34. Jüdische Kulturtage in Berlin - Künstler aus Berlin und Israel zeigen jüdische Kultur

Sa 06.11.21 | 18:28 Uhr
Synagoge in der Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg (Bild: dpa/XAMAX)
Bild: dpa/XAMAX

37 Veranstaltungen, 13 verschiedene Spielstätten über insgesamt zwei Wochen: Die 34. Jüdischen Kulturtage bieten Künstlern aus Berlin und Israel eine Bühne - und sollen die gesamte Bandbreite jüdischer Kultur in Deutschland abbilden. Von Antje Bonhage

Seit 1987 werden in Berlin jährlich die Jüdischen Kulturtage abgehalten. Im letzten Jahr ist das Festival Corona zum Opfer gefallen. An diesem Samstag starten nun die 34. Jüdischen Kulturtage in Berlin und bieten Künstlern aus Berlin und Israel bis zum 18. November eine Bühne. Die Tage beginnen in der Synagoge Rykestraße in Prenzlauer Berg mit einem Galakonzert - unter anderem mit dem Klezmer-Klarinettisten Giora Feidman und Andrej Hermlin mit seiner Swingband.

Heimliche Hymne der Résistance

Ebenfalls am Wochenende gestaltet der in Berlin lebende Schauspieler und Sänger Vladimir Kornéev zwei Kurt-Weill-Abende. "Youkali" hat er sein Programm in der Bar jeder Vernunft genannt, nach dem gleichnamigen Lied aus der Oper "Marie Galante" von Kurt Weill.

Der jüdische Komponist schrieb "Youkali" im Jahr 1934 im französischen Exil. Im Zweiten Weltkrieg galt das Lied als eine heimliche Hymne der Résistance. Es geht darin um die Sehnsucht nach einem Land, in dem man zu Hause ist, in dem man akzeptiert wird, so wie man ist, in dem Respekt und Liebe herrschen.

Moll-Terzen und hebräische Gebete

Kurt Weills jüdische Herkunft sei in seinen Liedern deutlich zu spüren, findet Vladimir Kornéev. Er verweist beispielsweise auf bestimmte Moll-Terzen in "Youkali", die so auch in traditionellen jüdischen Liedern vorkämen. Auch habe Weill hebräische Gebete für Stimme und Klavier arrangiert. Aus diesem Repertoire wird Kornéev ebenfalls an den Kurt-Weill-Abenden singen.

37 Veranstaltungen an 13 Orten

Insgesamt finden während des fast zweiwöchigen Festivals 37 Veranstaltungen an 13 verschiedenen Spielstätten statt: Konzerte und Theateraufführungen, Lesungen und ein Religious Poetry Slam. Im aktuellen Gedenkjahr "1.700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland" sollen die Kulturtage die ganze Bandbreite jüdischer Kultur abbilden, betont Gerhard Kämpfe, seit 2016 der Intendant des Festivals. Kultur könne eine Brücke zwischen unterschiedlich denkenden Menschen schlagen. "Wenn sich Menschen mit Kultur beschäftigen, dann öffnen sie sich. Und unsere große Hoffnung ist, dass die Jüdischen Kulturtage zu einem besseren gegenseitigen Verstehen beitragen", so der Intendant.

Ein Gefühl von Grunewald im Orient

Ein weiterer Höhepunkt im Programm: Am 11. November liest der Schauspieler und Sänger Ilja Richter im Renaissance-Theater aus dem Buch "Grunewald im Orient" von Thomas Sparr. Darüber hinaus singt er gemeinsam mit Harry Ermer am Klavier Chansons von Georg Kreisler.

"Grunewald im Orient" handelt von deutschen Juden im Jerusalemer Stadtteil Rechavia. Es gehe um Vertreibung und Neuanfang, erzählt Richter. "Und es geht darum, dass Berliner Juden, die vor den Nazis aus Deutschland, insbesondere aus Berlin nach Israel geflohen sind, dort versucht haben, mit Kaffeehäusern, Kulturveranstaltungen und einer ganzen Lebensart im Exil ein Gefühl von Grunewald zu simulieren", so der Künstler.

Eine enge interkulturelle Verbindung und ein umfassendes Angebot

Gerade auch in Geschichten und Veranstaltungen wie diesen werde deutlich, wie eng jüdische Kultur und Deutschland miteinander verwoben seien, sagt Intendant Gerhard Kämpfe. Als Sohn einer jüdischen Mutter ist auch er Jude. Doch erst, seit er Intendant des Festivals ist, beschäftige er sich wirklich intensiv mit jüdischer Kultur. Je mehr er in das Thema eintauche, desto mehr stelle er fest, wie herausfordernd es sei, Schwerpunkte zu setzen und ein Programm zusammenzustellen, "weil das Angebot so gewaltig ist", so Kämpfe.

Auch sei es nicht einfach, jüdische Kultur zu definieren. Ilja Richter wagt einen Definitionsversuch. "Wenn der Humor und die Melancholie und die Sehnsucht, irgendwie mal endlich angekommen zu sein, einfach nicht immer möglich ist - und dieses unmögliche Gefühl, doch dazugehören zu wollen, das ist für mich jüdische Kultur", sagt er.

Bach auf Hebräisch

Die enge Verbindung zwischen deutscher und jüdischer Kultur zeigt nicht zuletzt auch das Konzert der israelischen Sängerin Achinoam Nini, bekannt als "Noa". Zu Instrumentalstücken von Johann Sebastian Bach hat sie Texte geschrieben, die sie auf Englisch und Hebräisch singt.

Viele dieser Texte beinhalten politische Botschaften. Denn Noa engagiert sich weltweit als Friedensbotschafterin im Konflikt zwischen Israel und Palästina. Die Musik betrachtet sie als Vehikel, um ihre Botschaft zu überbringen.

Auf diese Weise versprechen die Jüdischen Kulturtage insgesamt ein nachdenkliches und melancholisches, ein fröhliches und humorvolles, ein anspruchsvolles und unterhaltsames - kurzum, ein äußerst facettenreiches Programm.

Sendung: Inforradio, 05.11.2021, 14:55 Uhr

Nächster Artikel