Filmregisseur Konrad Wolf - Die Zeit, die bleibt

Di 20.10.20 | 06:49 Uhr | Von Oliver Kranz
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Konrad Wolf stellt im Februar 1977 in Ost-Berlin in dem neuen Gebäude der Akademie der Künste, der ehemaligen Volkskammer, seinen Film "Mama, ich lebe" vor (Quelle: dpa/ADN Zentralbild)
Audio: rbbKultur | 20.10.2020 | Oliver Kranz | Bild: dpa/ADN Zentralbild

Nach Konrad Wolf wurden Straßen benannt, eine Filmhochschule und ein Preis der Akademie der Künste. Doch wirklich bekannt ist der einst erfolgreiche DDR-Filmregisseur heute nicht mehr. Am Dienstag wäre der ambitionierte Künstler 95 Jahre alt geworden. Von Oliver Kranz

Konrad Wolfs letzter Film war zugleich sein erfolgreichster. "Solo Sunny" wurde 1980 bei zahlreichen Festivals ausgezeichnet – auch bei der Berlinale. Die Geschichte der jungen Sängerin, die in einem Abrisshaus wohnt, beruflich scheitert, aber wieder neu anfängt, sprach das Publikum an. Die Brisanz, die der Film für die DDR hatte, erklärte Konrad Wolf 1980 in der SFB-Sendung "Gespräch in Drei": "Wir haben den Film gemacht, weil in der Realität das Verhältnis zu diesen sogenannten Außenseitern, dieser Subkultur – manche meinen sogar, es wäre eine asoziale Welt – unserer Meinung nach noch sehr widerspruchsvoll ist."

"Solo Sunny", der letzte Film von Regisseur Konrad Wolf, erzählt 1979 über die Schlagersängerin Sunny (Renate Krößner) aus Prenzlauer Berg und ihre Suche nach dem Glück. (Quelle: rbb/DEFA-Stiftung/Dieter Lück)
"Solo Sunny" mit Renate Krößner in der Titelrolle | Bild: rbb/DEFA-Stiftung/Dieter Lück

"Ich bekenne mich dazu, dass ich vielleicht ein Privileg habe"

Einen solchen Film in einem Land zu drehen, in dem Individualismus nur gestattet war, wenn er nicht der verordneten Staatsdoktrin zuwiderlief, war mutig. Doch Konrad Wolf konnte es sich leisten. Er war Präsident der Akademie der Künste und durch seinen Bruder Markus Wolf, der die Auslandsspionage der DDR leitete, zusätzlich geschützt. "Ich bekenne mich dazu, dass ich vielleicht auch ein Privileg habe. Es kommt aber darauf an, was ich mit dem Privileg mache", sagte Wolf einmal.

Konrad Wolf stützte das System, war aber kein Betonkopf. Mit ihm konnte man reden, sagte bei einer Gedenkfeier nach der deutschen Wiedervereinigung der Filmregisseur Frank Beyer: "Ich erinnere mich an ihn als einen Menschen, der auf den ersten Blick schwer zugänglich war, aber eigentlich immer genau hingesehen hat. Und bei dem man auch Hilfe bekam, wenn man sie erwartete."

Die Brüder Konrad und Markus mit ihrem Vater Friedrich Wolf (v.li.n re.) (Quelle: dpa/akg-images)
Die Brüder Konrad und Markus mit ihrem Vater Friedrich Wolf (v. li. n. re.) | Bild: dpa/akg-images

Filme als Vermittler von Lebensidealen

Wolf wollte eine offenere DDR, sah aber im Sozialismus eindeutig das bessere System. Er wurde von klein auf kommunistisch erzogen. Sein Vater war der prominente Arzt und Schriftsteller Friedrich Wolf. Als 1933 die Nazis an die Macht kamen, floh die Familie in die Sowjetunion. Damals war Konrad acht Jahre alt. In Moskau ging er zur Schule und oft auch ins Kino: "Die noch unbewusste Vorstellung von Lebensidealen, den Zielen unseres Kampfes, von Freund und Feind, vermittelten solche Filme wie 'Tschapajew' oder 'Wir aus Kronstadt'", sagte Wolf über diese Zeit.

