Club- und Kulturszene in Brandenburg - Die Barhocker stehen auf der Kippe

Sa 26.12.20 | 17:53 Uhr | Von Von Josefine Jahn
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Archivbild: Leere Stuhlreihen auf dem Gelände des Waschhaus Potsdam. (Quelle: Waschhaus Potsdam)
Bild: Waschhaus Potsdam

Konzerte abgesagt, Lesungen verschoben, Bierabende verboten - Corona macht der Club- und Kulturszene in Brandenburg seit Mitte März zu schaffen. Droht dadurch das Aus? Mit Einfallsreichtum und Fördermitteln halten sich die Kreativen noch über Wasser. Von Josefine Jahn

Sein Koch ist gegangen, ebenso wie die Köchin in Ausbildung, die habe jetzt bei Amazon eine Stelle, erzählt Philipp Gärtner. "Ich kann denen gerade auch schlecht eine Perspektive bieten, wir sind halt ein Club." Die Rede ist vom in ganz Cottbus bekannten "Scandale", das erst vor einem Jahr am Bahnhof einen neuen Standort gefunden hat. Ein Ort zum Tanzen, Trinken, Feiern, für kleine Konzerte und Beieinandersitzen an der Bar.

Betreiber Philipp Gärtner hat Sofort- und diverse Überbrückungshilfen beantragt. Er sei damit bisher ganz gut gefahren, sagt er. Aber viele Gelder seien zweckgebunden. "Über das Programm Neustart Kultur haben wir eine neue Lüftungsanlage finanziert, damit alles Corona-konform ist, dafür sind wir auch echt dankbar", so Gärtner. Das Sofortprogramm wurde vom Bundesverband Soziokultur für Investitionen in Kultureinrichtungen gestartet, die von der Corona-Pandemie finanziell betroffen waren.

Club Kommission Cottbus gegründet

Gemeinsam mit anderen Kulturschaffenden hat Gärtner zu Beginn des Jahres die Club Kommission Cottbus gegründet. Der Verein war im Februar - unabhängig von der Pandemie – entstanden und konnte sich gleich beweisen: Hier soll Szenebegeisterten eine Plattform geboten werden, um gemeinsam eine lautere Stimme zu haben als allein.

Philipp Gärtner ist mit vielen Mitgliedern der Club Kommission in engem Austausch: Manche von ihnen hätten Überbrückungshilfen nur häppchenweise erhalten, andere mussten, wie Gärtner, Personal entlassen oder hätten sich vorübergehend selbst einen anderen Job gesucht, um über die Runden zu kommen. Bei manchen drohe, dass sie für immer schließen müssen. "Wir hoffen natürlich alle, dass wir irgendwann wieder öffnen können. Aber es ist unklar, ob das vor März möglich ist, wahrscheinlich erst wieder im Mai - und dann auch erstmal nur draußen", befürchtet Gärtner.

Eine von vielen Kneipen in Cottbus, der <<Seitensprung>>. Ob er sich von der Krise erholt, ist ungewiss. (Quelle: Josefine Jahn)
Bild: Josefine Jahn

Im Notfall Anlage und Auto verkaufen

Bis dahin könne man immer nur auf die Probleme aufmerksam machen. Das geschieht mit diversen Aktionen, etwa online-Streamings von Lesungen und kleinen Konzerten. "Am Anfang war das alles ganz cool und lief richtig gut", erinnert sich Philipp Gärtner. Doch langsam schäme man sich auch ein bisschen, immer den Fokus auf die Kultur zu legen. "Ich meine, die Krankenhäuser gehen gerade unter, da gibt’s einfach ganz andere Probleme", erklärt Philipp Gärtner.

Dennoch wünscht er sich eine direktere Kommunikation seitens der Politik: Bis wann ist voraussichtlich mit Schließungen zu rechnen und wieviel Geld stellt die Regierung für Ausfälle zur Verfügung? "Dann kann jeder nach seinen Fixkosten schauen und entscheiden, ob das Auto oder die Anlage noch verkauft werden müssen, oder eben nicht."

