Interview | Raubkunst im Humboldt-Forum - "Wieso hält man daran fest, diese Objekte auszustellen"

Do 17.12.20 | 19:46 Uhr
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14.02.2018, Hamburg: Drei Raubkunst-Bronzen aus dem Land Benin in Westafrika sind im Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) in einer Vitrine ausgestellt (Bild: dpa/Daniel Bockwoldt)
Audio: Radioeins | 17.12.2020 | Interview mit Tahir Della | Bild: dpa/Daniel Bockwoldt

Im Humboldt-Forum soll künftig auch Raubkunst ausgestellt werden. Schon vor der Teileröffnung am Mittwoch wurde kritisiert, dass dort ab Herbst 2021 die Benin-Bronzen präsentiert werden. Bewirkt hat das wenig, sagt Tahir Della von der Initiative "Schwarze Menschen in Deutschland".

rbb: Herr Della, was haben Sie bei der Eröffnung des Humboldt-Forums empfunden?

Tahir Della: Auf jeden Fall Ärger, dass dieser Bau nun wirklich eröffnet wird, dass man versucht, ihn möglichst publicity-wirksam zu eröffnen, trotz dieses holprigen Starts aufgrund von Covid. Natürlich ist es aus meiner Sicht ein Rückschritt, totz des Prozesses, sich mit der Kolonialvergangenheit zu beschäftigen. Wir denken, dass die Errichtung dieses Baus ein großer Fehler war.

Generalindentdant Hartmut Dorgerloh sagte am Donnerstag, dass das Humboldt-Forum die Verpflichtung fühlt, sich für demokratische Werte, Freiheit und Toleranz einzusetzen. Haben die Verantwortlichen Ihrer Meinung nach ein ehrliches Interesse, die koloniale Geschichte aufzuarbeiten?

Nicht wirklich. Alles was im Kontext des Humboldt-Forums von den Verantwortlichen auf den Weg gebracht wurde, findet nur statt, weil die Zivilgesellschaft seit Jahren diesen Bau kritisiert – sowohl das Vorhaben als auch die Konzeption. Man versucht jetzt, auf diesen Druck zu reagieren. Aber ich fürchte, das Kind ist in den Brunnen gefallen. Ich glaube nicht, dass das wirklich funktionieren wird.

Große Kritik gibt es eben auch an den Benin-Bronzen. Nigeria fordert seit vielen Jahren die Rückgabe von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, unterstützt vom internationalen Museumsrat. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat im rbb gesagt, dass zu Unrecht erworbene Stücke aus der Kolonialzeit an ihre Herkunftsländer zurückgegeben werden. Im Humboldt-Forum könne man dann die Geschichte der entstehenden Leerstellen erzählen. Glauben Sie das?

Es sieht nicht so aus. Die Stiftung hat bisher noch nicht richtig darauf reagiert. Ich frage mich: Wieso ist bislang nichts passiert? Wieso hält man noch immer daran fest, diese Objekte auszustellen? Anstatt in den Prozess zu gehen, Objekte zurückzugeben oder den Herkunftsländern anzubieten und zu sagen: 'Wir haben diese Objekte und sind bereit, sie zurückzugeben, wenn nachgewiesen werden kann, dass es eben Raubgut ist.' Und bei den Benin-Bronzen ist das der Fall.

War es zu wenig, was bislang beschlossen wurde?

Aus meiner Sicht: ja. Es zeigt, dass nicht wirklich der Wille da ist, sich mit dem Thema umfassend zu beschäftigen. Die Kosten, die hier entstanden sind, hätte man besser investieren können - in Provenienzforschung [Geschichte der Herkunft von Kulturgütern, Anm.d.Red.], in die Rückgabe der Gebeine, die noch immer in den Depots der Stiftung lagern, die im Zuge der rassistischen Forschung nach Berlin kamen. Es gibt sehr viel mehr Möglichkeiten, dieses Geld auszugeben, anstatt diesen Bau zu errichten.

Die Benin-Bronzen sind nur die Spitze des Eisbergs. Laut Kunstexperten stehen mindestens 80 Prozent des kulturellen Erbes Afrikas in europäischen Museen. Was muss generell passieren?

