Musikfestivalauftakt bei Drebkau - Kampf der "Wilden Möhren"

Das Festival Wilde Möhre bei Drebkau startet am Freitag - anders als viele andere Kulturveranstaltungen hat es es geschafft, auch im zweiten Pandemie-Sommer unter Schutzmaßnahmen stattfinden zu können. Der Weg dahin war steinig. Von Lisa Spöri
Beim Wilde-Möhre-Festival treffen seit 2013 an einem Sommerwochenende elektronische Musik, Kleinkunst, Theater und zahlreiche Workshops aufeinander. Auch in diesem Jahr soll das Festival in Göritz bei Drebkau (Spree-Neiße) wieder auf die Beine gestellt werden. Daran arbeiten die Veranstalter seit Monaten mit Hochdruck.
Bereits im vergangenen Jahr bewiesen sie, dass ein pandemie-konformes Festival möglich ist. Dieses Jahr findet das Festival statt an einem an insgesamt vier Wochenenden im Juli und August statt. Um die Anzahl der Besucher*innen möglichst klein zu halten, wird die Wilde Möhre also zu den Wilden Möhren. Nur war das bis zum Schluss eine Zitterpartie.
Existenzängste der Veranstalter
Alexander Dettke, Mitgründer des Festivals, ist die Anspannung anzumerken. Die Organisation war in diesem Jahr besonders schwierig. "Wir haben jetzt wochenlang darum gekämpft, mehr als 1.000 Gäste zu bekommen", erzählt Dettke. Maximal 1.000 Menschen auf Großveranstaltungen - so sieht es die aktuelle Umgangsverordnung des Landes vor. Von der Genehmigung der Besucher*innenzahl hängt für die Veranstalter jedoch viel ab. Nicht nur weil rund 3.000 Tickets im letzten Jahr aufgrund der Pandemie in Ticketgutscheine umgewandelt wurden, die nun darauf warten, eingelöst zu werden.
Normalerweise verzeichnet die "Möhre" eine Besucher*innenzahl um die 7.000. Sollte es bei der Gästezahl von maximal 1.000 pro Veranstaltung bleiben, bedeutet das enorme Verluste. "Wir müssen natürlich wissen, für wie viel Menschen bauen wir die Infrastruktur. Man macht Verträge mit Dienstleistenden und das kann man nicht eine Woche vorher ändern", erzählt Dettke. "Wir haben Infrastruktur für zwei bis 3.000 Menschen gebaut und wenn es eben nur 1.000 werden, dann machen wir gigantische Verluste." Für Dettke und sein Team sorge das nicht nur für enorme Anspannung, sondern auch für konkrete Existenzangst.

Genehmigungen kommen zu spät
Erst am 6. Juli verkündete die Brandenburger Staatskanzlei ein bundesweites Vorgehen: Unterhalb einer Sieben-Tage-Inzidenz von 35 seien Großveranstaltungen mit bis zu 25.000 Gästen erlaubt. Für viele Festivals kam das jedoch zu spät. So wurde beispielsweise erst einige Tage vorher das Feel-Festival abgesagt. Und auch für die Möhren-Wochenenden ist das erstmal kein Grund zum Aufatmen. Die Brandenburger Landesregierung verlängerte nämlich ihre Maßnahmen bis zum 31. Juli. Grund dafür seien die Delta-Variante und das nachlassende "Impftempo", hieß es in einer Pressemittteilung vom 9. Juli.
"Für uns ist es ein Schlag ins Gesicht, dass die Umgangsverordnung einfach weiter verlängert wurde und wir weiterhin im Ungewissen sind", sagt Dettke. Die ersten beiden Festivalwochenenden können nun lediglich mit 1.000 Teilnehmer*innen stattfinden. Was für die Veranstaltungen im August gelte, sei aber noch völlig unklar. Man sei zwar inzwischen mit dem Gesundheitsministerium und dem Wirtschaftsministerium im Gespräch, um eventuell als Modellprojekt eine höhere Besucherinnen*zahl genehmigt zu bekommen, die Unsicherheit ist jedoch groß.

Ampeln auf dem Dancefloor und alle 24 Stunden Tests
Und das obwohl das Festival im letzten Jahr Vorbildcharakter hatte, wie auch das Gesundheitsamt bestätigte, nachdem es zehn Stunden vor Ort war. Die Veranstalter hatten sich kreative Schutzmaßnahmen einfallen lassen, wie zum Beispiel Ampeln auf der Tanzfläche: Wenn Menschen ohne Maske tanzten, schaltete sie auf Orange und die Musik wurde leiser, waren es zu viele unmaskierte Tänzer, schaltete sie auf Rot und die Musik ging aus. Wozu es allerdings nie kam, weil die Maskenpflicht befolgt wurde. Hinzu kommt in diesem Jahr eine umfangreiche Teststrategie – alle 24 Stunden wird jede*r getestet.
Dettke hat daher wenig Verständnis für die Beschränkung. "Man hat sehr sehr viele Bereiche gelockert", sagt er. "Junge Menschen feiern jetzt in Parks. Die Polizei selbst sagt, dass man Angebote für die jungen Menschen schaffen muss […] und wir sind diejenigen, die einen sehr guten Rahmen dafür bieten können, weil wir eben die Kontaktnachverfolgung haben, wir haben die Tests, wir haben die ganzen Hygienemaßnahmen auf dem Platz."
"Was wir dieses Jahr erleben, ist extrem enttäuschend"
Letztlich hängt für Festivals wie die Wilde Möhre viel von den Verordnungen der lokalen Gesundheitsämter und Länder ab. Mit so viel Ungewissheit ein Festival zu planen und zu realisieren, sei riskant und zermürbend. "Das ist unendlich frustrierend und leider vielleicht auch letzten Endes der Sargnagel für unsere Branche, weil ich nicht weiß, wie wir das überleben sollen und wie viele andere das überleben", sagt Dettke.
Für ihn und sein Team ist das ein besonders harter Festival-Sommer: "Das, was wir dieses Jahr erleben, ist extrem enttäuschend." Nun heißt es: Abwarten und die Gäste immer wieder vertrösten. Am Freitag, wenn das Festival beginnt, wissen sie immer noch nicht, wie viele Tickets sie für die Wochenenden im August verkaufen dürfen. Es bleibt eine Zitterpartie.
Info: Das Wilde Möhre Festival findet vom 16. -19. Juli, 23. – 26. Juli, 6. – 9. August und 13. – 16. August statt. Mehr dazu auf https://wildemoehrefestival.de/
Sendung: rbb Kultur, 15.07.2021, 17 Uhr