Theaterkritik l "Mord im Orientexpress" am Schillertheater - Endlich wieder gemeinsam und gleichzeitig lachen

So 25.07.21 | 12:50 Uhr
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Katharina Thalbach bei der Fotoprobe zum Theaterstück 'Mord im Orientexpress' in der Komödie am Kurfürstendamm im Schiller Theater. Quelle: Sebastian Gabsch/dpa
Bild: Sebastian Gabsch/dpa

Katharina Thalbach spielt in "Mord im Orientexpress" den Meisterdetektiv Hercule Poirot und hat für das Bühnenstück Regie geführt. Sie hatte ein "großes Kriminalspektakel" angekündigt. Anke Schaefer urteilt: Dieses Versprechen hält sie.

Großer Applaus für Katharina Thalbach und das Ensemble, zum Schluss und auch zwischendrin: Ja, der Abend ist genau das große Kriminalspektakel, das Thalbach angekündigt hat. Nicht, dass große Extravaganzen oder nie gesehene Überraschungen geboten würden, aber dies ist ein einfach gut gemachtes Komödienspektakel. Und Katharina Thalbach ist natürlich ein herrlicher Hercule Poirot.

Spielend in Männerrollen

"Oh Gott, ich wäre endlich auch gerne mal ein Detektiv!" – das hat Katharina Thalbach in rbb-Inforadio vor der Premiere gesagt und weil Miss Marple im Kino durch die große Margaret Rutherford schon besetzt sei, habe sie sich eben Hercule Poirot ausgesucht.

In Männerrollen ist sie in ihrer Karriere immer wieder geschlüpft, das gelingt ihr spielend. Das schwierigste sei gewesen, so hat sie es mal dem Magazin "Bunte" gesagt, als sie etwa 2012 als Preußischer König, als "Alter Fritz" zu sehen war: "Die Brustquetsche". Ihre Brust werde weggequetscht, und mit einer Art Bauch kaschiert. So auch jetzt. Dazu der Schnauzer, die Perücke, der Gehstock.

Ihre kleine Statur, ihre schnarrende Stimme - es ist, als wäre sie schon immer dieser kauzige Meisterdetektiv gewesen, als habe sie schon immer näselnd zwischen Deutsch und Französisch changiert und den klugen Kopf geschüttelt über diese mörderische Welt.

Die Schauspieler Katharina Thalbach (r, als Privatdetektiv Hercule Poirot) und Toibas Bonn und Tänzer sind bei einer Fotoprobe zu «Mord im Orientexpress» auf der Bühne des Schillertheaters. Die Premiere, die nun für den 24. Juli 2021 geplant ist, war wegen der Pandemie bereits längere Zeit verschoben worden. Quelle: Jörg Carstensen/dpa
Bild: Jörg Carstensen/dpa

Theaterfassung des Klassikers mit guter Musik

Als eine Art Zeremonienmeister tritt sie beziehungsweise er zu Anfang vor den roten Vorhang und sagt: "Mesdames et Messieurs, Sie erleben heute Abend eine Geschichte voller Tragik, es geht um Mord. Immer da, wo die menschliche Natur am Werk ist, da gibt es ein Drama. Aber das Leben ist wie ein Eisenbahnzug, es geht weiter und weiter und weiter ..."

Als dann der Orientexpress, der Istanbul gerade verlassen hat, vor Belgrad in einer Schneewehe stecken bleibt, geschieht der schreckliche Mord. Alle sind in Schockstarre. Das ganze Ensemble (in dem auch Anna und Nellie Thalbach – also Tochter und Enkeltochter von Katharina – mit von der Partie sind), die Prinzessin, der Colonel, der Schaffner – sie alle geraten in Poirots Visier und wirken dabei grotesk, überspannt, verrückt.

