Interview | Raubkunst im Humboldt-Forum - "Wieso hält man daran fest, diese Objekte auszustellen"
Im Humboldt-Forum soll künftig auch Raubkunst ausgestellt werden. Schon vor der Teileröffnung am Mittwoch wurde kritisiert, dass dort ab Herbst 2021 die Benin-Bronzen präsentiert werden. Bewirkt hat das wenig, sagt Tahir Della von der Initiative "Schwarze Menschen in Deutschland".
rbb: Herr Della, was haben Sie bei der Eröffnung des Humboldt-Forums empfunden?
Tahir Della: Auf jeden Fall Ärger, dass dieser Bau nun wirklich eröffnet wird, dass man versucht, ihn möglichst publicity-wirksam zu eröffnen, trotz dieses holprigen Starts aufgrund von Covid. Natürlich ist es aus meiner Sicht ein Rückschritt, totz des Prozesses, sich mit der Kolonialvergangenheit zu beschäftigen. Wir denken, dass die Errichtung dieses Baus ein großer Fehler war.
Generalindentdant Hartmut Dorgerloh sagte am Donnerstag, dass das Humboldt-Forum die Verpflichtung fühlt, sich für demokratische Werte, Freiheit und Toleranz einzusetzen. Haben die Verantwortlichen Ihrer Meinung nach ein ehrliches Interesse, die koloniale Geschichte aufzuarbeiten?
Nicht wirklich. Alles was im Kontext des Humboldt-Forums von den Verantwortlichen auf den Weg gebracht wurde, findet nur statt, weil die Zivilgesellschaft seit Jahren diesen Bau kritisiert – sowohl das Vorhaben als auch die Konzeption. Man versucht jetzt, auf diesen Druck zu reagieren. Aber ich fürchte, das Kind ist in den Brunnen gefallen. Ich glaube nicht, dass das wirklich funktionieren wird.
Große Kritik gibt es eben auch an den Benin-Bronzen. Nigeria fordert seit vielen Jahren die Rückgabe von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, unterstützt vom internationalen Museumsrat. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat im rbb gesagt, dass zu Unrecht erworbene Stücke aus der Kolonialzeit an ihre Herkunftsländer zurückgegeben werden. Im Humboldt-Forum könne man dann die Geschichte der entstehenden Leerstellen erzählen. Glauben Sie das?
Es sieht nicht so aus. Die Stiftung hat bisher noch nicht richtig darauf reagiert. Ich frage mich: Wieso ist bislang nichts passiert? Wieso hält man noch immer daran fest, diese Objekte auszustellen? Anstatt in den Prozess zu gehen, Objekte zurückzugeben oder den Herkunftsländern anzubieten und zu sagen: 'Wir haben diese Objekte und sind bereit, sie zurückzugeben, wenn nachgewiesen werden kann, dass es eben Raubgut ist.' Und bei den Benin-Bronzen ist das der Fall.
War es zu wenig, was bislang beschlossen wurde?
Aus meiner Sicht: ja. Es zeigt, dass nicht wirklich der Wille da ist, sich mit dem Thema umfassend zu beschäftigen. Die Kosten, die hier entstanden sind, hätte man besser investieren können - in Provenienzforschung [Geschichte der Herkunft von Kulturgütern, Anm.d.Red.], in die Rückgabe der Gebeine, die noch immer in den Depots der Stiftung lagern, die im Zuge der rassistischen Forschung nach Berlin kamen. Es gibt sehr viel mehr Möglichkeiten, dieses Geld auszugeben, anstatt diesen Bau zu errichten.
Die Benin-Bronzen sind nur die Spitze des Eisbergs. Laut Kunstexperten stehen mindestens 80 Prozent des kulturellen Erbes Afrikas in europäischen Museen. Was muss generell passieren?
Es muss der Wille erkennbar sein, kulturelles Raubgut aus der Kolonialzeit zurückzugeben. Was danach passiert, das muss man mit den Herkunftsländern aushandeln, etwa gemeinsame Ausstellungen oder Zirkulation. Alle Dinge, die teilweise schon im Gespräch sind, können dann diskutiert werden. Aber das Eingeständnis, dass deutsche Museen nicht rechtmäßige Besitzerinnen sind, das muss endlich raus.
Vielen Dank für das Gespräch.
Mit Tahir Della sprach Julia Vissmann für Radioeins. In diesem Beitrag wurde das Interview redaktionell bearbeitet. Das Originalgespräch können Sie mit Klick auf das Audiosymbol im Aufmacherfoto nachhören.