Es muss der Wille erkennbar sein, kulturelles Raubgut aus der Kolonialzeit zurückzugeben. Was danach passiert, das muss man mit den Herkunftsländern aushandeln, etwa gemeinsame Ausstellungen oder Zirkulation. Alle Dinge, die teilweise schon im Gespräch sind, können dann diskutiert werden. Aber das Eingeständnis, dass deutsche Museen nicht rechtmäßige Besitzerinnen sind, das muss endlich raus.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mit Tahir Della sprach Julia Vissmann für Radioeins. In diesem Beitrag wurde das Interview redaktionell bearbeitet. Das Originalgespräch können Sie mit Klick auf das Audiosymbol im Aufmacherfoto nachhören.

16 Kommentare

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  1. 16.

    Schön, dass das Schloss nun fertig ist. Eine Perle in der Mitte Berlins ist wieder erstanden, danke den Initiatoren. Es ist wieder zurückgekehrt, was die Kommunisten in ihrem Wahn vernichtet hatten.
    Das dafür der „Ballast“ weichen musste ist doppeltes Glück.
    Wenn nun alles zurückgeführt werden soll, dann ist es doch Recht und billig, dass die Forderländer, die damals entstandenen Kosten der archäologischen Sicherungen zurückzahlen, das wäre ausgleichende Gerechtigkeit.

  2. 15.

    Macht kopien, welche man dann auch kaum von den Orginalen unterscheiden kann und schickt die Orginale zurück. 99 % der Besucher würden nichts merken. Aber offensichtlich lebt der Kulturbetrieb vom Exklusiven, auch wenn es auf Raub basiert. Warum man mehr als 1.000.000.000 € für den Quatsch aufwenden musste, begreift nur unsere Elite. Ich hätte lieber gefeiert, das benachteiligten Kinder zukünftig sorgenfrei leben könnten.

  3. 14.

    Warum schreiben hier nicht die Kleingartenvereine , sondern schicken ihre Mitglieder einzeln vor?

  4. 13.

    Im Palast der Republik war dafür kein Platz...

  5. 12.

    Ich verstehe nicht, warum man sich auf diese mühsamen, zeitraubenden Diskussionen mit den Herkunftsländern einlässt. Schickt doch alles, was gefordert wird, einfach zurück; die betreffenden Länder denken sich ihre Ansprüche ja nun auch nicht aus! Und schon könnten sehr viele "Kulturverwaltungsmenschen" endlich sinnvollere Arbeit betreiben als dieses jahrzehntelange Tauziehen.
    Und Nigeria zum Beispiel wird auf seine wertvollen Bronzen schon aufpassen - und wenn nicht, hatten wir jedenfalls nichts mehr damit zu tun. Was für ein Glück!

  6. 11.

    Den Menschen steht ja wohl ihr kulturelles Erbe zu. Vor allem wenn es durch uns geklaut wurde. Und gerade jetzt ist die beste Zeit sowas aufzuarbeiten. Wann hätten es denn sonst gesehen sollen zu Zeiten vom Kaiserreich oder während des Dritten Reiches oder während Deutschland nach dem 2 Weltkrieg gespalten war. Da hatten die Menschen bestimmt richtig gute Chancen Forderungen an ihr kulturelles Erbe zu stellen.
    Wir leben jetzt in einer Zeit wo die Deutschen sich bewußt werden über Ihre Schuld und nicht mit einer Arroganz auftreten sollten das die bestohlen Völker ja eh nichts machen können außer bitten.
    Wir sind so ein mächtiges Land das keines der bestohlen Völker ein Druckmittel aufbauen kann. Es muss einfach hoffe das wir so nett sind...und das sollten wir genau jetzt tun. Unsere Museen haben ja wohl auch noch der Rückgabe der Kunst noch genug auszustellen. Und wer weiß vielleicht bekommen wir ja dann auch wieder ein paar Stücke als Leigabe zurück.

  7. 10.

    tja, wir haben es offensichtlich mit Leuten wie Ihnen zu tun, die das alte am liebsten unter den Teppich zu kehren versuchen um aus den Fehlern der Vergangenheit nix lernen müssen - wem solch ein Verhalten nützt, könnten wir in den Geschichtsbüchern nachlesen, aber dafür müssten wir wohl ihrer Meinung nach "wirklich extreme Langeweile" haben um "in der Geschichte rumzuwühlen" und einen Satz wie folgenden von George Santayana zu finden; “Those who cannot remember the past are condemned to repeat it” ( „Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen“).

  8. 9.