"Ich fuhr in Moskau zur Filmakademie"

Mit 17 meldete sich Konrad Wolf freiwillig zur Roten Armee. Er diente in einer Propagandaeinheit, die an der Front über Lautsprecher versuchte, deutsche Soldaten zur Kapitulation zu bewegen. Seine Erlebnisse beschrieb er später im Film "Ich war 19".

Er brauchte lange, ehe er sich in Deutschland wieder zu Hause fühlte. Nach dem Krieg war Wolf zunächst Kulturbeauftragter bei der Sowjetischen Militäradministration. Doch sein Vater forderte ihn auf, endlich einen Beruf zu lernen oder zu studieren. "Ich fuhr in Moskau zur Filmakademie, weil der Andrang so groß war, dass die Chance dort anzukommen, eigentlich minimal war. Ich machte diese Aufnahmeprüfung mehr pro forma, dachte nicht, dass ich angenommen werde. Doch nach einigen Wochen kam ein Telegramm aus Moskau, ich sei aufgenommen."

Konrad Wolf (4.v.li.) in der Berlinale-Jury 1978 (Quelle: dpa/Giehr)
Die Berlinale 1978 findet erstmals mit DDR-Beteiligung statt: Konrad Wolf (4. v. li.) | Bild: dpa/Giehr

Bildkraft und psychologische Dichte

So fand Konrad Wolf seine Berufung. 1956 gelang ihm mit "Lissy" ein erster Filmerfolg. Im Zentrum steht eine junge Frau, deren Mann bei den Nazis Karriere macht. Die Kritik lobte die Bildkraft und psychologische Dichte der Figuren. Großen Anklang fanden auch "Professor Mamlock" und "Der geteilte Himmel" nach der gleichnamigen Erzählung von Christa Wolf. Der Film erzählt vor dem Hintergrund der deutschen Teilung vom Scheitern einer Liebesbeziehung. Manfred geht in den Westen, Rita entscheidet sich, in der DDR zu bleiben. Und Konrad Wolf ließ beide Positionen gelten.

Der Regisseur Konrad Wolf (Quelle: dpa/akg-Binder)
Konrad Wolf privat | Bild: dpa/akg-Binder

Seine politische Überzeugung hat ihn nie dazu verleitet, flache Propagandakunst zu machen. Er starb 1982 mit 56 Jahren an Krebs. Seine Filme sind heute Klassiker.

Konrad Wolf zu Ehren wurde unter anderem 1985 die Hochschule für Film und Fernsehen der DDR in Potsdam-Babelsberg nach ihm benannt. Im selben Jahr entstand unter Mitarbeit seines langjährigen Drehbuchautors Wolfgang Kohlhaase die Filmbiografie "Die Zeit die bleibt".

Beitrag von Oliver Kranz

1 Kommentar

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  1. 1.

    "Doch wirklich bekannt ist der einst erfolgreiche DDR-Filmregisseur heute nicht mehr." - Was macht das "einst" in dem Satz? Er war nicht "einst erfolgreich", sondern "erfolgreich"!
    Und nicht "wirklich bekannt" dürfte er wohl vor allem im Westen und bei den Jüngeren sein (wohl auch, weil seine Filme, etwa "Ich war 19", "Sterne", "Professor Mamlock" - übrigens nach dem Stück seines Vaters - etc. kaum im bundesdeutschen Fernsehen gezeigt werden). Das Wolfs Familie von den Nazis auch aus religiösen Gründen verfolgt (aufgrund der jüdischen Herkunft) und ein Teil von Friedrich Wolfs Angehörigen von den Nazis ermordet wurde, wird hier leider nicht erwähnt.

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