2017 wurde der Stoff zuletzt verfilmt, diese Theaterfassung hat der amerikanische Dramatiker Ken Ludwig geschrieben, Katharina Thalbach hat sie bearbeitet und besonders schön sind (wenn auch nicht immer hundertprozent verständlich) die Songs.

Immer auf den Punkt

In einer von Christopher Tölle erarbeiteten Choreografie singen die elf Fahrgäste und der Schaffner, sie tanzen, sie stürmen herein und hinaus und hin und her – so wie es sich für eine gute Komödie gehört: Immer auf den Punkt.

Das alles im beeindruckenden Bühnenbild von Momme Röhrbein. Zuerst sehen wir den Zug von außen, bis er dampfend und zischend abfährt, wofür er zu Recht einen Szenenapplaus bekommt. Dann sehen wir eine zweistöckige Szenerie: Unten die Mord-Bar, oben drüber die Luxus-Abteile, die – je nachdem, wie sie gebraucht werden – von außen oder innen sichtbar werden.

Gemeinsam lachen hat etwas Befreiendes

Agatha Christie hätte ihre Freude gehabt. Komödiantisches Talent haben sie hier alle. Sie platzen vor Spaß an der Show. Das Schönste aber ist vielleicht, dass sie überhaupt stattfinden konnte, diese Premiere.

Nach so langer Zeit der Theater-Entbehrung, nach so vielen verschobenen Terminen wirkt es wie ein Wunder, dass nun glitzernder Theaterschnee endlich über dieser Bühne nieder gehen kann, die Pailletten scheinen heller zu funkeln als je zuvor und die Erfahrung, wieder gemeinsam und gleichzeitig in einem Raum über Gags zu lachen, die hat etwas ungemein Befreiendes. Hoffentlich kann es so bleiben.

Sendung: rbb Kultur, 25.07.2021, 6:55 Uhr

3 Kommentare

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  1. 3.

    Ich verstehe Ihren Kommentar irgendwie nicht. Waren Sie denn da oder suchen Sie nur einen Grund zum Nörgeln? Es ist ja nicht so, dass es seit letztem Frühjahr überhaupt keine Kultur gab. Ich habe in der Zeit mindestens fünf Stücke in einem Freilichttheater gesehen, war in Ausstellungen und bei Lesungen. Alles etwas kleiner als gewohnt, aber dennoch gut. Den kleinen Umstand, mich vorher testen zu lassen, konnte ich verschmerzen. Früher musste ich stattdessen oft vorher zur Theaterkasse, was ich mir dank Internet jetzt sparen kann. Kultur sind auch nicht nur Veranstaltungen. In Berlin gibt es jede Menge Kultur zu sehen, umsonst und draußen.

  2. 2.

    Ich war am Freitag zur Vorpremiere da und fand es großartig. Das Ticket hatte ich ja schon im letzten Jahr gekauft, aber dann kam bekanntermaßen der Lockdown. Bis auf die Plätze, die nicht besetzt werden durfte, war das Theater wohl ausverkauft. Es wirkte jedenfalls nicht leer. Eine gute Idee waren die zusätzlichen Imbiss- und Getränkestände vor dem Theater, sodass sich auch in der Pause keiner drängeln musste. Die Geschichte die erzählt wurde, ist allgemein bekannt und so konnte man sich auf das großartige Bühnenbild mit mehreren Ebenen, die schönen Kostüme und die wunderbaren Darsteller und Tänzer konzentrieren, allen voran Katharina Thalbach. Ich finde jedes Mal unglaublich, was für eine Bühnenpräsenz so eine kleine Person haben kann. Ich habe den Abend jedenfalls sehr genossen und die anderen Zuschauer sichtlich auch.

  3. 1.

    "Endlich wieder gemeinsam und gleichzeitig lachen" - Sehnsucht nach dem "jesunden Volksempfinden", wa? Das ist allenfalls ein Randbereich dessen, was man als "Kultur" noch eben feiern könnte; lässt sich aber problemlos vom Band substituieren :)

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