Kritik: "Name her" | Ballhaus Ost - Eine Performance, von der nicht viel hängen bleibt

Sa 26.09.20 | 10:03 Uhr | Von Henrike Möller
Ballhaus Ost in Berlin-Prenzlauer Berg (Quelle: imago images/Kleist-Heinrich)
Bild: imago stock&people/Kleist-Heinrich

"Name her - eine Suche nach den Frauen+" stellt Frauen vor, die trotz ihrer Errungenschaften in der Geschichtsschreibung bisher vergessen wurden. Die siebenstündige Performance im Ballhaus Ost schöpft ihr Potenzial aber nicht aus, findet Henrike Möller.

Wie viele Errungenschaften von Frauen wurden nicht genug gewürdigt, weil … ja, weil sie eben Frauen sind? Das haben sich die Regisseurin Marie Schleef und die Berliner Theaterlegende und Mitbegründerin des Ballhaus Ost Anne Tismer gefragt.

Herausgekommen ist eine vierteilige Inszenierung à 90 Minuten, die am Freitagabend im Ballhaus Ost im Prenzlauer Berg Premiere feierte: "Name her - eine Suche nach den Frauen+". In dieser Kritik geht es um den ersten Teil.

Warum ist Aspasia als Philosophin unterschätzt?

Die Umsetzungsidee hinter "Name her" ist simpel: Anne Tismer hält kurze Vorträge über Frauen, die in der Geschichtsschreibung bisher übergangen wurden - manchmal mithilfe von Videoausschnitten, Liedern oder Bildern, die auf drei orangenen Bildschirmen gezeigt werden, die aussehen wie überdimensional große Handyhüllen.

Doch in Anne Tismers Vorstelllungen der Frauen fehlt leider ganz oft das Wesentliche. Was ist denn jetzt genau der Verdienst von Diane Rwigara aus Ruanda? Und was war an Beatriz de Dias Minnegesang nun bemerkenswert? Warum ist Aspasia als Philosophin unterschätzt? Es fehlt die Einordnung, der Kontext, die Quintessenz. Nicht selten verliert sich Tismer in Ausführungen, die mit der Frau selbst überhaupt nichts zu tun zu haben scheinen.

50 Kurzvorträge allein im ersten Teil

Und warum überhaupt diese Frauen? Wie kam die Auswahl zustande? Eine Auskunft dazu gibt es nicht und eine Systematik ist nicht erkennbar. Malerinnen sind darunter, Schriftstellerinnen, Wissenschaftlerinnen, Musikerinnen. Manche leben noch, andere sind seit mehr als 2000 Jahren tot.

Dass von den sicher 50 Kurzvorträgen, die allein im ersten Teil der Performance abgearbeitet werden, wenig hängen bleibt, liegt wahrscheinlich auch an Anne Tismers hektischer, fast schon hysterischer Vortragsweise. Zwei, drei Mal vergisst sie Aspekte, die die Regisseurin Marie Schleef dann mit einem Mikrofon aus dem Off ergänzt.

Ob das alles so stimmt...?

Das kann natürlich auch ein Stilmittel sein. Kompetenter lässt es Anne Tismer, die sowieso schon öfter mal verwirrt wirkt, aber nicht erscheinen. Nicht selten beginnt sie ihre Ausführungen mit "Also ich glaube…". Ob das, was Anne Tismer an diesem Abend erzählt, also alles so stimmt - man weiß es nicht.

Die Idee, unsichtbare Frauen sichtbar zu machen, ist toll und wichtig. Umso trauriger ist es, dass Marie Schleef und Anne Tismer das Potenzial ihrer Idee nicht ausschöpfen. So verlässt man die Performance am Ende mit einer ellenlangen Liste von Frauennamen, die man zu Hause erst nochmal googeln muss.

Beitrag von Henrike Möller

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