"Zeitlos" im Berliner Tipi - Chansonnier Tim Fischer feiert 30. Bühnen-Jubiläum

Do 17.10.19 | 07:19 Uhr | Von Ute Büsing
Tim Fischer bei der Fotoprobe zu seiner Bühnenshow "Zeitlos" anläßlich seines 30-jährigen Bühnenjubiläums im Tipi am Kanzleramt (Quelle: Anita Bugge/Geisler-Fotopress)
Bild: Anita Bugge/Geisler-Fotopress

Seit 30 Jahren steht Tim Fischer aufs der Bühne. In seinem Jubiäums-Programm "Zeitlos", das ab Donnerstag im Berliner Tipi gezeigt wird, blickt der Sänger der "Rinnsteinprinzessin" zurück - und macht Altes wieder lebendig. Von Ute Büsing

Mit gerade 46 Jahren feiert der Chansonnier Tim Fischer bereits 30-jähriges Bühnenjubiläum. Im Berliner Tipi wird am Donnerstag sein Programm "Zeitlos" uraufgeführt, in dem er auch Stationen seiner langen Karriere Revue passieren lässt.

Schon als Kind lauschte sich Fischer im niedersächsischen Hude von Schellack-Platten die Tagesschlager der 1920er und 1930er Jahre ab: Friedrich Hollaender, Mischa Spoliansky, Marlene Dietrich und auch Zarah Leander. In ihnen und ihrer Musik fand sich der Junge wieder. Er erdachte sich eine "Zarah ohne Kleid" und diese Bühnenfigur bekam ihre eigene Hymne: "Rinnsteinprinzessin". Die Textdichterin Edith Jeske und der Pianist Rainer Bielfeldt schrieben Tim Fischer diesen Song auf den drahtigen Leib. Mit 17 und prächtiger Lockenmähne warf sich der androgyne Typ damit in die berüchtigte "Tresenshow" des Hamburger Schmidt-Theaters.

"Ich bin ganz froh, dass ich einen Song habe, der so mit mir verbunden wird", sagt der Chansonnier beim Gespräch in der Küche seiner Zweizimmerwohnung im Berliner Güntzel-Kiez, in die er kürzlich mit seinem kubanischen Mann Rolando Jiménez Dominguez eingezogen ist. "Das liegt natürlich auch daran, dass diese 'Rinnsteinprinzessin'-Geschichte etwas Zeitloses hat. Deswegen auch der Titel 'Zeitlos' für mein Jubiläumsprogramm. Nicht, weil ich so faltenfrei durch die Gegend laufe, sondern weil die Lieder nach wie vor eine Aktualität haben und sich wirklich nahtlos vom Damals ins Heute transportieren lassen."

Viele Anknüpfungspunkte

Den Transport vom Damals ins Heute hat Tim Fischer zu seiner Spezialität gemacht. Er huldigt dem eher melancholischen Ludwig Hirsch ("Komm großer schwarzer Vogel") und er war und ist der Fackelträger der Wiener Schmäh des Kabarett-Chanson-Meisters Georg Kreisler, dem er eigene Liedprogramme gewidmet hat ("Das war gut!").

Immer wieder erinnert er mit Songs auch an den Berliner Liedermacher Ulrich Roski ("Ach, Alfred, lass ihn doch"). Er legt den Salon-Hip-Hop der Zeitgenossen Thomas Pigor und Benedikt Eichhorn neu auf und auch die schrägen Lieder von Sebastian Krämer. Einzige Voraussetzung: "Mich muss ein Lied persönlich berühren und erreichen, und dann findet es im Grunde unter dem Dach Tim Fischer Platz. Ich habe über die Jahre festgestellt, dass das, was mich anspringt, auch mein Publikum anspringt. Die Lieder sind so eine Art Projektionsfläche für die eigene Fantasie."

Tim Fischer hat mit seinen kleinen großen Liedern schon früh alle einschlägigen Kleinkunst-Preise gewonnen. Seit 1992 lebt er in Berlin. Dort entstanden Chanson-Programme wie "Wenn die Liebe ausgeht" mit Songs von Brecht/Weill, Rainer Werner Fassbinder, Wolf Wondratschek und Hans Magnus Enzensberger. Er widmete Hildegard Knef einen Konzertabend und stellte sich zum 25. Bühnenjubiläum "Geliebte Lieder" zusammen.

Als Werner Schroeter das Georg-Kreisler-Musical "Adam Schaf hat Angst" 2002 am Berliner Ensemble uraufführte, spielte Fischer die Hauptrolle. Im Schroeter-Film "Deux" war er an der Seite von Isabelle Huppert zu sehen. In der vielfach ausgezeichneten Serie "Babylon Berlin" spielte er eine Diva der 1920er Jahre. Auch in der kommenden dritten Staffel wird er wieder zu sehen und zu hören sein.

Mit Unterhaltung Erinnerungen wachhalten

Seine Wurzeln hat Fischers Chanson-Kunst in den gar nicht immer so goldenen 1920er und 1930er Jahren. "Die großen Chanson-Kreateure, Friedrich Hollaender oder Mischa Spoliansky, das waren ja Juden - und die mussten entweder flüchten, emigrieren oder wurden hier in Deutschland umgebracht von den Nazis. Dieses Genre ist nie so richtig wiederbelebt worden", gibt Fischer zu bedenken.

Der Chansonnier will das Erbe bewahren und die Erinnerung wach halten - und zwar mit der Kunst der Unterhaltung. Dazu passt auch die Rolle, die er ab Februar 2020 im Hamburger Hansa-Theater spielen wird: den Conférencier im Musical "Cabaret".

Politisch engagiert sich Tim Fischer seit Jahren in Aids-Projekten im In- und Ausland. Wenn er jetzt im Berliner Tipi mit vierköpfiger Band und Tänzern die 30 Titel seines rückblickenden und neuen Jubiläumsprogramms "Zeitlos" auflegt, wird zum Schluss der von ihm angekündigten "großen Party" selbstverständlich die Sammelbüchse rumgehen.

Beitrag von Ute Büsing

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