Coaching für Nicht-Muttersprachler - Aus dem Ausland auf die Bühne

So 09.08.20 | 08:21 Uhr | Von Vera Block
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Annemarie Bruentjen und Rufus Beck während des Theaterstückes "Vier Stern Stunden" am 31.01.2019 (Bild: dpa/Eventpress Hoensch)
Audio: rbbKultur | 04.08.2020 | Vera Block | Bild: dpa/Eventpress Hoensch

Für Theatermacher aus dem Ausland ist es schwer, in Deutschland beruflich anzukommen, weil sie oftmals mit Akzent sprechen und das System hierzulande nicht kennen: Wie funktioniert ein Vorsprechen? Worauf soll man achten? Ein Coaching soll Abhilfe schaffen. Von Vera Block

Eine Frau mit einem Glas in der Hand schwankt hin und her und brüllt Sätze voller Frust und Wut heraus. Der Monolog der Martha aus "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" ist einer der berühmtesten der Theatergeschichte. Die Schauspielerin, die ihn gerade vorträgt, entspricht haargenau der Beschreibung von Autor Edward Olbee: "52, eine große, temperamentvolle Frau, wirkt jünger. Sie ist üppig, aber nicht dick." Eine Chance, diese Rolle auf einer deutschen Bühne zu spielen, wird diese Schauspielerin wahrscheinlich nicht haben, denn sie spricht mit einem starken osteuropäischen Akzent.

Über Diversität auf Deutschen Bühnen wird immer öfter gesprochen und gestritten. Auf der einen Seite wollen alle Theater vielseitig sein, andererseits gibt es in den Ensembles immer noch kaum Schauspieler und Schauspielerinnen, die nicht weiß sind, geschweige denn mit einem Akzent sprechen. Für Theatermenschen aus dem Ausland ist es aber auch deswegen besonders schwer, in Deutschland beruflich anzukommen, weil sie das System hierzulande nicht kennen: Wie funktioniert ein Vorsprechen? Worauf soll man achten?

Monika Dobrowlanska (Bild: rbb/ Vera Block)
Szene aus dem Kurs von Monika Dobrowlanska | Bild: rbb/ Vera Block

Coaching mit Landeskunde

Im Kulturzentrum Brotfabrik in Berlin Pankow wird zurzeit genau das geübt. Ein halbes Jahr lang treffen sich hier ein paar Mal die Woche acht Schauspielerinnen und Schauspieler zum Sprechtraining und Coaching. "Fit für die Bühne" heißt das Programm, das die Berliner Regisseurin Monika Dobrowlanska für Schauspieler, die keine deutschen Muttersprachler sind, entwickelt hat. Dabei ging es ihr nicht nur darum, an der Aussprache der Teilnehmenden zu arbeiten: "Sehr oft hat man im Ausland überhaupt keine Vorsprechen, sondern die Regisseure werden zu laufenden Vorstellungen eingeladen. Wenn man aber gerade keine Engagement hat, dann hat man Pech gehabt."

Will man aber in Deutschland in einer Produktion mitwirken, geht man zu Vorsprechen und muss sich innerhalb eines kurzen Auftritts von der besten Seite präsentieren und das Produktionsteam überzeugen. Eine harte Herausforderung, selbst für Schauspieler, die in Deutschland ausgebildet wurden. Für Ausländer, die diese Praxis nicht gewohnt sind, ist die Hürde doppelt so hoch.

Sprechtrainer Karl Ludwig gibt Tipps während Schauspieltrainings (Bild: Vera Block)
Sprechtrainer Karl Ludwig gibt Tipps während des Schauspieltrainings | Bild: Vera Block

Je weniger Diversität, desto weniger Toleranz

Nicht nur die Casting-Praxis unterscheidet sich von Land zu Land. Schauspieler aus dem Ausland sind oft von verschiedenen Theaterschulen geprägt. Das könnte auch ein Hindernis sein auf dem Weg zur Bühne. Aber es ist auf jeden Fall ein Nachteil für den deutschen Theaterbetrieb, meint Dobrowlanska.

