Ethnologisches Museum - Humboldt-Forum eröffnet Ausstellungen zu kolonialem Erbe

Di 21.09.21 | 06:06 Uhr | Von Maria Ossowski
  5
Ein Hochsee-Segelboot aus dem Jahr 1895 von der Insel Luf ist am 20.09.2021 im Humboldt Forum ausgestellt. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Audio: Inforadio | 20.09.2021 | Maria Ossowski | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Eröffnung im Humboldt-Forum: Ab Donnerstag sind auch das ethnologische Museum und das Museum für asiatische Kunst für die Öffentlichkeit zugänglich. Um viele der Objekte gab es wegen deren kolonialer Herkunft Diskussionen. Von Maria Ossowski

Das Humboldt Forum mit Schätzen der Weltkulturen aus Afrika, Asien, Amerika und Ozeanien ist ein gigantisches Projekt – und sehr viel mehr als ein Museum. "Wir eröffnen eine Ausstellungsfläche, die so groß ist wie die Ausstellungsfläche des Alten Museums", sagt Chefrestaurator Toralf Gabsch. Nach seinen angaben gibt es 4.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche im Westflügel des zweiten und dritten Stocks. Insgesamt gebe es dort circa 3.000 Museumsobjekte, die in den letzten zwölf Jahren bearbeitet worden seien, so Gabsch. Und bis zum Sommer des kommenden Jahres sollen im Humboldt-Forum 27.000 Museumsobjekte präsentiert werden.

Die Exponate erzählen Geschichten von damals und heute, davon, wie sie nach Europa gelangten und was sie noch heute für die Menschen in den Herkunftsländern bedeuten.

Die Diskussion um Kolonialgeschichte und koloniale Verbrechen begleitet das Humboldt Forum seit Jahren. Der Umgang mit dieser Thematik steht deshalb im Zentrum fast aller aktuellen Debatten. In den Ausstellungen ist es gelungen, diese Thematik informativ und unverkrampft zu erzählen. Medienstationen und elliptischer Hörraum klären auf. Die Kunstwerke, um die es dabei geht, sind einzigartig.

Ein als Kunstwerk gestaltetes Kleid der namibischen Modekünstlerin Cynthia Schimming ist am 20.09.2021 im Humboldt Forum ausgestellt. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
| Bild: dpa/Jörg Carstensen

Cynthia Schimming aus Namibia entwarf beispielsweise ein Kleid und eine Stoffschleppe mit der Fotogeschichte des Landes. Der berühmte Architekt Wang Shu hat einen alten chinesischen Thronsaal neu gestaltet. Auf diese Weise treten die historischen Exponate in den Dialog mit moderner Kunst. Die Atmosphäre der Themenräume bleibt gewahrt, die Exponate sind nicht mit zu viel Text überfrachtet.

Wie sollen wir außereuropäische Kunstwerke betrachten, das fragt zu Beginn der Raum "Ansichtssachen". Die These dabei sei, dass das, was wir wissen und das, was wir glauben, das unsere Wahrnehmung beeinflusse, sagt Intendant Hartmut Dorgerloh. Das soll den Besuchern deutlich gemacht werden.

Boot von der Insel Luf bleibt in Berlin

Besonders aufsehenerregend, aber auch umstritten, ist die Präsentation eines Bootes aus Papua-Neuguinea: Das Luf-Boot ist 15 Meter lang, prachtvoll verziert, ein vollbetakelter Zweimaster. Es kam im Winter 1904 nach Berlin. Zuvor hatten Soldaten der kaiserlichen Marine viele Menschen in der damaligen Kolonie Deutsch-Neuguinea in Ozeanien ermordet – auch auf der Insel Luf.

Ist das Boot also gestohlen? Unter Wert gekauft? Stanley Innum ist ein Nachfahre der Bewohner von Luf und ihr Sprecher. Er hat eine Botschaft für Deutschland und das Humboldt Forum, die der stellvertretende Direktor und Kurator Alexis von Poser überbringt: "Stanley Innum hat hier den Wunsch ausgesprochen das Boot zu sehen, eine Delegation aus Luf hierher zu bringen, damit sie das Boot begutachten und damit sie ein solches Boot nachbauen können. Wir freuen uns sehr, dass wir jetzt in den Gesprächen ein Gegenüber haben, mit denen wir auch die anderen Sammlungen aus Luf, aus der Region, besprechen können und zukünftige Wege für diese Sammlungen miteinander entwickeln können."

