei aber die direkte Ansprache: "Dass wir Hardcore-Impfgegner mit 25 Euro nicht überzeugen können, ist uns klar", so der Geschäftsführer.

Geld ist nicht alles

Gemeinsam mit Welte setzt Renafan-Gründer Shaodong Fan deshalb vor allem auf viele persönliche Gespräche: "Das Bonussystem ist erforderlich, um die Motivation zu flankieren. Aber der entscheidende Punkt ist, die Leute zu überzeugen", sagt der Unternehmenschef. So reisen Fan und Geschäftsführer Welte derzeit zu ihren Einrichtungen quer durch die Republik und verteilen dabei nicht nur Bonuschecks.

Stattdessen setzen sie sich an Standorten mit niedriger Impfquote mit den Leitungen zum Gespräch hin. Das Ziel: Unsicherheiten und Vorbehalte in Sachen Impfung möglichst zu klären. Dazu gehöre auch, betriebliche Impfangebote oder Beratungen durch die Betriebsärzte zu organisieren.

Beschäftigte ohne Impfnachweis werden freigestellt

Droht Beschäftigten ohne Impfnachweis ein dauerhaftes Beschäftigungsverbot? Das interessiert die Caritas-Altenpflege Berlin. Sie hat deshalb Verwaltung und Politik eingeschaltet: Kurz nach Weihnachten wurden alle Gesundheitsämter sowie die Senatsverwaltung für Gesundheit angeschrieben. Die Bitte: Erläuterungen zur Umsetzung des Gesetzes.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht verlangt nämlich von Arbeitgebern, Beschäftigte ohne Impf- oder Genesungsnachweis ab dem 16. März freizustellen und den Ämtern zu melden. Die Einrichtung, in der sie arbeiten, dürfen ungeimpfte Beschäftigte dann nicht mehr betreten.

Wie es mit ihnen dann dauerhaft weitergeht, interessiert auch die Berliner Feuerwehr. Denn der Berliner Landesbranddirektor Karsten Homrighausen verlangt von seinen Leuten ebenfalls einen Status-Nachweis – anders als die Feuerwehren in Brandenburg. Dort entscheiden die Kommunen; eine einheitliche Impfpflicht gibt es in der Mark bislang nicht.

Berliner Feuerwehr befürchtet keine Ausfälle - die Caritas schon

Die Feuerwehren beider Länder haben rbb|24 allerdings auf Anfrage eine jeweils "überdurchschnittlich hohe" Impfquote gemeldet. Folglich werden in Berlin durch die baldige Impfpflicht keine Einschränkungen im Betrieb befürchtet, so ein Sprecher.

Die Caritas Altenpflege dagegen sieht in einigen Einrichtungen ihrer ambulanten Pflegedienste Impfquoten von unter 80 Prozent und fürchtet dort Schwierigkeiten in der häuslichen Versorgung. "Wir sind seit Monaten mit unseren Mitarbeitenden darüber im Dialog", so Sprecherin Claudia Appelt. Man biete individuelle Beratungen an, raustreiben wolle man niemanden aus dem Beruf.

Müssen Fachkräfte an die Supermarktkasse?

Für Shaodong Fan, Gründer der Renafan-Group, ist ein Ausschließen von Fachkräften aufgrund der Impfpflicht das "Worst Case Szenario", also der schlimmste aller möglichen Fälle. Auch Renafan-Geschäftsführer Simon Welte kann sich das nicht vorstellen: "Wir kennen unsere Mitarbeiter so, dass sie ihren Beruf nicht als Job machen, sondern aus Überzeugung und mit Leidenschaft." Dass eine voll ausgebildete Pflegefachkraft sich aus Protest gegen die Impfpflicht zu Lidl an die Kasse setze, glaube er nicht.

Die Mischung aus Gesprächen und Boni habe noch einmal Bewegung in die Diskussion gebracht, meint Welte. Aber wer bis 15. März weder den Nachweis einer Impfung, noch einer Genesung oder ein Attest zur Impfunfähigkeit vorlege, für den sei die Gesetzeslage völlig eindeutig: "Diese Mitarbeiter können nicht mehr beschäftigt werden, und wir müssen sie freistellen. Ohne Gehalt."

Mit Material von Michel Nowak und Philipp Höppner

Sendung:  

Was Sie jetzt wissen müssen

Beitrag von Sylvia Tiegs

Nächster Artikel