Fashion Week in Berlin - Kann Spuren von Cannabis und Ochsenblut enthalten

Do 04.07.19 | 06:14 Uhr
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Schuhe auf der Fashion Week (Quelle: rbb/Vismann)
Audio: Radioeins | 02.07.2019 | Sonja Koppitz im Gespräch mit Julia Vismann | Bild: rbb

Schuhe und Kleidung aus ungewöhnlichen Materialien: Bei der Fashion Week in Berlin zeigen Designer wieder Stoffe, aus der die Zukunft sein könnte. Julia Vismann hat sich durch den Berliner Modedschungel gekämpft, der auch mal nach Rosenblättern oder Pferdehaar duftet.

Gewächshäuser stehen vor dem E-Werk, dem zentralen Ort der Berliner Fashion Week. Darin und davor stehen Puppen mit bunten, edlen Kleidern, als wären sie Gäste auf einer Hochzeitsfeier. Es sind die Entwürfe von zehn Nachwuchsdesignern aus Berlin, darunter Isabel Vollrath, Vladimir Karaleev oder auch Michael Sontag.

Der Designer von der Kunsthochschule Weißensee feiert sein zehnjähriges Designer-Jubiläum, empfindet sich also nicht mehr als Nachwuchs. Aber das Ausstellungsformat im Gewächshaus, das der Berliner Wirtschaftssenat gefördert hat, passe gut zu seinen fließenden Seidenkleider, sagt der Berliner. Er will sich dem Druck entziehen, ständig neue Kollektionen in Shows präsentieren zu müssen, erklärt Sontag seine Modenschau-Abstinenz. "Das Textil, die Interaktion von Körper und Stoff, wie kann man den Körper bedecken - Ich habe immer Lust gehabt mich mit solchen Fragen zu beschäftigen und nicht mit der Frage 'What is the next best selling piece?'.

Kleider des Berliner Designers Michael Sontag stehen in einem Gewächshaus vor dem E-Werk Berlin (Quelle: rbb/Julia Vismann)
Kleiner von Michael Sonntag | Bild: rbb

Prinzen-Kostüme und Militärmäntel

Der 25-jährige Student Christoph Rumpf macht den Auftakt zur Fashion Week. Er studiert in Wien an der Universität für angewandte Kunst und gehört zu den Mercedes-Benz-Fashion-Talents. Gleich bei seiner ersten Show traut er sich, sehr mutige und phantasievolle Entwürfe zu zeigen, wie das Prinzen-Kostüm aus goldenem, orientalischem Stoff. Mit seiner Kollektion erzählt er die Geschichte eines kleinen Jungen, der im Wald aufwächst und feststellt, dass er ein Prinz ist. "Es gibt verschiedene Dinge mit denen er kämpfen muss, zuerst im Wald, wo er versucht, zu überleben. Dann hat er den 'Society-Struggle', weil er ja ein Prinz ist und plötzlich Verantwortung hat." Gegen den Stress mit der Gesellschaft helfe ihm dann ein Militärmantel aus steifem, grauem Neopren, ein Material, das eigentlich für Autositze benutzt wird.

Viele seiner Stoffe findet Rumpf auf dem Flohmarkt. Das Nachwuchstalent freut sich schon auf die nächste Fashion Week im Januar 2020, wenn er seine Diplomarbeit in Berlin auf dem Laufsteg präsentieren darf.

Ökologische Alternativen für jeden

Recycling und Upcycling sind auch die Themen bei der NEONYT-Modenschau im E-Werk. Gleich 80 Designer, die auf der Öko-Modemesse ausstellen, haben in einer gemeinsamen Schau bewiesen, dass Ökomode schon lange nicht mehr Öko aussehen muss. Die NEONYT ist mittlerweile die größte Messe für nachhaltige Mode weltweit. Ins Leben gerufen wurde sie bereits vor zehn Jahren unter dem Namen Greenshowroom von Magdalena Schaffrin. Jetzt ist Schaffrin für die Modenschau der NEONYT und die Überprüfung der Nachhaltigkeits-Kriterien der teilnehmenden Labels zuständig.

Sie ist froh, dass heute jeder Konsument und jede Konsumentin eine ökologische Alternative finden könne. "Es gibt auf jeden Fall sehr viele coole, nachhaltige Sachen auf dem Markt", sagt Schaffrin. Eine Entdeckung sind für sie die innovativen Materialien der Aussteller. "Refibra von Lenzing ist etwas, was mich erstaunt, weil das aus Altkleidern hergestellt wird und es am Ende eine gute Stoffqualität hat", sagt Schaffrin. "Andere Aussteller arbeiten mit Bananenfasern oder machen Schuhe aus Mais."

