Ausstellung in Berlin über Medien und politische Öffentlichkeit - Von Luther bis Trump

Do 10.09.20 | 06:07 Uhr | Von Maria Ossowski
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Collage: Junge neben- und untereinander liegende Menschen werden beim Verwenden ihrer Smartphones von ihren Handy-Bildschirmen angeleuchtet. Im Hintergrund eine Großstadt bei Sonnenuntergang. Mit Smartphones ist das Senden und Empfangen von Informationen jederzeit und überall möglich. Sie dienen jedoch nicht nur als Kommunikationsmittel und Fenster zur Welt, sondern auch als Überwachungs- und Datensammelgeräte. (Quelle: dhm.de/F. Mehnert)
Bild: dhm.de/F. Mehnert

Neue Medien haben immer auch neue Lebenswelten geschaffen. Das beweist die Geschichte. Das Deutsche Historische Museum eröffnet eine spektakuläre Ausstellung, in der die politische Bedeutung von Medien beleuchtet wird. Von Maria Ossowski

Der Siegeszug der Medien hat nicht bei Luther begonnen, eine 5.500 Jahre alte sehr schöne Trommel am Eingang der neuen Ausstellung "Von Luther zu Twitter - Medien und politische Öffentlichkeit" im Deutschen Historischen Museum in Berlin beweist das. Das Besondere: Es sind Zeichen darauf zu erkennen, die den Soziologen und Kuratoren Harald Welzer faszinieren. Sie lassen sich nämlich nicht dechiffrieren und zwingen uns damit zu einer gewissen Demut. Wir denken zwar wie alle Kulturen überheblich, dass unsere Kultur überdauert. Welzer bezweifelt aber, dass all unsere digitalen, filmischen oder schriftlichen Medienproduktionen in 5.000 Jahren noch irgendwo verstanden würden.

Verständlichkeit war das Ziel Martin Luthers, als er die Bibel übersetzte. Er nutzte, so die Kuratorin Melanie Lyon, die Buchdrucktechnik für Flugblätter, um die Reformation voranzutreiben. "Luther als Medienperson steht da für uns exemplarisch als jemand, der 70 Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks erkennt, was man mit dem Medium machen kann", so Lyon. "Lucas Cranach hat das bebildert. Und Leute, die nicht lesen konnten, hatten damit einen Zugang zu Inhalten."

Luther, Bismarck, Trump - Persönlichkeiten, die für Medien stehen

Den Luther-Raum dominiert eine nachgebaute Kanzel. Jeder der fünf Themen-Räume mit den insgesamt 200 Exponaten transportiert eine ganz bestimmte Atmosphäre. Im Radio-Raum gibt es einen ganz leisen Grundsound, dem niemand sich entziehen kann. Im Fernseh-Raum ist ein Wohnzimmer der frühen 1960er Jahre eingerichtet, mit bunten Tütenlampen, braunem Couchtisch und dem Fernsehgerät im Zentrum.

Buchdruck, Presse, Radio, Fernsehen und Internet sind verbunden mit Personen, die mit ihnen Einfluss gewinnen wollten: Luther mit dem Buchdruck, Bismarck mit der Presse, Hitler und Goebbels mit dem Radio. Kennedy hat 1960 die Wahl nach dem ersten politischen Fernsehduell gegen Nixon gewonnen, auch weil er telegener war.

Trump schließlich nutzt Twitter. Sein Account steht prominent auf einer Säule des Internet-Raums, um an den etablierten Medien vorbei zu kommunizieren.

Jedes Medium hat die Herrschaft einerseits gefestigt, andererseits auch Protestbewegungen unterstützt. Bei Todesstrafe war es den Deutschen im Zweiten Weltkrieg verboten, BBC zu hören. Die Demonstranten in Belarus verabreden sich heute via Smartphone. Unser Internetzeitalter beweist, so Harald Welzer, wie ambivalent und vielschichtig die Entwicklungen sind. Sie sichern nicht allein die Herrschaft, sie ermöglichen auch den Protest.

Hass, Lügen und Hetze sind so alt wie Medien selbst

Erstaunlich bei dieser Verstand und Gefühl gleichermaßen anregenden Ausstellung: Sie bildet auch das Heute ab und lässt Raum für Utopien oder Spekulationen. Nichts ist sicher. Welches Medium überlebt? Welches gewinnt, welches verliert? Alles sei offen, sagt Harald Welzer. "Wir haben in der Corona-Krise gesehen, dass die etablierten Medien ein unglaubliches Vertrauen in der Mehrheitsbevölkerung genießen, wo wir vor einem Jahr noch gedacht hätten, die spielen eigentlich angesichts der Sozialen-Netzwerk-Kommunikation gar nicht mehr so eine Rolle."

Fest steht: Hass und Hetze, Lügen und Betrug, das zeigen die Klagen einer jungen Protestantin während der Zeit der Reformation, gab es in jedem Medienzeitalter, genauso wie Fortschritt, Bildung, Partizipation und Aufklärung. Die Ausstellung ist daher besonders wichtig in unserer Medienwelt.

Beitrag von Maria Ossowski

1 Kommentar

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  1. 1.

    Menschliche Verhaltensweisen haben sich m. E. garnicht so groß unterschieden. Nur die Zeit ihres "Umlaufs" und ihres jeweiligen Verbreitungsgebietes haben sich massiv verändert. Im einen hin zu einem kurzfristigen Zeithorizont nahe Richtung null, im anderen ins Unermessliche sich ausdehnend.

    Das stellt natürlich die Frage nach der Reflektionsfähigkeit und der unabdingbaren Einwirkungszeit des Wahrgenommenen. Wer null mit unendlich multipliziert, bekommt nichts weiter als null.

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