Spitzenkandidaten | Ursula Nonnemacher (Grüne) - Die resolute Rekord-Rednerin

Mi 13.08.14 | 11:58 Uhr | Von Tina Rohowski
Video: Brandenburg aktuell | 28.08.2014 | Tina Rohowski

Ihre Stimme ist im Landtag am häufigsten zu hören. Immer etwas hessisch eingefärbt wirbelt Ursula Nonnemacher mit Zahlen um sich: steigende Frauenquoten, sinkende Fördergelder. Jetzt ist die fraktionsübergreifend Geschätzte selbst zu einer Zahl geworden, einer Rekordzahl: 267 Mal stand Nonnemacher am Pult – mehr als jeder andere Abgeordnete in den letzten Jahren. Von Tina Rohowski

Besuch in Ursula Nonnemachers Abgeordentenbüro in Falkensee. Ein Raum mit einer großen Regalwand, auf den Ordnern steht "Männergesundheit" oder "Innenausschuss". "Ich habe über das Wochenende ausgemistet", sagt Nonnemacher und springt zwischen den Regalen hin und her. Es ist trotzdem noch voll. Hier liest sie sich ein: "Das können auch mal 14 Stunden am Tag werden."

Offiziell ist Ursula Nonnemacher nur der eine Part des Spitzenkandidaten-Duos der Brandenburger Grünen. Sie teilt sich die Rolle mit Fraktionschef Axel Vogel. So ist es bei den Grünen üblich: ein Mann, eine Frau. Aber es ist Nonnemacher, die auf Listenplatz 1 der Partei steht.

Im Landtag wird Nonnemacher – fraktionsübergreifend – geschätzt: Das sieht man zum Beispiel auf ihrer Facebook-Seite. Noch während der Sitzung posten Brandenburgs Politiker Reaktionen auf die Kollegen: "Dir höre ich immer wieder gerne zu", schreibt einer aus der Linksfraktion. Ihre letzte Rede sei "ausgewogen, sachlich und richtig" gewesen, meint ein anderer.

"Sie ist eine fleißige Politikerin", sagt Barbara Richstein von der CDU, die die grüne Spitzenkandidatin auch aus der Kommunalpolitik in Falkensee kennt. Aber manchmal sei  Nonnemacher auch "zu detailverliebt", so dass sie "die große Linie nicht mehr im Blick" habe.

Als Klinikärztin Durchsetzungsvermögen gelernt

Anträge lesen, Statistiken wälzen bis in die Nacht – sie seziert die Themen. Vielleicht hat die Grüne diesen Arbeitseifer aus ihrem Beruf als Klinikärztin mitgebracht. Seit Anfang der 80er Jahre hat Nonnemacher in einem Krankenhaus in Berlin-Spandau gearbeitet: Schichtdienste auf der Intensivstation oder im Notarztwagen.

Ihre alten Kollegen glauben, dass sie hier Einstecken gelernt hat: "Sie ist sehr durchsetzungsstark", sagt Steffen Behrens, Chefarzt der Kardiologie. Sie könne auch damit umgehen, "wenn von der einen oder anderen Seite mal Härten kommen". Das brauche man ja auch in der Politik. Dass Nonnemacher mal Berufspolitikerin werden könnte – damit habe er früher allerdings nicht gerechnet.

Aus Wiesbaden nach Westberlin

Sie sei schon immer politisch interessiert gewesen, sagt Nonnemacher selbst. Aufgewachsen in Wiesbaden, geprägt durch die 70er Jahre: Anti-Atomkraft-Demos und Frauenrechte. "Meine Mutter hat acht Jahre Dorfschule gemacht, sie hatte keine Chance, keine eigene Rente", sagt Nonnemacher rückblickend.

Sie will Kinder und Karriere vereinbaren. Im Medizinstudium geht sie nach Westberlin, später lernt sie dort am Krankenhaus ihren Mann kennen, der ebenfalls Arzt ist. Mitte der 90er Jahre zieht die Familie mit drei Kindern nach Falkensee. Nonnemacher und ihr Mann werden Mitglied im neu gegründeten Ortsverband der Grünen, arbeiten in der Stadtverordnetenversammlung mit.

Hochburg Berliner Speckgürtel

Der Speckgürtel, das ist inzwischen die grüne Hochburg, hier ist die Partei bei Wahlen zweistellig. Das ist spürbar, wenn Ursula Nonnemacher durch ihre Stadt radelt. Die Sonne scheint auf eine Solaranlage auf einem Schuldach. "Die Sonne stellt keine Rechnung", freut sich Nonnemacher. Seit Jahren hat sie Anteile an der Anlage, wie viele andere Grüne vor Ort auch. Außerdem trifft sie sich mit der Baumschutzgruppe und organisiert den Frauenstammtisch.

Kurzer Stopp im Bioladen. Der Honig kostet sieben Euro und die Packung Dinkelnudeln 3,29 Euro. An der Wand hängt ein Plakat gegen Massentierhaltung. Nonnemacher packt einen Salatkopf ein. Hier braucht sie niemanden zu überzeugen – aber was ist mit dem Rest vom großen Land Brandenburg? Ist das grüne Milieu hier nicht nur etwas für die, die es sich leisten können?

Solche Fragen hört sie gar nicht gern: "Grüne sind nicht elitär", sagt Nonnemacher. "Ich halte es für eine Ideologie immer zu sagen: Ach, die Grünen, das sind reiche Spinner." Sie kaufe auch im Supermarkt. "Ein gutes Essen für die ganze Familie – das geht auch preiswert."

Erfolg nur mit Stimmen vom Land

Raus aus der Braunkohle, mehr Geld für Ökolandbau – mit solchen Forderungen wollen die Grünen im Wahlkampf punkten. Wieder in den Landtag einziehen – das klappt nur, wenn sie auch auf dem Land, weit weg vom Speckgürtel, Stimmen holen. In Umfragen liegt die Partei derzeit nur knapp über fünf Prozent. Und in manchen Landkreisen gibt es gerade einmal ein gutes Dutzend Mitglieder. Nonnemacher gibt sich dennoch optimistisch: "Unsere Mitgliederzahlen steigen, wir legen gegen den allgemeinen Trend zu."

Falls es mit nicht weitergeht in der Politik, hat ihr alter Chef schon angeboten, dass sie auf die Krankenhausstation zurückkehren könne. Nonnemacher reagiert auf solche Zukunftsvisionen nur mit einem müden Lächeln. Sie will über die bessere Notfallversorgung von Herzpatienten, Impfungen oder Krankenhausbetten lieber noch ein paar Jahre im Landtag streiten.

Bilanz: Die Volksvertretung in Zahlen

Beitrag von Tina Rohowski

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