Spitzenkandidaten | Michael Schierack (CDU) - Harmonie auf Arzt-Rezept

Mi 27.08.14 | 09:35 Uhr | Von Michael Schon
Video: Brandenburg aktuell | 26.08.2014 | Michael Schon

Besonnen und konsensorientiert – mit diesen Eigenschaften hat Michael Schierack den traditionell zerstrittenen CDU-Landesverband befriedet. Ein kleines Wunder, ist er doch erst seit zwei Jahren Parteichef. Nun will der praktizierende Mediziner aus Cottbus Ministerpräsident werden. Es wäre die steilste Karriere der Brandenburger Landespolitik. Von Michael Schon

Immer wieder der Arztkoffer. Im Landtag gibt es kaum einen Abgeordneten, der Michael Schierack nicht dafür schätzte. Hier mal ein Pflaster, da mal eine Schmerztablette. Hat er immer parat. Und ein paar aufmunternde Worte sowieso: "Schmerzen im Knie? Zeigen Sie mal. Muss man vielleicht nur Einlagen verschreiben. Lassen Sie sich mal untersuchen." Solche Szenen sind nicht ungewöhnlich auf den Fluren im Potsdamer Landtagsschloss.  Schierack, der Arzt – das funktioniert. Er ist Orthopäde und Chirurg, mit eigener Praxis in Cottbus. "Einer, der sich Zeit nimmt und ruhig zuhört. Ein guter Praktiker", sagen seine Patienten

Mann der leisen Töne

Politiker sein ist eine Herausforderung. Und dann gleich Ministerpräsident? Es wäre eine steile politische Karriere, die der 47-Jährige da hinlegt. Erst mit Anfang 30 trat er in die CDU ein. Seit 2009 ist er Landtagsabgeordneter. Seit zwei Jahren erst Chef der brandenburgischen CDU, seit dem Frühjahr Fraktionschef. "Konsensorientiert", sagt Dieter Dombrowski, den Schierack auf diesem Posten beerbt hat. "Kein Mann, der durch laute Töne auffällt", sagt ein anderer CDU-Abgeordneter: "Er ist sehr besonnen. Sehr überlegt."

Besonnen und konsensorientiert – mit diesen Eigenschaften hat Schierack als Landeschef ein kleines Wunder vollbracht: Den traditionell zerstrittenen CDU-Landesverband fürs erste befriedet. Das zerbrochene Porzellan seiner Vorgängerin Saskia Ludwig gekittet, die mit äußerst konservativen Positionen polarisiert hatte. So geht in Potsdam die gängige Erzählung über die erste politische Großtat des Spitzenkandidaten.

Die Bewährungsprobe steht noch aus

Das hat Folgen: In der Juni-Umfrage zur Landtagswahl lag die CDU nur noch knapp hinter der SPD. Die Bundestagswahl hat die CDU in Brandenburg gewonnen. Die Kreistagswahlen auch. Mindestens geholfen haben dürfte aber auch eine Einsicht seiner Parteifreunde in letzter Minute: Im Streit lassen sich keine Wahlen gewinnen.

Und so steht für die politischen Silberrücken der Fraktion die eigentliche Bewährungsprobe Schieracks noch aus: "Er ist noch nicht angeeckt. Er musste noch keine Schlachten schlagen", sagt Ex-Fraktionschef Dieter Dombrowski über ihn. Daher sei er "unbefangen". Was man ja auch positiv sehen könne.

Im  politischen Alltag wirkt Schierack denn auch oft unbedarft. Mitte Februar, auf einem Parteitag ist er gerade als Spitzenkandidat ausgerufen worden. Interview bei ber rbb-Fernsehsendung Brandenburg aktuell. Moderator Marc Langebeck stellt die wichtigste, für einen Politikprofi auch berechenbare Frage: "Was macht Sie denn zu einem besseren Ministerpräsidenten für Brandenburg als der amtierende?" Schierack: "Also, da will ich überhaupt nicht spekulieren." Wille zur Macht klingt anders.

