Nach Rücktritt von Direktor Schäfer - Wissenschaftler warnen vor Zensur am Jüdischen Museum Berlin

Mi 19.06.19 | 18:28 Uhr
  5
Jüdisches Museum, Neubau von Daniel Libeskind
Bild: imageBROKER/Ingo Schulz

Weil das Museum auf Twitter einen Artikel empfohlen hatte, der sich mit der israelkritischen BDS-Bewegung auseinandersetzt, musste Direktor Peter Schäfer gehen. Mehr als 40 internationale Wissenschaftler stärken ihm nun den Rücken - und warnen vor Zensur.

Der von seinem Amt als Direktor der Stiftung Jüdisches Museum Berlin (JMB) zurückgetretene Peter Schäfer hat Rückendeckung von namhaften internationalen Talmud-Wissenschaftlern erhalten. In einem Offenen Brief, der am Mittwoch in Jerusalem bekannt wurde, beklagen die Gelehrten aus Israel, Europa und den USA "die zunehmende Zensur der Meinungsfreiheit und die schrumpfende Möglichkeit, Regierungspolitik zu kritisieren oder gar in Frage zu stellen".

Lob für Schäfers Arbeit

Die 44 unterzeichnenden Gelehrten von großen Universitäten wie Harvard oder Yale, aber auch aus Jerusalem sowie aus Deutschland, unterstreichen die Verdienste und das Renommee Schäfers als Wissenschaftler, akademischer Leiter und Intellektueller. "Für diejenigen von uns, die Professor Schäfer und seine Arbeit kennen, ist es schockierend, die Behauptung zu hören, er sei nicht für jüdische Anliegen und für den Kampf gegen Antisemitismus eingetreten", heißt es in dem Schreiben.

In seiner gesamten Karriere habe sich Schäfer für das Verständnis von Juden und Judentum eingesetzt, zum Aufbau der Judaistik in Deutschland und in Europa beigetragen und die akademische Zusammenarbeit zwischen deutschen und israelischen Gelehrten gefördert. Die Lehre Schäfers sei "ein Zeugnis für wissenschaftliche Werte einer offenen Diskussion, die nicht an politische Interessen, sondern an Beweise und Sensibilität gebunden ist" - und die das Verständnis über Traditionen und soziale Gruppen hinweg fördern wolle.

Schäfer war am Freitag zurückgetreten. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte scharf kritisiert, dass das Museum im Internet eine Leseempfehlung für einen Zeitungsartikel über Wissenschaftler gegeben hatte, die den Beschluss des Bundestags gegen die BDS-Bewegung verurteilen. Die Bewegung ruft unter anderem zum Boykott israelischer Waren auf. Der Zentralrat stellte infrage, ob die Bezeichnung "jüdisch" für das Museum noch angemessen sei.

Sendung: Inforadio, 19.06.2019, 14.00 Uhr

5 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 5.

    Das ist Volksverhetzung. Ich empfehle dem rbb-Justiziarat die rechtliche Prüfung.

    Wie und durch wen anderes als durch den Nationalsozialismus des Deutschen Reichs wurde der industrielle Massenmord der Shoa organisiert? Vor allem Jüd*innen sowie auch Roma und Sinti, Sozialdemokrat*innen, Kommunist*innen, Homosexuelle, Geistliche, Behinderte kamen nach Ihrer Auffasung also einfach so ums Leben? Das ist genau der Aspekt, der Volksverhetzung begründet - die Shoa ohne Täter*innen darzustellen, meint die Verharmlosung der Verbrechen des NS-Regimes. Abstoßend, kriminell abstoßend.

  2. 4.

    In diesem Sinne darf man also den Holocaust nur Gedenken, wenn man nicht auf den Nationalsozialismus verweist!?

  3. 3.

    Ach was, Antisemitismus hat Unterstützende auch unter Akademiker*innen? Nein, wie neu. Wie alle Ungleichwertigkeitsideologien ist auch Antisemitismus unabhängig vom Bildungsstand.

    Wie die Herrschaften die Chuzpe finden, die eindeutig toxischen Handlungen Schäfers als diskussions- und diskursfördernd und - ausgerechnet - sensibilisert zu euphemisieren, bleibt ihr Geheimnis. Auch dass das Aufzeigen und Benennen von Antisemitismus gleichgesetzt wird mit Zensur, bedeutet eine Verharmlosung von beidem.

    Da war sie wieder: pauschale Delegitimation von anderen Meinungen. Es bläst in das Horn der "Lügenpresse"-Krakeler*innen. Apropos, wären die achso sachlichen Inhalte auch so vehement verteidigt worden, wenn ein arabischer oder muslimischer Verein die Ausstellung organisiert hätte?

    Und rbb? BDS ist nicht "israelkritisch", sondern antisemitisch, Pegida nicht "islamkritisch", sondern antimuslimisch rassistisch, Pazderski nicht "rechtskonservativ", sondern rechtsextrem.

  4. 2.

    Ich finde diese Verbandelung von Judentum und dem Staat Israel nicht so gut. Das sind doch getrennte Sachen. Ob israelische Siedler im Westjordanland Häuser bauen oder nicht hat doch nicht so viel mit ihrer Religion zu tun. Natürlich kann man sich religiöse Argumente überlegen, warum Juden in der Gegend leben können sollten, aber letztlich ist es doch ein politisches Problem.

  5. 1.

    Interessant. Wer Antisemit*innen kritisiert und sie nicht im JMB hoffiert sehen möchte, wird also mit dem Vorwurf der Zensur konfrontiert. Bizarr. Und ohne die Nennung der Namen der "namhaften internationalen Wissenschaftler" bleiben die Aussagen derselben kontextlos und suggiert, als wäre die Tatsache, dasss jemand als "namhaft internationaler Wissenschaftler", davor gefeit ist, eine Antisemit*in oder eine Rassist*in zu sein. Nicht weniger bizarr.

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren

Archivbild - 21.08.2019, Berlin: Menschen tanzen beim Tango Festival im Hauptbahnhof. (Quelle: dpa/Paul Zinken)
dpa/Paul Zinken

Tanzverbot am Karfreitag - Der Wille zur Stille

Die einen sehen darin eine Gelegenheit zum Innehalten, die anderen eine Bevormundung: Am Karfreitag gilt ein generelles Tanzverbot. Berlin hat die liberalste Regelung - in Brandenburg werden nicht einmal Fußballspiele angepfiffen.