Festival mit afghanischen Sängerinnen - "Leben in Afghanistan? Da gibt es keine Sicherheit"

Mi 13.10.21 | 17:57 Uhr | Von Anke Schäfer
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Es dürfte vorerst die letzte Chance gewesen sein, diese Frauen zu filmen: Im Sommer drehte ein Berliner Filmteam Sängerinnen in Kabul - vor der Machtübernahme der Taliban. Zu sehen sind die Frauen bei einem virtuellen Filmfestival. Von Anke Schäfer

Neun Frauen haben Andreas Rochholl und Yalda Yazdani im Sommer in Kabul besucht und mit der Kamera begleitet. Yalda Yazdani ist Musikethnologin, sie promoviert über iranische Sängerinnen. Andreas Rochholl ist Leiter der Zeitgenössischen Oper Berlin, Kulturunternehmer und Filmemacher. Vor der Pandemie hatten die beiden bereits gemeinsam die weiblichen Stimmen des Iran erforscht und auf zwei Festivals in Berlin vorgestellt. Jetzt sind sie für das Musikfestival "Female Voice of Afghanistan" ins Nachbarland Afghanistan gereist.

"Als wir uns Mitte letzten Jahres entschlossen haben, die Recherche nach Afghanistan auszudehnen, war diese radikale politischen Entwicklung noch nicht abzusehen", erinnert sich Rochholl. "Es war allerdings schon klar, dass das eine sehr riskante Reise sein wird." Doch dieses Risiko schreckte weder ihn noch Yalda Yazdani. "Wir haben in den Jahren im Iran gelernt, dass die Geschichten aus dem Land, aus der Sicht einzelner Künstlerinnen, ganz wesentlich sind, um diesen großen politischen Kontext, der für die meisten Menschen die sogenannte Nachrichtenlage ist – zu ergänzen."

Die Frauen sehen sich nicht als Opfer

"Hut ab", sagt eine afghanische Frau in einem der Videos, "Hut ab für meine Landsleute, die tagtäglich etwas Schlimmes erleben. Aber ich sage euch: Nach zehn Minuten lachen sie wieder." Rochholl erklärt, diese Frauen sähen sich selbst nicht als Opfer oder als ängstliche Frauen. "Sondern sie sehen sich als Künstlerinnen."

Wer aus einem anderen Land nach Kabul kommt, der hat oft große Angst. Die Frauen aber, die hier portraitiert werden, mussten sich alle mit der täglichen Situation arrangieren. Eine sagt lakonisch, Krieg sei Teil der Kultur in diesem Land. Und eine andere: "Leben in Afghanistan? Da gibt es keine Sicherheit."

Singen hilft

Das Singen spielt für alle eine große Rolle. Andreas Rochholl hat das auch schon im Iran beobachtet. "Man kann aufstehen und singen, ganz ohne Bühne, ganz ohne technisches Equipment. Singen gibt Mut und Kraft und den Impuls weiterzumachen." Eine der Frauen sagt, das Singen helfe ihr, sich selbst als Frau besser kennen zu lernen.

Die Frauen zu erleben, hat Andreas Rochholl Respekt eingeflößt: "Das ist etwas, wo wir uns inspirieren lassen können, wo wir lernen können, wie Menschen unter hoher Belastung, ohne Unterstützung – weder vom Staat, von der Familie oder von irgendwelchen Institutionen – ihre kreative künstlerische Arbeit einfach weiter machen."

Kulturaustausch - trotz Distanz

Der Filmemacher hat die afghanischen Sängerinnen nicht nur portraitiert, sondern sie auch mit europäischen Sängerinnen zusammengebracht. Er will den Kulturaustausch unter allen Umständen fördern, trotz Pandemie und geografische Distanzen. Dazu hat Andreas Rochholl die Frauen in Kabul auf der einen Hälfte des Bildes gefilmt, die anderen in Berlin auf der anderen Hälfte des Bildes. So dass sie nun gemeinsam auf einem gemeinsamen Fernsehbild zu erleben sind.

Die Paare, die sich da fanden, schätzten die Begegnung. Eine Deutsche sagt: "Ach, ich freu mich nur so sehr, dass es die Möglichkeit gibt, jemanden kennen zu lernen, den ich sonst nicht kennen lernen würde."

Sängerin Sadiqa Madadgar. (Quelle: RBB Kultur - Das Magazin)

Vier virtuelle Festival-Abende

Um das alles zeigen zu können, lädt Andreas Rochholl zum digitalen Festival auf dem YouTube Kanal seines Unternehmens, der zeitgenössischen Oper Berlin, ein. Das Festival funktioniert, wie eine Mischung aus Dokumentation und Social-Media-Ereignis. Man kann sich die Porträts der Frauen anschauen, Kabul erleben, Konzerte und Songs hören und sich per Chat live austauschen. "Bei diesem Thema, wo es so viele Emotionen, so viele offene Fragen, so viele Gefühle gibt, ist es gut, dass Menschen eine Chance haben, die auch auszudrücken", so Rochholl.

Sendung: Radioeins, 11.10.2021, 19:30 Uhr

Beitrag von Anke Schäfer

8 Kommentare

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  1. 8.

    Vielen Dank für den Hinweis auf das Projekt. Das scheint spannend zu werden!

  2. 7.

    Lieber September, bitte unterstellen Sie mir nichts, was ich nicht gesagt habe,das könnte nach hinten losgehen.

  3. 6.

    Werter "Teddybär" und Gerd Kuster
    Wo Sie stehen, sitzen oder liegen ist mir völlig wurscht. Aber die Situation für Frauen in Afghanistan mit der hiesigen zu vergleichen ist, mit Verlaub, ziemlich daneben. Ja, auch hier gibt es Verbrechen gegen Frauen, aber haben Sie schon mal gehört, dass Frauen hier weder singen, noch Musik hören, zur Schule oder Uni gehen, selbstbestimmt arbeiten gehen oder gar sich ihren Partner oder die Partnerin nicht selber aussuchen dürfen? Ja, letzteres gibt es hier leider auch, aber in Afghanistan ist das flächendeckend so. Und meines Wissens laufen hier auch keine Taliban herum, die Frauen ohne Kopftuch verprügeln. Und ein paar Männer zusammenzutrommeln, um eine "ungehorsame" Ehefrau zu steinigen scheint mir hier auch eher unüblich.

  4. 5.

    Na toll, hier wird mal wieder fleißig rechts und
    ,, normal" polarisiert. Für einen vernünftig denkeden Menschen unerträglich. Jeder, der eine andere Meinung als den linksgrünen Mainstream vertritt, ist rechts. Geht's noch?

  5. 4.

    Wer will denn jemanden in die rechte Ecke stellen? Meine Aussage war doch eindeutig. Man muss niemanden irgendwo hinstellen, wo er/sie schon ist.

  6. 3.

    Würzburg?
    Aber das finden Leute wie Sie ja völlig in Ordnung, Hauptsache jeden der was sagt was Ihrer werten Meinung entspricht nach Rechts stellen. Das sind natürlich Argumente. Da würde ich mich was schämen.

  7. 1.

    Und bei uns sind Frauen sicher?

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