Frühkritik | Pop-Kultur Festival 2021 - Wo Technobeats auf diskursive Tischtennisplatten treffen

Do 26.08.21 | 08:45 Uhr
Studio 21 bei Popkultur Festival 2021
Audio: Inforadio | 26.08.2021 | Hendrik Schröder | Bild: Hendrik Schröder

Das Berliner Pop-Kultur Festival ist eine Mischung aus Konzertreihe, Clubevents, Kunst und Diskussion. Seit 2015 werden hier neue Trends ausgelotet und popkulturelle Diskurse geführt - mit teils sehr abgedrehten Installationen. Von Hendrik Schröder

Man weiß gar nicht, wo man zuerst hingehen soll: Fünf bis sechs Veranstaltungen, Konzerte und Auftritte finden auf dem Gelände der Kulturbrauerei gleichzeitig statt. Das Programm des Pop-Kultur Festivals ist dicht und vielfältig.

Das Musikbiz feiert mit - ein bisschen

Den Anfang macht die Sängerin Kaleo Sansaa. Sie spielt in einem weißen Pavillon mitten auf dem gepflasterten Hof der alten Brauerei. Und das ist nicht einfach: Es stehen hauptsächlich Leute vor der Bühne, die eher nach Musikbusiness und Kulturbetrieb aussehen: Nicht mehr ganz jung, aber coole Schuhe und unkonventioneller Haarschnitt, ins Gespräch vertieft mit anderen Auskennern und nur nebenbei gen Bühne linsend. Aber Kaleo Sansaa nimmt das völlig ungerührt hin, ihre DJ treibt ein paar Beats aus dem Laptop, futuristisch, minimalistisch und die Sängerin zieht selbstbewußt ihr Set durch.

Zeitgleich, fünfzig Meter weiter in der hölzernen "Caystube": Adir Jan und Emrah Gökmen sitzen in neongrellen Sportsachen und Turnschuhen auf der Bühne und spielen mit Gitarre und Laute einen "kosmopolitischen und kurdesken Sound", wie sie es selbst nennen. Outfit und Musik wollen so gar nicht zueinander passen, aber gerade das macht den Auftritt ziemlich cool.

Tischtennisplatte mit Diskokugel beim Popkultur Festival 2021
| Bild: Hendrik Schröder

Ist das Kunst oder kann ich das benutzen?

Gegenüber von der Caystube steht auf einer kleinen Empore eine Tischtennisplatte, Schläger und Bälle liegen darauf. Eine Diskokugel hängt darüber, eine Lichtanlage links und recht, Sounds kommen aus Boxen. Eine Kunstinstallation von Mars Dietz sei das, verrät das Programm, eine "Auseinandersetzung mit den uns umgebenenden Orten und gesellschaftlichen Dynamiken". Zwei Typen kommen vorbei, gucken kurz unsicher, ob man das benutzen darf, und spielen dann einfach eine Runde Tischtennis. Aber genau das ist wohl gemeint.

Währenddessen bollern aus dem Soda Club derbste Technobeats. Drinnen ist es dunkel, nur ein paar Lichter flackern, ein paar Leute hocken mit Drinks in der Hand auf Sitzsäcken. In einem gläsernen Minitanzflächenkokon über dem Raum tanzt eine Frau, an einer Stange noch eine - im Mieder. Der DJ trägt obenrum nur Hosenträger. Zwei Dutzend Gestalten winden sich im Trockeneisnebel zu der Musik und juchzen und schreien. "Studio 21 - ein immersiver Club" heißt die Aktion. Die 21 spielt an auf Trisomie 21, denn dieser temporäre Club ist komplett inklusiv besetzt. vom DJ bis zur Thekenkraft. Es sieht ein bisschen aus wie nachgespielter Hedonismus, aber die hemmungslose Tanzerei steckt an.

Interaktive Instrumente aus Pappe

Langsam suchen die Leute Schutz vor dem beginnenden Regen. Die Liegestühle im aufgeschütteten Sand vor der großen Videowand, auf der Teile der Konzerte übertragen werden, sind schnell verwaist. Aber es gibt noch etwas zu sehen: Ein begehbares Rieseninstrument, auf dem jeder einfach spielen kann. Aus zwei monströsen Türmen aus Pappe gebaut steht es vor dem Panda Theater in einem Hinterhof. Darin eingearbeitet sind Mikrofone, die das Rascheln, Klopfen, Hämmern und Kratzen abnehmen, über ein Mischpultauf die Kopfhörer schicken, die man am Eingang ausleihen kann. Wirklich crazy und klug gemacht: Ein beeindruckender Auftakt der Pop-Kultur 2021.

Sendung: Inforadio, 26.08.2021, 7:00 Uhr

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