Richert Beil auf der Fashion Week - Mode, die zum Nachdenken anregt

Mi 03.07.19 | 13:57 Uhr | Von Magdalena Bienert
Berlin: Richert Beil-Show bei der Fashion Week am 02.07.2019 (Quelle: imago/Beata Siewicz).
Audio: Inforadio | 03.07.2019 | Magdalena Bienert | Bild: www.imago-images.de

Bei der Fashion Week in Berlin treffen etablierte Designer wie Marc Cain oder Guido Maria Kretschmer stets auf junge Labels, die frischen Wind auf den Laufsteg bringen. Magdalena Bienert kam bei der Show des Designerduos von Richert Beil im E-Werk ins Grübeln.

Es ist dieser eine Moment, kurz bevor eine Show auf dem offiziellen Runway der Fashion Week startet: Wenn nämlich die Mitarbeiter den Stoff abziehen, der immer zum Schutz auf dem Laufstegboden liegt, ebbt das Stimmengewirr ab, Spannung entsteht, das Licht wird dunkler und gleich erwartet man den einsetzenden Beat der Musik.

Doch bei Richert Beil startet stattdessen eine sonore Männerstimme vom Band: 

"The Richard Beil Collection 'Unscharf' will showcase a summer 2020 full of body conscious and self-acceptance. The fashion industry does not respect the human body and look. That is to be criticized (…). In the future the definition of beauty will be completely different to what we know now."

Die Richert Beil-Kollektion mit dem Titel "Unscharf" zeige den Sommer 2020, der von Körperbewusstsein und Selbstakzeptanz geprägt ist. Die Modeindustrie respektiere weder Körper noch Aussehen, prangert die Stimme an und erzählt von der Zukunft, in der Schönheit anders bewertet werde als heute.

Die Show von Modemacher Richert Beil auf der Fashion Week (Quelle: rbb/Magdalena Bienert)
Bild: rbb/Magdalena Bienert

Mündige Mode

Niemand werde sich mehr im Frühling wegen seiner Bikinifigur verrückt machen und in Zukunft würden wir genau wissen wollen, woher unsere Kleidung stamme, fährt die Stimme fort.

Zu dem anklagenden und gleichzeitig visionären Statement läuft ein Video, welches das Designerpaar zeigt: Jale Richert und Michele Beil. Beiden werden die Köpfe rasiert, sie fangen ihre Haare in einer Papiertüte auf. Man denkt natürlich direkt an die Schur der Schafe, denn Wolle ist auch hier ein beliebtes Material. Das Video läuft im Loop weiter, auch als die Musik einsetzt und die ersten, ebenfalls kurzgeschorenen Models über den hellgrauen Laufsteg laufen.

Ein Mantel aus mehr als 100 schwarzen BHs

Unendlich bedächtig und mit ernsten Mienen präsentieren die Models karierte Anzüge, kantige Mäntel und Kleider, die keineswegs gefällig sind, alles in gedeckten Farben. Herzstück der Kollektion ist ein übergroßer Haute-Couture-Mantel, der aus mehr als 100 schwarzen BHs genäht wurde. Ein Upcycling-Produkt aus alten Lagerbeständen eines Wäscheherstellers. Aufmerksamkeit ziehen auch die Accessoires auf sich: Ohrringe oder Ringe, in die das Haar der Designer eingearbeitet wurde – ein unwohles Gefühl macht sich bei der Vorstellung breit, diese tragen zu müssen.

Wer hier was auf dem Laufsteg anhat, ist egal. Richert und Beil machen Unisex-Mode. So wie schon der Designer und Schwulenaktivist Rudi Gernreich, der in den 1960er Jahren mit seiner genderfreien Mode polarisierte und die beiden Designer zur ihrer Kollektion angeregt hat. Irgendwann wiederholen sich die Kleidungsstücke an den Models, die sehr divers ausgewählt wurden. Richert Beil machen vieles anders, und das ist gut.

Ökologie, Schnelllebigkeit, Unterschiede von Mann und Frau

Wenn sich Modedesigner nicht der Schnelllebigkeit und den Konventionen des Marktes unterwerfen, ist das immer eine Bereicherung in dem eher glatten und wohlfühligen Schauenkalender der Modewoche. Nach den knapp 20 Minuten raunt mein Sitznachbar: "Wie deprimierend!" Doch eine andere Besucherin der Richert Beil-Show bringt es auf den Punkt: "Es ist eher provokant - und das, was vorher gesagt wurde über die Kollektion, muss man in Verbindung sehen mit Ökologie, Schnelllebigkeit, mit den Unterschieden zwischen Mann und Frau. In der Kollektion ist versucht worden, das auf Null zu bringen. Es war sehr reduzierte Kleidung und die Kleider wurden auch mehrmals gezeigt. Das heißt, dass Mode immer wieder getragen und nicht weggeworfen werden darf, wie das mittlerweile üblich ist."

Noch bis Samstag findet die Fashionweek statt, nicht nur im E-Werk, wo die offiziellen Schauen laufen (nur mit Einladung). Öffentlich zugänglich sind hingegen erstmals der Vogue Salon im KaDeWe oder eine Mode-Installation im Bikinihaus am Zoo.

Sendung: Inforadio, 03.07.2019, 7:55 Uhr

Beitrag von Magdalena Bienert

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