Designerin Tanja Kliewe-Meyer zeigt ihre Viskose aus Rosenblättern (Quelle: rbb/Vismann).
Designerin Tanja Kliewe-Meyer | Bild: rbb

Cannabis und Ochsenblut

Frei wie ein Vogel sollen sich Frauen in den Kleidern des Labels Like a bird fühlen. Bei der NEONYT zeigt Designerin Tanja Kliewe-Meyer ihre Viskose aus Rosenblättern. "Die Viskosefaser wird aus Rosen satt aus Baumrinde hergestellt", erklärt sie. In Kombination mit der Baumwolle würden die Rosen zu einem Garn verarbeitet und daraus entstehe der Stoff aus dem die Designerin ihre Hemdkleider und weiten Tuniken entwirft. Der Stoff rieche sogar nach Rosen, allerdings verschwinde der Duft nach drei bis vier Mal Waschen.

Passend dazu gibt es Turnschuhe aus Rosenblättern. Sebastian Thiess von NAT2 experimentiert mit allen möglichen Materialien. Es gibt Turnschuhe aus Papier und Glas. "Wir haben auch Schuhe aus Cannabisblättern dabei, also nicht aus Nutzhanf, sondern aus den Blättern der Pflanze", so Thiess. "Oder ein Schuh aus Ritterspornblättern, auf denen die ausgedienten Swarowski-Steine auf Tiroler Heuwiese aufgebracht sind." Ganz neu seien die Turnschuhe aus Ochsenblut, die er mit einer niederländischen Künstlerin entwickelt hat. Das geronnene Blut sieht wie dunkles Leder aus. Es ist ein Abfallprodukt vom Schlachthof, mit dem früher die Dielenböden versiegelt wurden. Wenn wir Fleisch äßen, sollten wir auch das ganze Tier verwerten, sagt Schuhdesigner Thiess.

Plastikfrei mit Pferdehaar

"Wir lieben die Natur, sind zu Hause total nachhaltig und das, was wir selbst leben, dass wir wenig Verpackungen haben, das wollen wir im Business leben, das wollen wir zeigen", sagt Antonia Goy. Ihr gleichnamiges Label und ihren Laden in Berlin-Mitte gibt es nicht mehr. Dafür hat sich die Berliner Designerin zusammen mit ihrem Partner Björn Kubeja neu erfunden. Plastikfrei und nachhaltig ist ihr neues Label Working Title.

"Das hat uns einen Kick gegeben auch im Design. "Es fordert uns nach zehn Jahren in der Branche täglich, neue Lösungen zu finden, die funktionieren und auch wunderhübsch sind", sagt das Berliner Design-Duo. Anstelle von Reißverschlüssen gibt es Wicklungen oder Tunnelzüge als Verschluss. Eine Herausforderung sei es, die geschneiderten Mäntel und Röcke in Form zu bringen, erklärt Antonia Goy. "Der Kragen muss stehen, ohne dass ich eine Vlieseline reinklebe, ein Bund muss funktionieren und muss haltbar sein. Unser Nachhaltigkeitsgedanke ist ja auch, dass die Sachen lange halten." Statt der verstärkenden Vliseline, die in den Kragen gebügelt wird, verwenden die Designer Rosshaar zum Verstärken.

"Luxus ist Treiber für neue Ideen"

Bereits nach einem Jahr geht das Konzept mit der Ökomode auf. Antonia Goy und Björn Kubeja sind auf der NEONYT eingeladen und werden durch den Fashion Council Germany bei ihrer Umstellung auf Ökomode gefördert.

Vogue-Chefredakteurin Christiane Arp hat das Label "Working Title" in den Vogue Salon eingeladen. Viele Kunden schätzen die Umstellung auf plastikfreie Mode, die eine nachhaltige Investition sei zwischen 350 Euro für eine Bluse und 800 Euro für einen langen geschneiderten Falten-Rock, sagt Björn Kubeja. "Wir bewegen uns im Luxussegment, das schließt viele Leute aus. Auf der anderen Seite ist Luxus auch immer ein Treiber für neue Ideen, bevor sie in den Massenmarkt kommen."

Sendung: Radioeins, 02.07.2019, 17:40 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    Klingt für mich erst einmal vollkommen in Ordnung und sehr innovativ. Ich selbst trage Turnschuhe aus Nutzhanf. Sehr robust und stabil.

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