Fixkosten gerade noch gedeckt

In der Kulturmanufaktur Gerstenberg in Frankfurt (Oder) können Thomas Strauch und Linda Pickny die Fixkosten von 1.500 Euro monatlich gerade noch decken. Dank einer großzügigen Vermieterin, die ihnen ein Drittel der Miete erlässt und immer neuer Ideen, die die Betreiber sich einfallen lassen. Auch sie haben Konzerte online gestellt und um Spenden gebeten. "Als wir dann später auf’s Konto geguckt haben, waren wir überrascht, dass tatsächlich viele Leute was gespendet hatten", sagt Linda Pickny, die, wie ihr Partner, die Kultureinrichtung ehrenamtlich betreibt.

Soforthilfen haben die Betriebskosten bis einschließlich Juli gedeckt. "Eine für uns gute Hilfe", sagt der Berufsmusiker Strauch. Momentan seien sie zwar "knapp an der Kante", meint er, "aber wir haben immerhin keine Schulden und durch kleine Streamings kommt immer mal wieder was rein", sagt Strauch zuversichtlich. Auch wenn es hart sei, kämen sie die nächsten drei bis vier Monate noch zurecht, glaubt auch Linda Pickny.

Thomas Strauch bei einer Lesung, wie sie derzeit nur online stattfinden können. (Quelle: Kulturmanufaktur Gerstenberg)
Bild: Kulturmanufaktur Gerstenberg

Förderung der Stadt läuft weiter

Bessere Voraussetzungen hat da das Waschhaus in Potsdam. Die Konzert- und Kultureinrichtung ist staatlich subventioniert. "Für uns war 2020 ein dramatisches Jahr, weil wir keinen Spielbetrieb machen konnten", sagt Geschäftsführer Mathias Paselk - und setzt nach, dass er und seine 15 Mitarbeiter aber finanziell abgesichert seien und darüber hinaus im Gebäude einiges gemacht werden konnte: "Vom Malern bis hin zu der ein oder anderen Investition in die Technik."

Die Stadt Potsdam fördert kulturelle Einrichtungen weiter, auch wenn oder gerade weil diese keine Veranstaltungen bieten können. Besonders lobt Paselk die Corona-Kulturhilfen durch das Land Brandenburg. Rund 200.000 Euro sind dadurch in das Haus geflossen. "Für uns ein ganz entscheidender Punkt", sagt er, die Personalkosten und der zukünftige Spielbetrieb seien damit erst einmal gesichert. Er hofft, dass jene Kulturhilfen auch im kommenden Jahr fließen werden. Denn, was ihn und die nicht-subventionierten Kollegen im Osten und Süden Brandenburgs eint, ist der Wunsch nach Planungsunsicherheit. Hier in Potsdam setzt er – Stand jetzt – auf einen Neustart Mitte Mai.

Der Innenraum wurde erweitert, so ist mehr Platz um Abstände einhalten zu können. (Quelle: Kulturmanufaktur Gerstenberg)
Bild: Kulturmanufaktur Gerstenberg

Beitrag von Von Josefine Jahn

2 Kommentare

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  1. 2.

    Herablassender Kommentar, kann nur von jemand kommen der noch sichere Pfründe hat.

  2. 1.

    Konfuzius sagt: Jedem Ende wohnt ein neuer Anfang inne.
    Ich finde das daher gar nicht so schlecht, so wird Platz für andere, neue Ideen. Es bekommen mal andere eine Chance.
    Wenn es die Nachfrage gibt, dann werden auch wieder neue Hocker aufgestellt. Ich sehe nur ein klammern an Pfründen.
    Wenn die Kunden ihre Szenen erhalten wollen, dann sollen sie diese auch "pflegen" kleine Spende? Gutscheine?
    Ich habe zB 50 € an den Tierpark in Friedrichsfelde gespendet.. und was hast DUUU gemacht ?

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