Haus der Kulturen der Welt - Ausstellung wirft neuen Blick auf Bauhaus-Kunst

Fr 15.03.19 | 12:27 Uhr | Von Sigrid Hoff
bauhaus imaginista HKW Ausstellungsansicht © Silke Briel / HKW
Video: Abendschau | 14.03.2019 | Heike Schüler | Bild: © Silke Briel / HKW

100 Jahre ist das Bauhaus alt. Doch seine Ideen sind keineswegs veraltet. Das Haus der Kulturen der Welt beleuchtet mit seiner neuen Ausstellung "Bauhaus imaginista" die Auswirkungen der Kunstströmung auf der ganzen Welt. Von Sigrid Hoff

Am Anfang war nicht die Kunst, sondern das Wort: 1919 schrieb Walter Gropius das Bauhaus-Manifest und begründete eine neue Kunstschule in Weimar. Auf dem Deckblatt prangt der Holzschnitt einer Kathedrale von Lyonel Feininger. Die Schrift fordert eine neue Synthese der Künste, die in einem imaginären, gesellschaftlichen Bau aufgehen sollen. Das Manifest knüpft an ältere Bewegungen wie das britische Arts-and-Craft-Movement, aber auch spirituelle Strömungen wie Yoga, Okkultismus und Anthroposophie an.

Von Beginn an war das Bauhaus jedoch auch Teil eines kosmopolitischen Netzwerkes. Hier setzt die Ausstellung "bauhaus imaginista" im Haus der Kulturen der Welt an. Ausstellungskuratorin Marion von Osten betont: "Es geht um einen Perspektivwechsel, nicht um Bauhaus-Objekte, Architektur oder Designmöbel, sondern wie die Idee, die pädagogischen Konzepte sich verbreitet haben und warum sie an anderen Orten in der Welt aufgegriffen wurden."

bauhaus imaginsita HKW Ausstellungsansicht © Silke Briel / HKW
| Bild: © Silke Briel / HKW

Gropius' indisches Pendant

In vier Räumen geht die Ausstellung der Frage nach, unter welchen räumlichen aber auch zeitabhängigen Bedingungen die Bauhaus-Konzepte bis heute in der Welt verbreitet sind. Die schlagwortartigen Titel stellen jeweils ein historisches Bauhaus-Objekt in den Mittelpunkt.

Der Raum "Corresponding With" geht vom Bauhaus-Manifest aus und dessen Wechselwirkungen mit zwei parallel entstandenen Schulen der Avantgarde außerhalb Europas, in Japan und in Indien. Zeitgleich mit Gropius in Weimar, gründete der indische Dichter Rabindranat Tagore im April 1919 die Kunstschule Kala Bhavan nördlich von Kalkutta. Felsenmalereien, javanische Batik aber auch eigens entwickelte Möbel, in denen sich Strömungen der Moderne mit traditionellen Handwerkstechniken verbinden, entstanden an dieser Schule entstanden. Ein eigens für die Ausstellung gedrehter Film der Künstlerin Anjalika Sagar von der in London arbeitenden Otolith-Gruppe vermittelt, wie Tagores Ideen an der Schule, die heute eine allgemeinbildende Universität ist, ihren Niederschlag finden.

The Otolith Group. O Horizon, 2018, Filmstill (Quelle: HKW/The Otolith Group)
| Bild: HKW/The Otolith Group

Die Künstlerin hat einen autobiografischen Bezug zu Kala Bhavan: Ihr Vater hatte bei Lehrern der Schule studiert. Die Institution, sagt sie, ist eng verbunden mit dem indischen Kampf für die Unabhängigkeit von den Briten: "Hier sollte ein neuer Geist entstehen für ein unabhängiges Indien. Die Schule gilt bis heute als Geburtsort der indischen Moderne, die in Zusammenhang mit der Dekolonisierung zu sehen ist."

Was der Bauhaus-Forschung bisher entging

Ein Teppichentwurf von Paul Klee ist das Leitobjektiv im Kapitel "Learning from". Es geht um die Wechselwirkungen mit lokalen Handwerkstechniken etwa aus Peru, denen die Bauhaus-Lehrer Anni und Josef Albers im Exil begegneten und aufgriffen.

Der Raum "Moving away" zeigt, wie die Bauhaus-Ideen unter den geopolitischen Veränderungen des 20. Jahrhunderts weiterlebten. So hat sich eine 1961 im postkolonialen Nigeria gegründete Universität, die nach Plänen des Bauhausschülers Arieh Sharon entwickelt wurde, als pädagogisches Modell bewährt. Auch das Gebäude ist als Beispiel passiver Architektur mit fließenden Räumen, die ohne Klimaanlage auskommt, vorbildhaft für ein Konzept, das von Architekturstudenten weltweit studiert wird. So gelingt es der Ausstellung, immer wieder neue Bezüge aufzudecken, die in der Forschung bisher vernachlässigt wurden.

University of Ife in Ile-Ife, Nigeria Architekten: Arieh Sharon, Eldar Sharon und Harlod Rubin (Quelle: HKW/Arieh Sharon digital archiv)
| Bild: HKW/Arieh Sharon digital archiv

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Bauhaus-Verbund Weimar-Dessau-Berlin und dem Goethe-Institut. Während die ersten drei Räume bereits 2018 in Einzelausstellungen in Städten wie Tokio, Sao Paulo, Neu-Delhi und Moskau zu sehen waren, entstand der vierte und letzte Raum eigens für die Berliner Jubiläumsschau. Er geht unter dem Titel "Still undead" der Frage nach, wie experimentelles Arbeiten mit Licht, Film, Fotografie und Sound von frühen Bauhaus-Arbeiten angeregt wurden, die abseits des eigentlichen Lehrbetriebs entstanden. Der als "Reflektorische Farbspiele" betitelte Apparat des Bauhaus-Studenten Kurt Schwerdtfeger dient als Beispiel dafür, wie innovative Kunstexperimente insbesondere am New Bauhaus in Chicago oder auch am Massachusetts Institute of Technology in den USA weiterlebten und Künstler wie Andy Warhol und Nam June Paik beflügelten. Mit Bezügen wie diesen, die bis in die Gegenwart reichen, wirft die Ausstellung Schlaglichter auf das Weiterleben der Bauhaus-Ideen im 21. Jahrhundert.

Kurt Schwerdtfeger Reflektorische Farblichtspiele, 1922 Lichtperformance, Detailfoto des rekonstruierten Apparats von 2016 (Quelle: HKW/Courtesy of Microscope Gallery and Kurt Schwerdtfeger Estate)
| Bild: HKW/Courtesy of Microscope Gallery/Kurt Schwerdtfeger Estate

Sendung: Inforadio, 14.03.2019, 12 Uhr

Beitrag von Sigrid Hoff

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