Ein Wahlsieg wäre auch ein Risiko

Eines jedenfalls hat er mit Amtsinhaber Woidke gemeinsam: Nach einem Studium in Berlin zog es den gebürtigen Lausitzer zurück in die Heimat. Schierack lernte am Staatstheater Cottbus seine Frau kennen, eine Sopranistin. Mit ihr hat er zwei Kinder. Grundbürgerlich – dieses Bild pflegt er, ist praktizierender Katholik.

Würde er die CDU in die Regierung führen, ginge er ein wirtschaftliches Risiko ein. Seine gut gehende Arztpraxis müsste er aufgeben. Ober er diesen Preis für ein Ministeramt als SPD-Juniorpartner zahlen würde, ist offen. Genau so, ob er als Wahlsieger überhaupt Ministerpräsident werden kann. In diesem Fall würde die SPD einfach mit den Linken weiterregieren, anstatt den kleineren Part einer schwarz-roten Koalition zu übernehmen. Fast scheint es so, als könne Schierack bei dieser Wahl nur verlieren.

Von Anfang an eine Bilderbuchkarriere

Dass er trotzdem für seine CDU antritt, dürfte seiner Zielstrebigkeit und seinem Pflichtbewusstsein geschuldet sein. "Was ich tue, tue ich mit voller Kraft. Das war mein ganzes Leben so", sagt Schierack über sich selbst. Elektromonteur mit Abitur, Medizinstudium, Promotion, Honorarprofessur, Landtagsmandat  – Schieracks Karriereweg wies immer nach oben. Vater und Großvater, beide ebenfalls in der CDU, dürften das gerne gesehen haben.

Thematisch setzt Schierack vor allem auf Sicherheits- und Bildungspolitik. Die offenen Flanken der rot-roten Regierungsbilanz hat er klar identifiziert. Mehr Polizei und weniger Schulstundenausfall, das dürfte in Brandenburg problemlos mehrheitsfähig sein.

Totenscheine immer dabei

Bewähren könne man sich nur im Amt, heißt es aus der CDU. Das habe man ja auch bei Angela Merkel gesehen. Und schon alleine aus Neugier könne man nach 24 Jahren SPD ja auch mal einen aus einer anderen Partei zum Ministerpräsidenten wählen.

In seinem Arztkoffer, das erzählt er nicht so gerne, gibt es übrigens auch ein Heftchen mit Totenscheinen. Sollte das Projekt Landtagswahl für ihn schief gehen – der Streit um seine politische Zukunft würde dann sehr schnell aufflammen. Das verlernt auch seine CDU nicht so schnell.

Beitrag von Michael Schon

Mehr zum Thema

Spitzenkandidaten | Christian Görke (Die Linke) - Sunnyboy mit großen Ambitionen

Zwischen Sportlehrer und Finanzminister: In diesem Spektrum inszeniert sich Christian Görke mal als Teamplayer, mal als Macher. Mit der Art und Weise, wie er sich seinen Einfluss in Partei und Landesregierung sicherte, eckt er bei den Kollegen schon mal an. Der Grünen-Parteichef sagt über ihn: "Bei uns wäre er ein Oberrealo." Von Michael Schon

Spitzenkandidaten | Ursula Nonnemacher (Grüne) - Die resolute Rekord-Rednerin

Ihre Stimme ist im Landtag am häufigsten zu hören. Immer etwas hessisch eingefärbt wirbelt Ursula Nonnemacher mit Zahlen um sich: steigende Frauenquoten, sinkende Fördergelder. Jetzt ist die fraktionsübergreifend Geschätzte selbst zu einer Zahl geworden, einer Rekordzahl: 267 Mal stand Nonnemacher am Pult – mehr als jeder andere Abgeordnete in den letzten Jahren. Von Tina Rohowski

Spitzenkandidaten | Andreas Büttner (FDP) - Das Unmögliche versuchen

Andreas Büttner macht es keinen Spaß, Umfragen zu lesen. Kein Wunder, bei den letzten waren die Prozente für die Liberalen in Brandenburg nicht mehr messbar. Doch Büttner vertraut auf Gott, und darauf, dass der Landtag die FDP braucht. Sollte er scheitern, geht er zurück zur Berliner Polizei. Von Tina Rohowski