Deutsches Theater Berlin - Autorentheatertage blicken nach Osteuropa

Fr 24.05.19 | 16:15 Uhr | Von Ute Büsing
Gastspiel Gogol Center, Moskau – Russland Who Is Happy In Russia von Kirill Serebrennikov (Quelle: Ira Polyarnaya)
Audio: Inforadio | 24.05.2019 | Ute Büsing | Bild: Ira Polyarnaya

Bei den Autorentheatertagen stehen Inszenierungen aus Weißrussland, Ungarn, Tschechien und der Ukraine im Vordergrund. Zum Auftakt wird ein Stück des russischen Regisseurs Kirill Serebrennikow gezeigt, der gerade aus dem Hausarrest entlassen wurde. Von Ute Büsing

Am Deutschen Theater Berlin beginnen am Freitag die diesjährigen Autorentheatertage mit der Reihe "Radar Ost". Zum Auftakt richtet sich der Blick auf den international gefeierten russischen Regiestar Kirill Serebrennikow, dessen Hausarrest erst kürzlich aufgehoben wurde.

Reisen darf Serebrennikov allerdings immer noch nicht. So findet seine für das Gogol-Center erarbeitete Parabel "Who is happy in Russia?" ohne ihn statt. Intendant Ulrich Khuon hat die regimekritische Symbolfigur kürzlich besucht und eine weitere Zusammenarbeit für das Frühjahr verabredet, die vierte.

"Die Begegnung zwischen dem Gogol-Center und uns ist eine sehr intensive. Wir haben ein ganzes Theater, das eine eigene Prägung hat, hier schon vorgestellt und waren auch schon dort", sagte Khuon im Gespräch mit dem rbb. "Die Produktion, die wir jetzt eingeladen haben, bezieht sich ja auf eine große Geschichte aus dem 19. Jahrhundert von Nekrassow, der damals die Situation nach der Leibeigenschaft beschrieben hat und Kirill bezieht das sehr auf die Gegenwart."

Polizeiverhör als Therapiestunde

Überbordendes Schauspiel und scharfe Gesellschaftskritik mischen sich auch in den anderen vier Produktionen von "Radar Ost". Passend zur Europawahl zeigt das Prager "Theater am Geländer"  mit "Europeana" historische Schlüsselereignisse des 20. Jahrhundert nebeneinander: Der Holocaust steht neben dem Dadaismus und der Erfindung des Büstenhalters. Skurril inszeniert durchleben Firmenangestellte in einem Sitzungsraum diese Geschichten.

Das Junge Staatstheater aus Minsk verwandelt in "Der Mann aus Podolsk" ein polizeiliches Verhör in eine Therapiestunde. Kafkaeske Situationen kennzeichnen die eingeladenen Produktionen. "Unsere Erinnerungserfahrungen zwischen dem großen Grauen und dem Versinken in einer Alltäglichkeit und gleichzeitig dem Verlust großer Sinnhorizonte, das ist, glaube ich, was uns sehr prägt", so Khuon. Dabei freue ihn insbesondere, dass die Kunst selbst eine große Rolle bei den eingeladenen Stücken spiele.

Lesung ergänzt Theaterprogramm

Die Frage nach Identität in den Zeiten von Fake News zieht sich wie ein roter Faden durch "Radar Ost". Das Theater auf dem Dach aus Kiew beantwortet sie in "Tsesho (What's That?)" mit einem fetzigen "Social Rave", in dem Elemente von Puppentheater, Poesie und Live-Musik zusammenfließen.

In "Gypsy Hungarian" aus Budapest treiben fünf junge Roma das Verwirrspiel um ethnische und nationale Identität auf die Spitze. "Dieses Europa ist jetzt nicht die gigantische Großerzählung, aber es ist ein Ziel", sagt Intendant Khuon. "Und da kann man dran arbeiten, indem man über die Vielheit verschiedenster Menschen und Prägungen in Europa und darüber hinaus nachdenkt."

Dazu passend lesen Schauspielerinnen des DT-Ensembles am Sonntagmorgen aus der Dokumentation von Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch "Secondhand-Zeit" über die Umwälzungen in den post-sozialistischen Gesellschaften.

Sendung: Inforadio, 24.05.2019, 7.55 Uhr

Beitrag von Ute Büsing

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