Konzept auch für Berliner Clubs? - Techno-Raves mit Mund-Nase-Schutz und Fiebermessen
Während die Corona-Maßnahmen überall gelockert werden, müssen Clubs noch immer warten. Ein Wiener Club hat jetzt ein aufwändiges Hygienekonzept präsentiert. Könnte dieses auch für Berliner Clubs in Frage kommen? Von Steven Meyer
Die Clubszene leidet besonders stark während der Corona-Krise - schon seit dem 12. März steht fast alles still. Trotz Kurzarbeit, Soforthilfe und Online-Konzerten wie "United We Stream" befinden sich viele Einrichtungen in Existenznot.
Dem österreichischen Technoclub "Grelle Forelle" in Wien geht es nicht anders. Die Betreiber sind deshalb im Austausch mit dem Gesundheitsministerium und haben kürzlich ein 23-seitiges Sicherheitskonzept [grelleforelle.com] präsentiert, das den Schutz der tanzenden Meute im Club während der Corona-Krise garantieren soll.
Die Sperrstunde für Nachtlokale in Österreich soll zwar ab 1. August auf vier Uhr morgens verlängert werden, mehr als 200 Menschen dürfen aber vorerst nicht in die Clubs. Endgültig wird aber erst am 15. Juli darüber entschieden. Ob sich das dann überhaupt lohnt? Das komme darauf an, sagen Schadi Tayyah, Geschäftsführer der "Grellen Forelle", und Veranstalter Gerald van der Hint in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung "Der Standard": Und zwar darauf, wie streng die Reduzierungen der Gästezahl laut Verordnung letztendlich aussehen wird, wie viel die Gäste konsumieren und bereit sind, an Eintritt zu zahlen.
Awareness-Team und Contact-Tracing
Die "Grelle Forelle" setzt im Konzept schon vor der Veranstaltung an: Die Clubbetreiber wollen die Sicherheitsmaßnahmen auf Social Media bewerben und Menschen darauf aufmerksam machen. Am Abend der Veranstaltung soll es dann Bodenmarkierungen, mehrere Eingänge und Time-Slots geben. Die Gästezahl soll reduziert werden und Tickets sind dann nur noch im Vorverkauf zu haben. Zahlungen sollen bargeldlos möglich sein, Desinfektionsspender aufgestellt und beim Eingang die Körpertemperatur jedes einzelnen Gastes gemessen werden.
Im Club sollen die Gäste dann Abstand halten, alleine tanzen und einen Mund-Nase-Schutz an Bar und Tanzfläche tragen. Getränke gibts in Einwegbechern, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen Handschuhe und ebenfalls Mund-Nase-Schutz. Noch dazu sollen Vorrichtungen aus Plexiglas angebracht und die Lautsprecher im Barbereich deaktiviert werden. Im Konzept schlägt der Club auch eine Corona-Testung aller Mitarbeitenden im Abstand von zwei Wochen vor. Ein Awareness-Team soll zudem unterwegs sein, die Email-Adressen der Gäste sollen für mögliches Contact-Tracing gesammelt werden.
In Berlin haben viele Clubs, wie die "Wilde Renate" oder das "Sisyphos", mittlerweile zumindest ihren Außenbereich wieder offen, wo sie Getränke und Essen anbieten. Die Zuschüsse und Spenden halten die Clubs zwar noch über Wasser, aber laut Lutz Leichsenring, Sprecher der Berliner Clubcommission, nicht mehr lange. Das Branchennetzwerk führt deshalb aktuell Gespräche mit dem Senat.
Erreicht werden soll, dass Open-Air-Veranstaltungen mit bis zu 200 Personen bald wieder erlaubt sind. Legale Alternativen seien nämlich besser als illegale Raves und Partys, wie sie aktuell am Wochenenden in Berliner Parks wie dem Volkspark Hasenheide stattfinden, heißt es. Wie komplex aber die Fragestellungen und Probleme für Veranstalterinnen und Veranstalter sind, verdeutlicht die Berliner Clubcommission in einer Grafik [clubcommission.de].
"Man trägt als Club Verantwortung"
Leichsenring sieht Sicherheitskonzepte für Clubs deshalb auch eher skeptisch und möchte die Öffnung der Clubs nicht unter allen Umständen vorantreiben: “Das, was wir unter Clubkultur verstehen, ist unter den Corona-Maßnahmen eigentlich nicht möglich.” Zwar wolle man die Clubs öffnen, sich gleichzeitig aber auch nicht komplett verbiegen. Freiheit, Selbstbestimmtheit und Anonymität seien schließlich besonders wichtig für die Berliner Clubkultur und das passe mit den Schutzmaßnahmen nicht zusammen. Außerdem sei nicht sicher, ob sich der Aufwand finanziell lohne, wie die Gäste auf Clubbetrieb mit Corona-Maßnahmen reagierten und wie man die Maßnahmen kontrolliere.
Einen Blick in ein anderes Nachbarland, die Schweiz, lässt jedenfalls keine allzu großen Hoffnungen für den Clubbetrieb: Dort sind Clubs nämlich wieder offen und die Zunahme der Corona-Fälle scheint auf Clubveranstaltungen zurückzuführen zu sein. Mindestens 900 Besucherinnen und Besucher befinden sich in der Schweiz deshalb zurzeit in Quarantäne, nicht alle waren aber zurückverfolgbar, weil viele auf den Contact-Tracing-Listen keine realen Namen angegeben hatten. Das wolle man in Berlin vermeiden, sagt Leichsenring: “Man trägt als Club, wenn sich das Virus gerade dort so schnell zu verbreiten scheint, auch eine Verantwortung für die gesamte Gesellschaft."