"Je weniger Diversität es in den deutschen Theatern gibt, desto weniger Toleranz gibt es für verschiedene Ästhetiken und desto weniger Vertrauen in das Können der Schauspieler, die vielleicht zu emotional spielen oder zunächst ein anderes Verständnis von Theater haben."

Der Kurs "Fit für die Bühne" soll also helfen, auch die Schauspieler für die Erwartungen des deutschen Theaterbetriebs zu sensibilisieren. Auf dem Programm steht auch: Das Üben eines Vorsprechens auf einer unbekannten Bühne, ohne die Unterstützung des Ensembles, die Wahl der passenden Rollen. Es wird überlegt, wie die sprachliche Eigenart vielleicht zum Vorteil werden kann. In der Gruppe sitzt eine Chinesin zwischen einem russischen Muttersprachler und einer Amerikanerin. Die Sprachkenntnisse der Teilnehmenden sind sehr unterschiedlich.

Warum sollte der Akzent weg?

"Man kann erst grundsätzlich an dem arbeiten, was in allen Sprachen gleich ist", sagt der Sprecherzieher Karl-Ludwig Otto, der jahrzehntelang an der Universität der Künste unterrichtet hat. "Das heißt, zu versuchen zu optimieren, weil man in dem Moment, wo man aufgefordert ist, eine sprecherische Äußerung von sich zu geben, anfängt, sich Mühe zu geben. Und diese Mühe führt oft dazu, dass man viel zu viel macht."

Einen Akzent kriegt man in ein paar Übungsstunden nicht weg, so Karl-Ludwig Otto. Und warum sollte man auch? "Ich finde es einfach penetrant", sagt der Sprecherzieher. Denn wenn man schon von der Offenheit der Gesellschaft spricht, sollte man auch Akzente miteinbeziehen.

"Da ist viel Verlogenheit dahinter"

Für die Teilnehmer des Kurses "Fit für die Bühne" ist die Arbeit am Akzent genauso wichtig wie die Kenntnis der Gepflogenheiten an deutschen Theatern. Eleanor Maples etwa, die in Kalifornien und New York Schauspiel studiert hat, will durch diesen Kurs tiefer in die deutsche Theaterwelt eintauchen: "Weil ich schon in einem deutschsprachigen Theaterstück gespielt habe. Und es war so fremd, deutsch im Proberaum zu sprechen. So wollte ich die Gelegenheit haben, das mehr zu üben."

Für die Leiterin des Kurses Monika Dobrowlanska hat das Angebot auch eine kulturpolitische Bedeutung: "Es wird zwar viel darüber geredet, dass die Theater sich quasi für die Migrationsgesellschaft geöffnet haben, aber meiner Meinung nach ist sehr viel Verlogenheit dahinter und die Strukturen ändern sich nicht."

Am Ende gibt es öffentliche Präsentationen

Monika Dobrowlanska arbeitet seit über zwanzig Jahren als Regisseurin in Deutschland. Es habe sich in Sachen Diversität durchaus etwas verändert in der Zeit, aber nicht genug. "Es gibt vielleicht eine Öffnung für Menschen oder Schauspieler mit Migrationshintergrund in der 2. Generation, für die aber Deutsch die Muttersprache ist. Für Menschen, für die Deutsch eine Fremdsprache ist, da sehe ich jetzt keine große Veränderung, um nicht zu sagen, gar keine."

Dobrowlanska will die Teilnehmenden auch dabei unterstützen, Netzwerke zu bilden und Menschen in Entscheidungspositionen zu treffen. Dazu sollen zur Mitte und zum Ende des Kurses öffentliche Präsentationen vor Fachpublikum stattfinden. Dann haben die Schauspieler mit nichtdeutscher Muttersprache die Chance, ihr Können unter Beweis zu stellen.

Sendung: rbbKultur, 04.08.2020, 09:45 Uhr

Beitrag von Vera Block

1 Kommentar

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  1. 1.

    Schon allein die Überschrift, Coaching für Nicht-Muttersprachler, ist eine Vergewaltigung und "Verhunzung" unserer Muttersprache.

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