Eine Delegation der Nachfahren von der Insel Lauf wird also das Humboldtforum besuchen, das Boot begutachten und nachbauen. Das Original bleibt in Berlin.

Transparenz und Offenheit

Während der großen Auseinandersetzungen um die Kolonialgeschichte und ihre Präsentation hatte die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy 2017 das Humboldt Forum mit Tschernobyl verglichen. Die Preußenstiftung halte die Kolonialgeschichte unter einem Bleideckel wie Atommüll.

Vier Jahre später muss man den Ausstellungmachern diesen Vorwurf nicht mehr machen. Transparenz und Dialog bestimmen die Institution - nicht bemüht, sondern überraschend offen. Die Provenienzforscherin der Asiatischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin, Christine Howald sagt, die Arbeit müsse ständig neu gemacht werden: "Wir möchten keine Betondecke über unsere Forschung legen. Wir möchten Leuchtkraft für einen enorm wichtigen gesellschaftlichen Prozess gewinnen, empfangen und aussenden."

Sendung: Inforadio, 20.09.2021, 15:55 Uhr

Beitrag von Maria Ossowski

5 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 5.

    Ehrlich sein und Verbrechen nicht schön reden wäre schon mal ein Anfang.
    An sich kann man auch davon ausgehen, dass die geringste Anzahl der Stücke wirklich ehrlich erworben wurde und so steht alles eigentlich an zur Rückgabe ohne Bedingungen.
    Wenn es wirklich um den Erhalt der Geschichte etc geht, kann man die Objekte fotografieren und scannen um zumindest die Gestaltung in einer auswertbaren Form zu sichern.
    Sonst gehört uns das Zeug mit Sicherheit nicht, also Rückgabe auch wenn die Gefahr besteht, dass dieses Gut dann nicht mehr lange existiert.
    Vergangenheit zu konservieren indem man alle möglichen Gegenstände sammelt kostet auch Platz. Diese Gegenstände werden dann auch mal höher gestellt als ein aktuell lebender Mensch. Das Humboldt Forum selbst ist ein Symbol für diese alte Dinge über Menschen Philosophie, da man alles dort hätte hinbauen können.
    Es ist gut, dass überhaupt mal angefangen wurde diese Geschichte aufzuarbeiten.

  2. 3.

    Auch eine Art selbst durchgeführten Raub positiv darzustellen.
    Auch eine Art zu verschleiern, dass auch die Taliban Käufer für den Kram brauchen, die zufällig öfter mal Konservatoren sind.
    Auch eine Art kleinzureden wie viel Kultur wir zerstört haben (inklusive unsere Eigene).

    "Man kann mit Fug und Recht bezweifeln, dass die vermeintlichen Besitzer nach Restitution in der Lage wären, diese Kunstschätze angemessen zu vewahren."
    Da blendet man dann doch gerne wieder die eigene grausame Geschichte aus. Es gibt ja schließlich Gründe warum es so ist.
    Geschichtlich findet man übrigens auch, dass wir Kaufverträge erpresst haben. Kauf steht somit grundsätzlich in Frage bei unserer eigenen geschichtlichen Betrachtung.
    Rauben, Erpressen und Kulturen zerstören, aber heute im "Status Quo" das Raubgut nicht zurückgeben, weil sie die Gegenstände in ihrer zerstörten Kulturgemeinschaft ja nicht so gut aufgehoben sind. Das ist im Endeffekt zweimal gestreckter Mittelfinger gegen diese Völker.

  3. 2.

    Wenn man sieht, wie während der Unruhen in Ägypten, der US-Besetzung des Irak oder der Tatsache, dass die Taliban das afghanische Kulturerbe zerstören oder gegen Devisen verscherbeln, muss man froh sein, dass die diversen europäischen Nationen dieses Erbe bewahrt haben. Man kann mit Fug und Recht bezweifeln, dass die vermeintlichen Besitzer nach Restitution in der Lage wären, diese Kunstschätze angemessen zu vewahren.
    Daran können auch selbsternannte Historiker wie Götz Aly nichts ändern.
    Mit dem Weltkulturerbe verhält es sich wie mit dem Regenwald: Es täte Not, es gäbe eine Art „Weltpolizei“ (UNO ?), sie zu schützen und zu bewahren.

  4. 1.

    Geht man nicht beim Luf-Boot davon aus, daß es tatsächlich gekauft wurde? Der Käufer hatte sogar von den einheimischen Zimmerleuten die fehlenden Teile an Bug und Heck ergänzen lassen.

Nächster Artikel