    Die Geschichte wird durch diesen Klotz wieder aufgewühlt - und das macht sicher keinen Spaß. Man kann Vergangenhait nicht wegwischen - oder wie hätten Sie´s denn gerne? Einfach mal eben als nicht passiert deklarieren? Das ist noch ein Tüpfelchen auf dem i unserer gegenwärtigen Probleme.

  9. 8.

    Für den Bonzenbau gibt es gar keine Verwendung, da müssen eben andere Museen geplündert werden. Mit dem ganzen Geld für die Schlossattrappe hätte wir besser jedem Kind einen Platz im Kindergarten verschafft.

  10. 7.

    Erst die nazi-zeit, jetzt der Kolonialismus . Man wir leben heute. Kann mal jemand aufhören in der Geschichte rumzuwühlen um die bösen Deutschen wieder an den Pranger zu stellen. Wir haben es heute wirklich mit anderen Dingen zu tun. Da hat man jemand wirklich extreme Langeweile.

  11. 6.

    Rückgabe ohne nutzlose Verhandlungen zur Ausstellung "oder Zirkulation". Will man etwa den Ländern, denen diese Stücke zustehen, auch noch Druck machen? Das wäre lächerlich. Mehr Demut täte gut. Denn das Unrecht, was den Ländern an anderer Stelle geschah, ist nicht gut zu machen. Dies ist und bleibt ein schädliches Erbe, mit dem man sich endlich mal öffentlich auseinandersetzen muss, wie dies Australien so offen tätigt.

  12. 5.

    Schon die Bearbeitung der Kriegsverluste hat den Berliner Museumsleuten (wie auch anderen) keine Freude bereitet. Der große Bestand des Völkerkundemuseums ist mindestens zur Hälfte Kriegsverlust. Und nun verlangt man die Rückgabe afrikanischer Kunst. Das sind wenig ruhmbringende Arbeiten. Außerdem scheint es einen gewichtigen Unterschied zu geben, wer Kunstgut zurückfordert.
    Man denke an den Welfenschatz.
    Ich bin das Gezerre um Kunstgüter leid und schlage vor, daß alle nicht einheimischen Kunstwerke an das Ursprungsland zurückgegeben werden, wenn sich nicht schnell und eindeutig belegen läßt, daß die Werke dem Museen zu Recht gehören. Das müßte dann gerechterweise für alle Staat und Privatpersonen gelten, selbstverständlich. Dann wären wohl auch das Britische Museum, der Louvre und viele, viele andere Museen und Sammlungen gut geleert.
    In das Berliner Schloß kommen historische Raumrekonstruktionen(das wird einTouristenmagnet) und die Stadtbibliothek.

  13. 4.

    Ja, deswegen wollten diesen Bau auch eine Mehrheit der Berliner nicht. Bzw hofften auf den Erhalt des Palasts der R.
    Weil die Mehrheit der Berliner sich sehr wohl über die Vergangenheit bewusst sind und keine Lust haben sich Beutekunst anzusehen. Statt dessen werden über 666 Millionen Euro für ein Schloss ausgegeben, und um dem ganzen einen ´fortschrittichen Touch´(ist ja nun auch icht mehr der Jüngste)zu geben, nennt man das dann Humbolt Forum. Ich kann die Enttäuschung von Herrn Della verstehen. Eigentlich mehr ´ne Art kulturelle Touristenattraktion und Prestigeobjekt. Nicht zu vergleichen mit der Nutzbarkeit des Palasts der R.!
    Ich hoffe, dieser rückwertsgewandte, indoktrinierender Spruch da oben, bleibt nicht lange stehen!

  14. 3.

    "Raubkunst im Humboldt-Forum" - Kindas, Kindas lässt das bloß nicht den falschen Clan hören, die fühlen dich doch glatt herausgefordert!
    Mann stelle sich das mal als Kettenreaktion vor:
    Raubkunst wird aus dem Humnoldt-Forum geraubt und zur Tarnung mit einem Geldtransporter abtransportiert, der dann versehentlich auch wieder ausgeraubt wird...
    - obwohl, es heißt ja "OK", also "organisierte Kriminalität", die bekommen das schon organisiert. Ist dem Humboldt-Forum ja auch gelungen...

  15. 2.

    Dann wird der Kasten seinem Ruf ja gerecht. Das Gedenken an Preußen wird hochgehalten. Aber Hauptsache einen soziistischen Bau geschliffen.

  16. 1.

    Dann wird der Klotz aber recht leer werden.

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