Privates Museum als Hommage an Kinokultur - Die Seele des Kinos wohnt in Kladow

Sa 25.05.19 | 13:04 Uhr | Von Silke Mehring
Ein Blick in das Filmmuseum von Wolfgang Weber (Quelle: rbb/Silke Mehring)
Audio: Inforadio | 23.05.2019 | Silke Mehring | Bild: rbb/Silke Mehring

Die digitale Welt hat überall Einzug gehalten und die analoge Technik verdrängt: Auch im Kino. Der Berliner Wolfgang Weber hat in Kladow ein privates Museum für Kinokultur geschaffen - unter seinem Wohnhaus. Am Samstag wird es eröffnet. Von Silke Mehring

Wenn der Filmprojektor anfängt zu rattern und alle Rädchen unter dem stählernen Gehäuse perfekt ineinander greifen, huscht ein Lächeln über Wolfgang Webers Gesicht: Seine Mühen haben sich gelohnt, er hat wieder einen zum Laufen gebracht.

Die Technik, mit der so ein heute altertümlich wirkendes Gerät bewegte Bilder auf eine Leinwand wirft und zum Leben erweckt, hat ihn schon immer fasziniert. Seine Leidenschaft dafür entflammte, als er noch ein kleiner Junge war, erzählt er: "Als ich sechs Jahre alt war, kam der erste Projektor ins Haus, ein kleiner Noris Piccolo, 16 mm Ozaphan-Filmprojektor. Und plötzlich war […] eine wilde Schießerei mit Fuzzi und dem Banditen Blacky im Gange. […] Dann war's passiert. Ein Virus, den man nie wieder loswird. Unheilbar." Für den heute 66-jährigen Wolfgang Weber entwickelte sich aus dem Kino-Virus ein Lebensprojekt.

Unter Haus und Garten befindet sich das Museum

Vor zehn Jahren erlitt Wolfgang Weber einen Schlaganfall, seine linke Körperhälfte kann er seither nur noch mühsam bewegen. Nach der ersten schweren Zeit reifte ein Plan in ihm: "Dann stand ich vor der Entscheidung: Was machst Du denn bloß? Ich wollte nicht […] den Kopf in den Sand stecken und nur noch heulen. Ich hatte inzwischen so viele Projektoren angesammelt, und wusste nicht mehr, wo ich die hinstellen soll. Dann kam der Gedanke beim Blick aus dem Fenster: Mensch, so ein großer Garten, da ist so viel Platz drunter, da könnte man eigentlich ein Museum hin bauen." Gedacht, getan.

Heute findet sich unter dem Garten - auf einer Fläche von 250 Quadratmetern - alles, was Wolfgang Weber im Laufe vieler Jahre enthusiastisch gesammelt hat: Wunderwerke früher Kino-Technik, Exponate aus mehr als hundert Jahren. Der Keller wurde im Laufe der Jahre zu einer wahren Schatzkammer: In mehreren Räumen und Gängen hinter dem Kino stapeln sich mittlerweile rund 5.000 Filmrollen, dutzende kleine Filmprojektoren stehen auf Regalleisten, Kameras hängen von der Decke – überall an den Wänden prangen Filmplakate.

Wolfgang Weber betreibt ein privates Museum (Quelle: rbb/Silke Mehring)
Wolfgang Weber (Foto) lebt fürs Kino | Bild: rbb/Silke Mehring

30 rot bespannte Sessel in aufsteigenden Sitzreihen

Schon vor Jahrzehnten begann er damit, unter dem eigenen Wohnhaus in Kladow ein Kino aufzubauen. Mit mehr als 30 rot bespannten Sesseln in aufsteigenden Sitzreihen, einem Dreifachgong vor dem Filmstart und einem goldenen Vorhang vor großer Leinwand. Unzählige Filme hat Wolfgang Weber hier selbst angeschaut, seiner Frau Sabine und Freunden bei vielen Filmabenden vorgeführt. Der gelernte Starkstromelektriker, der sein Berufsleben überwiegend als Tontechniker bei SFB und später rbb verbrachte, hat auch eine Ausbildung zum Filmvorführer gemacht und schon damals jedes Wissen über Lichtbildprojektionen aufgesogen. Denn er wollte Profi sein in allem, was er macht. Viele Jahre lang führte er sogar in der Waldbühne vor großem Open-Air-Publikum Film-Klassiker vor. Mit seinem eigenen Kino hatte sich Wolfgang Weber den ersten großen Lebenstraum erfüllt.

