Fahrrad-Ausstellung im Märkischen Museum - Alles außer dem Alltagsrad

Von der Straße ins Museum: Die Ausstellung, die im Sommer auf Lastenfahrrädern durch Berlin unterwegs war, ist nun im Märkischen Museum zu sehen. Untertitel: Das Fahrrad als Utopie. Von Oliver Kranz
Von der vergoldeten Tretkurbel bis zum Flugsimulator ist alles dabei. Der "Sky Rider" von Frank Blum sieht wie eine riesige Drohne aus. Er verfügt über vier Propeller, die sich drehen, wenn man in die Pedale tritt. Die Besucher*innen der Ausstellung können es selbst probieren: Wer genug Energie produziert, hebt ab – zumindest virtuell. Auf einer Leinwand gleiten Berliner Straßenschluchten vorbei.
Irgendwann einmal soll der Sky Rider auch in echt fliegen. Doch vorerst versinnbildlicht er die Idee. "Es geht um das Gefühl der absoluten Freiheit", erklärt Paul Spies, der Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Er hat die "Easy Rider Road Show" ins Märkische Museum geholt. "Ich fahre selbst gern Rad. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln habe ich Probleme. Ich mag es nicht, von Fahrplänen abhängig zu sein. Als Radfahrer bin ich flexibler und habe den Kopf frei. Das Gefühl von Freiheit gehört zu Berlin. Deshalb passt die Ausstellung sehr gut in dieses Haus."
Synthesizergeräusche, rosa Lack und Gänsedaunen
Die Kuratoren der Ausstellung kommen vom Musuku – dem Museum für Subkulturen, das über kein eigenes Gebäude verfügt. Sie hatten die "Easy Rider Road Show" ursprünglich als Freilicht-Ausstellung konzipiert. Das wichtigste Gestaltungselement waren Schautafeln, die mit Lastenfahrrädern ohne großen Aufwand hin und her gefahren werden konnten.
Im Museum kann nun einiges mehr geboten werden. Zu sehen sind Fahrräder und Biker-Kostüme, Trikots und Trophäen. Es gibt ein Sound Bike, das Synthesizergeräusche von sich gibt, wenn man in die Pedale tritt, ein Angel Bike, das über und über mit Gänsedaunen beklebt ist und ein Kampfrad mit dickem Stahlrahmen und Stoßstangen, die rosa lackiert sind.

Martialische Kämpfe auf dem Fahrrad
"Das ist ein Teilnehmer-Fahrrad der Bike Wars", erläutert Chris Keller vom Kuratorenteam. So heißt ein Wettkampf, der einmal jährlich beim Karneval der Subkulturen in einem ehemals besetzten Haus in der Köpenicker Straße stattfindet. "Da geht es darum, die Fahrräder der Gegner zu zerstören. Dieses hier heißt 'Pink Assassin' und war mehrere Jahre das Gewinnerrad." Die Kämpfe wirkten martialisch, sagt Chris Keller, seien aber zugleich ein gemeinschaftsstiftendes Ritual.
Die Ausstellung berichtet von verschiedenen Wettbewerben: Wer baut das größte, wer das verrückteste, wer das robusteste Fahrrad? Wem gelingen die besten Tricks? In London gibt es die Initiative "Knives Down, Bikes Up", die die Gewalt auf den Straßen zurückdrängen will. Statt sich in Messerstechereien verwickeln zu lassen, sollen die Jugendlichen mit Fahrrädern trainieren. Die erstaunlichsten Kunststücke sind in der Ausstellung im Video zu sehen.
Die wilde Seite des Fahrradfahrens
In Mexiko Stadt gibt es den "Chilangos Lowbike Club", in dem sich ehemalige Kriminelle zusammengefunden haben. Sie tragen schwarze Kleidung, haben auffällige Tattoos und fahren auf Rädern mit hohen Lenkern durch die Stadt. "Auch hier geht es um den Gewaltverzicht", sagt Chris Keller. "Alkohol und Drogen bleiben außen vor. Die Männer wollen ihre gepimpten Lowbikes zeigen. Durchs Fahrrad haben sie einen Weg gefunden, ihr Leben positiv zu verändern."
Die Ausstellung im Märkischen Museum trägt spannende Geschichten zusammen – zum Fahrradfahren als Gemeinschaftserlebnis, als kreativer Wettbewerb oder politisches Statement. Nur eines findet man nicht, nämlich das ganz normale Alltagsrad. Die Kuratoren wollen die wilde Seite des Fahrradfahrens präsentieren. Und das gelingt auf eindrucksvolle Weise.
Sendung: rbb Kultur, 12.11.2021, 09:50 Uhr