Nachruf auf Kunstmäzen Erich Marx - "Das Entscheidende ist die Neugier, die man besitzt"

Fr 11.09.20 | 12:51 Uhr | Von Silke Hennig
Der Sammler Erich Marx steht am Donnerstag (24.05.2007) im Frieder Burda Museum in Baden-Baden vor dem Werk "Double Elvis" aus dem Jahr 1963 von dem Künstler Andy Warhol. (Quelle: dpa/Uli Deck)
Audio: rbb | 10.09.2020 | Silke Hennig | Bild: dpa/Uli Deck

Der Berliner Unternehmer und Kunstmäzen Erich Marx ist im Alter von 99 Jahren gestorben. Obwohl er erst spät zur Kunst kam, sammelte er Werke namhafter Künstler des 20. Jahrhunderts. Seine Sammlung ist untrennbar mit dem Hamburger Bahnhof verknüpft. Von Silke Hennig

Andy Warhols riesiger Mao, Bilder von Robert Rauschenberg und Cy Twombly, Joseph Beuys Straßenbahnhaltestelle oder tonnenschwere Bleiskulpturen von Anselm Kiefer: Wer den Hamburger Bahnhof in Berlin besucht, stößt überall auf Werke aus der Sammlung von Kunstmäzen Erich Marx. Sie war der Anlass für die Gründung des Museums.

Die Sammlung sei zunächst einmal für zwölf Jahre in Mönchengladbach gewesen, erzählt Marx. "Und als sich dann die Möglichkeit ergab, hier in Berlin die Bilder zu deponieren und auszustellen, habe ich mich natürlich für Berlin entschlossen. Zumal dann das sehr schöne Museum in Mönchengladbach einfach zu klein wurde, um das alles auszustellen", fügte er hinzu.

Archivbild: Die Künstler Joseph Beuys (l), Andy Warhol (M) und Robert Rauschenberg bei der Pressekonferenz am 03.03.1982 anlässlich ihrer Ausstellungseröffnung: "Beuys, Rauschenberg, Twombly, Warhol - Die Sammlung Dr. Erich Marx". (Quelle: dpa/Konrad Giehr)
Beuys, Warhol und Rauschenberg bei einer Ausstellung der Sammlung Marx. | Bild: dpa/Konrad Giehr

Vom Tellerwäscher zum Millionär

Erich Marx kam, wie er selbst sagte, spät zur Kunst. 1921 in einem Dorf in Südbaden geboren, studierte der Sohn eines Lagerarbeiters nach dem Krieg zunächst Jura und arbeitete als Justiziar für den Burda Verlag. Sein Vermögen verdiente Marx, nachdem er 1967 in Berlin eine Bauträgerschaft gegründet hatte, die sich auf den Bau und Betrieb von Kliniken, Reha-Zentren und Hotels spezialisierte.

Seinen ersten Kunstkauf - fünf Blätter des Grafikers Friedrich Meckseper - tätigte der Baulöwe bei einem Aufenthalt auf der Insel Sylt: "Ich würde sagen, es war eigentlich kein Zufall, dass ich während eines Spazierganges eine Galerie entdeckt. In diese Galerie bin ich rein gegangen, um zu sehen, was gibt es denn eigentlich Neues? Da habe ich eben gesehen, dass die Kunst nach dem Krieg weiterlebt und neu auflebt." Das habe ihn fasziniert, so Marx.

Kein Talentscout, aber ein talentierter Sammler

Erich Marx sammelte ausschließlich Kunst seiner Zeit. Er war kein Entdecker noch unbekannter Künstler, aber er sammelte beispielsweise Joseph Beuys oder Anselm Kiefer bereits, als sie durchaus noch sehr umstritten waren. Als Unternehmer fühlte er sich Künstlern durch die gemeinsame kreative Energie verbunden, als Sammler suchte er in der Kunst die Herausforderung.

"Das Entscheidende ist die Neugier, die man besitzt", erklärte Marx. Kunst erschließe sich einem erst, wenn man sich damit befasse. "Entweder sie springt einen geradezu an, oder aber man wird neugierig und sagt: Ich würde gerne wissen, was dahintersteckt." Bei jedem Bild sei es so, dass es einen Menschen interessieren müsse, "es muss ihn irgendwie faszinieren".

Die ersten Besucher bestaunen nach der Eröffnung am 1.11.1996 die neue Kunsthalle im ehemaligen Hamburger Bahnhof in Berlin. (Quelle: dpa/Peer Grimm)
Die Sammlung Marx im Hamburger Bahnhof war stets umstritten. | Bild: dpa/Peer Grimm

Wie der Hamburger Bahnhof durch Marx auflebte

Marx sammelte im großen Stil - auch was die Formate anbelangt. Bereits Anfang der 70er Jahre fasste er den Entschluss, seine Kunst langfristig einem Museum zur Verfügung zu stellen. Mit seinen weitläufigen Räumlichkeiten bot der Hamburger Bahnhof in Berlin ihm dafür ideale Bedingungen.

Als das Museum 1996 als Teil der Nationalgalerie eröffnet wurde und vor allem Dauerleihgaben aus der Sammlung Marx ausstellte, war das allerdings umstritten. Wiederholt kam es auch zu Konflikten zwischen Museum und Sammler, der seine Kunstwerke prominent und den passenden Rahmen präsentiert sehen wollte. "Der Hamburger Bahnhof war am Anfang identisch mit der Sammlung Marx", so der Kunstmäzen. Das Museum heiße zwar "Hamburger Bahnhof Museum für Gegenwart", aber die Gegenwart bleibe so nicht bestehen, sondern gehe immer weiter. "Aber meiner Kunst war eben eines schönen Tages nicht mehr Grund zur Gegenwart", ergänzte Marx, dessen Kunstsammlung zu jener des 20. Jahrhunderts gehört.

Folgerichtig gehörte Erich Marx gemeinsam mit dem Berliner Sammlerehepaar Pietzsch zu den treibenden Kräften eines Museum der Moderne in Berlin. Dass jetzt nach Plänen der Schweizer Architekten Herzog und de Meuron am Kulturforum gebaut wird. Hier bekommen die Werke der Sammlung Marx eine neue Heimat.

Beitrag von Silke Hennig

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