Die Seele des Kinos ist hier spürbar

Das Herzstück des privaten Museums ist ein Raum mit 13 riesigen Film-Projektoren. Die hat Weber auf rotem Teppich vor goldener Tapete aufgebaut und alles liebevoll beschriftet. Besucher werden mit einer Texttafel begrüßt, der Text beginnt mit dem nostalgischen Satz "Hier wohnt die Seele des Kinos". Und die ist spürbar, denn jedes Filmprojektor-Modell hat seine eigene Geschichte und seine Besonderheiten.

Wolfgang Webers ganzer Stolz ist ein meterhoher Mechau-Filmprojektor, 600 Kilogramm schwer und mehr als hundert Jahre alt – auf der ganzen Welt gibt es nur noch fünf Stück davon. Weber kommt ins Schwärmen: "Von dem hab ich schon als kleines Kind geträumt, weil er so kurios ist. Jedes Bild wird in das nächste überblendet. Dadurch ist das Bild absolut flimmerfrei. Das war die Sensation damals. […]" Im Museum unter der Erde funktioniert der schwarze Stahlkoloss wieder genauso wie damals – er ist betriebsbereit.

Ausgediente Filmrollen im Museum (Quelle: rbb/Silke Mehring)
Hier wird aufbewahrt, was anderswo längst nicht mehr gebraucht wird | Bild: rbb/Silke Mehring

Relikte aus verfallenen Traumpalästen

An jedem der großen Filmprojektoren hat Wolfgang Weber mit einem Freund zusammen rund einen Monat lang gearbeitet – in seiner eigenen Restaurationswerkstatt, die sich auch im Keller befindet. Hunderte von Einzelteile haben die beiden Männer mit großem feinmechanischem Knowhow mit Hebezug und Werkzeugen auseinandergenommen, mit Hingabe bearbeitet, repariert und wieder  zusammengesetzt. Es sind Relikte aus verfallenen Traumpalästen, denen Weber wieder Leben eingehaucht hat. Mit seinem Museum hat er ihnen ein neues Zuhause gegeben, nachdem sie lange ihren Dienst in früher prunkvollen Lichtspielhäusern getan hatten - bis sie von der neuen Technik abgelöst wurden.

Die digitale Filmproduktion und -verbreitung ist heute deutlich billiger. Als die digitale Technik kam, verstaubten, verfielen und verrosteten die analogen Geräte. Wolfgang Weber hat sie übers Internet entdeckt, gekauft – und gerettet: "Man kann ja vieles digitalisieren. Aber sowas doch nicht. Über 100 Jahre haben tausende von Ingenieuren daran gefeilt und gearbeitet, um die immer weiter zu verbessern. Und dann kommt so eine Erfindung, und alles fliegt auf den Müll. Das macht man einfach nicht. Irgendwie ist damit auch die Seele vom Kino verloren gegangen. Die Illusion des bewegten Bildes ist erhalten geblieben, aber das ganze Drumherum […]. Da war noch ein Mensch an der Maschine, nicht nur ein Mausklick."

Privates Kino mit goldenem Vorhang (Quelle: rbb/Silke Mehring)
Hier fühlt sich Wolfgang Weber am wohlsten | Bild: rbb/Silke Mehring

Wolfgang Weber geht jeden Abend ins Kino

Wenn er von der Magie früherer Kinozeiten erzählt, wird sein Blick wehmütig. Noch heute sitzt Wolfgang Weber jeden Abend in seinem Kino und hält dort für einige Stunden die Zeit an. Manchmal verbringt er halbe Nächte mit den alten Filmklassikern – alleine. Er lacht: "Meine Frau muss ja früh aufstehen. Aber wir sind uns schon des Öfteren morgens begegnet. Ich kam aus dem Kino, sie ging zur Arbeit."

Kinoverrückte und Liebhaber alter Filmtechnik können künftig bei Wolfgang Weber [E-Mail] Termine für kostenlose Führungen in kleinen Gruppen ausmachen. Am 25. Mai wird das Museum im kleinen Kreise eröffnet. Eine Homepage ist im Aufbau.

Beitrag von Silke Mehring

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