Spitzenkandidaten | Christian Görke (Die Linke) - Sunnyboy mit großen Ambitionen

Mi 27.08.14 | 10:09 Uhr | Von Michael Schon
Video: Brandenburg aktuell | 27.08.2014 | Andreas König

Zwischen Sportlehrer und Finanzminister: In diesem Spektrum inszeniert sich Christian Görke mal als Teamplayer, mal als Macher. Mit der Art und Weise, wie er sich seinen Einfluss in Partei und Landesregierung sicherte, eckt er bei den Kollegen schon mal an. Der Grünen-Parteichef sagt über ihn: "Bei uns wäre er ein Oberrealo." Von Michael Schon

Vor dem Olympiastützpunkt am Luftschiffhafen in Potsdam plätschert die Havel, die Sonne strahlt. Christian Görke startet seine Sommertour. Er hat in den Lächel-Modus geschaltet. Siegerlächeln. Ein bisschen aufgesetzt, ein bisschen zu heiter. Wahlkampf eben. Am Ufer warten Kameras und Journalisten. "Immer gemeinsam!" ruft er und steigt aus einem Paddelboot. Dann beginnt er Hände zu schütteln. Neongrünes T-Shirt, blaue Shorts, blaue Turnschuhe mit neongrünen Streifen. "Immer gemeinsam paddeln! Sonst ist der Wurm drin." Keine besonders subtile Botschaft für einen Politiker der Linkspartei. Dafür dürfte sie verstanden werden: Görke ist zwar der Spitzenkandidat, aber ein Teamspieler. Das liebt die Basis seiner Partei, und deren Wähler auch.

Die Havel-Runde für die Fotografen hat der 52-Jährige in einem Kanu voller Freizeitpaddler gedreht. Sechs Mann, Görke saß selbstverständlich vorne, Steuerbord. Beim Sportmachen den Ton angeben: Das kennt Görke. Bevor er 2003 als Nachrücker in den Landtag zog, hat er Sport unterrichtet, in Rathenow. Sportlehrer – in dieser Rolle kann man kann sich Görke gut vorstellen, Typ Wadenbeißer. Selbst immer topfit, braun gebrannt. An guten Tagen ein mildes Lächeln für die Luschen in der Klasse. Ehrgeiziger als die Schüler, die er benotet. Dabei nicht immer ein Wortakrobat. Trotzdem: "Wenn es darauf ankommt, bin ich klar in der Ansprache", sagt Görke über sich selbst. Der virile Macher: Kein schlechtes Bild für einen Wahlkämpfer.

Machtbewusster Taktierer

Ehrgeiz – dieses Wort fällt oft bei Gesprächen über Christian Görke. Unbelastet von Stasi-Verstrickungen hat er als Politiker bislang stets ein gutes Händchen für den richtigen Augenblick zum Griff nach der Macht bewiesen. Fünf Jahre lang war er parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Landtag. Vor ziemlich genau zwei Jahren wurde er Fraktionschef. Vorausgegangen war der Putsch gegen die glücklose Kerstin Kaiser, die den Wechsel der Linken von der Opposition in die Regierung organisiert hatte.

Als der linke Justizminister Volkmar Schöneburg zum Jahreswechsel über eine Häftlingsaffäre stürzte, bugsierte Görke Finanzminister Helmut Markov auf dessen Posten. Damit war der Weg für ihn selbst frei, das Schlüsselressort in der Landesregierung zu übernehmen. Im Januar löste er dann noch den glücklosen Stefan Ludwig als Linken-Landeschef ab. So viel Macht in einer Hand, da wunderte sich selbst der Koalitionspartner: "Das ist unter Wahlkampfgesichtspunkten sicherlich gut. Aber es widerspricht ein bisschen der Tradition der Linken", konstatierte damals SPD-Fraktionschef Klaus Ness und fügte hinzu, dass er darüber auch "Gerumpel" bei den Genossen vernommen habe.

"Rotes Schaf" in einer CDU-Familie

Allerdings ist Görke nun auch nicht unbedingt der große Traditionalist. Seinen Vornamen Christian könnte man als dezenten Hinweis darauf deuten, dass der gebürtige Rathenower Spross einer kirchlichen Familie ist. Eltern, Schwester, Schwager – alle entschieden sie sich für eine CDU-Mitgliedschaft. Sohn Christian trat 1985 in die SED ein und durchlebte alle Häutungen der Partei. "Der Christian Görke ist das rote Schaf in der Familie", scherzt Dieter Dombrowski, der im gleichen Wahlkreis für die CDU zur Landtagswahl antritt.

Er kennt Görke bereits seit den 90er Jahren aus dem Kreistag. "Erfolgsorientiert und zielstrebig", sagt er über Görke. Allerdings habe ihn die Politik "verbissen" gemacht: "Fröhlich sein, das liegt ihm nicht so". Seine sachorientierte Verlässlichkeit schätze er als Vizechef der CDU-Fraktion jedoch sehr. Das sagt auch Grünen-Fraktionschef Axel Vogel: "Er ist ein Regierungslinker. Bei den Grünen wäre er ein Oberrealo."

Auf diese Weise sind die Linken erstaunlich gut durch fünf Jahre Koalition gekommen, ohne sich von der SPD an die Wand regieren zu lassen.  Die anfänglichen Stasi-Affären waren im Rückblick eher ein reinigendes Gewitter. Und auch den aus Sicht der Linken extrem zögerlichen Abschied von der Braunkohle, vielleicht der größte Preis fürs Mitregieren, moderiert Görke klein. So weit, dass er auch eine Partei nicht zerreißt, die in Teilen lieber in die Opposition ginge, als die Bagger in der Lausitz weiter rollen zu sehen. Görke möchte weitere fünf Jahre regieren.

Bestenfalls Platz zwei im Landtag

Die SPD lobt die Zusammenarbeit mit der Linken als zuverlässig und vertrauensvoll. Die Wahlversprechen beider Parteien ähneln einander, auch wenn die Linke beispielsweise doppelt so viele neue Lehrer verspricht. Die Partei folgt ihrem Landeschef: "Wer etwas verändern will in der Gesellschaft, der muss mitregieren können", sagt ein junger Delegierter auf dem Wahlparteitag Anfang Juli in Cottbus. Bei Görke klingt das so: "Wir wollen Mitlaufen in der Spitzengruppe. Denn in der Spitzengruppe lassen sich die Ziele viel besser erreichen."

Spitzengruppe heißt jedoch auch für den ehrgeizigen Görke bestenfalls Platz zwei. Hoffnung auf den Posten des Ministerpräsidenten kann er sich laut Umfragen nicht machen, anders als der Thüringer Linksfraktionschef Bodo Ramelow. Wenn es für Görke gut läuft, kann er nach der Wahl wieder als Finanzminister mit am Kabinettstisch sitzen.

Beim Abschied von den Paddlern an der Havel fällt Görkes Blick noch einmal aufs Wasser: "Im Studium habe ich hier Surfen und Segeln gelernt. Aber viel mehr liegen mir natürlich die Mannschaftssportarten." Görke, der Teamplayer. Wer weiß an so einem Tag schon, was die Karriere noch bringt.

Beitrag von Michael Schon

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