Auftakt einer Online-Reihe in Potsdam - Expertenrunde diskutiert über die Geschichte der Hohenzollern
Welche Rolle spielten die Hohenzollern im Kaiserreich? Warum sind Vermögensfragen offen und strittig? Antworten darauf will eine Online-Diskussionsreihe in Potsdam finden. Sigrid Hoff hat den Auftakt verfolgt.
Der Streit um das Hohenzollernerbe ist eine komplizierte Angelegenheit. Wer sich damit beschäftigt, dem drohen juristische Klagen. Diese Erfahrung haben auch Mitarbeiter des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) machen müssen, darunter der Direktor Martin Sabrow selbst. Der Hohenzollernprinz Georg Friedrich, der zur letzten Veranstaltung der Reihe geladen war, hat die Teilnahme abgelehnt.
Vielleicht auch deshalb versuchte man in der Auftaktdiskussion am Dienstagabend bewusst, den Ball flach zu halten, und stellte die Bewertung von Ereignissen vor 1933 in den Vordergrund. Der Titel "Wieviel monarchisches Erbe verträgt die Demokratie?" sei etwas schief gestellt, gab Martin Sabrow, der Direktor des Leibniz-Instituts, gleich zu Beginn zu. Vergangenheit ließe sich nicht ungeschehen machen, man könne allenfalls die baulichen Zeugnisse der Zeit schleifen.
"These des deutschen Sonderwegs ist widerlegt"
Dass die Epoche des Kaiserreichs derzeit im Fokus der Aufmerksamkeit stehe, dafür ist aus Sicht des Historikers neben dem aktuellen Streit um den Hohenzollernbesitz und die Verstrickung des Herrscherhauses mit dem NS-Regime auch die Neubewertung der kolonialen Vergangenheit ein Grund. Und schließlich: "Vielleicht sogar am allerstärksten: Das gewachsene Bewusstsein für die Gefährdung der Demokratie durch den aufkommenden Rechtspopulismus. Das imprägniert fast alle unsere Debatten, die wir über das Kaiserreich führen und die Frage, wie toxisch die Erinnerung eigentlich ist. Ich möchte gern wissen, warum diskutieren wir so intensiv über ein Thema, mit dem wir meinten, längst fertig geworden zu sein."
Zunächst ging es aber darum, wie erinnerungswürdig die Zeit des Kaiserreichs in der Demokratie heute überhaupt ist. Ute Frevert, Direktorin des Forschungsbereichs "Geschichte der Gefühle" am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, betonte, die These des deutschen Sonderwegs, der den Historikerstreit in der alten Bundesrepublik der 1970er Jahre geprägt hatte, sei widerlegt.
Die Epoche des Kaiserreichs habe auch moderne Entwicklungen hervorgebracht wie die Arbeiterbewegung oder die Frauenbewegung. Sie wundert sich: "Warum jetzt eine ganz ähnliche Debatte nochmal kommt: Jede Generation von Historikern muss ihre eigenen Marken setzen, auch wenn sie sich von den alten gar nicht so sehr unterscheiden."
Unterschiedliche Ost- und West-Wahrnehmung
Ebenfalls zugeschaltet war Christoph Martin Vogtherr, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten und somit auch Betroffener von Forderungen der Hohenzollern. Während die beiden Historiker in ihrer Suche nach Erklärungsmustern für die gegenwärtige Aufregung eher rückwärtsgewandt argumentierten, verwies ausgerechnet der Kunsthistoriker Vogtherr auf die unterschiedliche Wahrnehmung in Ost- oder Westdeutschland.
"Für mich scheint ein wichtiger Punkt der gegenwärtigen Hohenzollerndebatte, eher als der Kaiserzeitdebatte, dass es dabei auch darum geht, Verstaatlichungen aus der Zeit der DDR rückgängig zu machen", so Vogtherr. "Dabei geht es um den Blick auf eine Gesellschaftsform. Das ist eine Sprengkraft, wo man auch merkt, dass da in Brandenburg ganz anders darauf reagiert wird als in Niedersachsen, da kommt eine andere Identitätsfrage mit hinein in die Frage der Gesellschafts- und der Herrschaftssysteme."
Diskussionsrunde mit gewissen Schwächen
Eine weitere Frage drehte sich darum, inwieweit der Wiederaufbau von Symbolen preußischer Geschichte wie dem Berliner und Potsdamer Stadtschloss oder der Garnisonkirche in Potsdam Rechtspopulisten Vorschub leistet. Landeskonservator Thomas Drachenberg wies die Formulierung des Historikers Sabrow, es handele sich um eine "toxische Wirkung der Steine" zurück.
Für den Denkmalpfleger sind dies keine authentischen Zeugnisse der Geschichte. Er warnte allerdings davor, umstrittene Denkmäler genau aus diesem Grund zu schleifen, das mache sie erst zum Mythos: "Die Diskussion ist besser zu führen, etwas stehen zu lassen, sich über seine Geschichte auszutauschen. Was ich für ein wesentliches Merkmal einer funktionierenden Demokratie halte, dass wir in der Lage sind, die Geschichten uns zu erzählen, sie zu erforschen, sie auch auszuhalten. Abriss ist Katastrophe, das ist endgültig, kann die Geschichten nicht mehr sehen."
Insgesamt blieb die Diskussion jedoch in weiten Teilen dem eigenen Anspruch schuldig, die Gegenwart miteinzubeziehen. Dies leisteten eher die Fragen und Beiträge aus der Reihe der mehr als 100 Online-Teilnehmer. Sie machten deutlich: Es ist höchste Zeit, die Debatte nicht den Experten zu überlassen, sondern die Öffentlichkeit daran zu beteiligen. Man kann nur hoffen, dass dies in den folgenden Veranstaltungen besser gelingt.
Sendung: Inforadio, 27.10.2021, 17:55 Uhr