Ausblick Humboldt-Forum - Ziehen die Benin-Bronzen ein?

So 02.01.22 | 09:39 Uhr | Von Anna Pataczek
  13
Der Schriftzug des Humboldt Forums vor der Eröffnung am 16. Dezember 2021. (Quelle: dpa/Fabian Sommer)
Bild: dpa/Fabian Sommer

Im Spätsommer 2022 soll das Humboldt-Forum komplett sein: Dann öffnet auch der Ostflügel mit weiteren Objekten der außereuropäischen Sammlungen. Aber viele Debatten um das rekonstruierte Schloss und sein Innenleben werden weitergehen. Von Anna Pataczek

Ein Puzzleteil fehlt noch, dann ist das große Gesamtkonstrukt Humboldtforum vollständig: Der Ostflügel des Humboldtforums mit weiteren Ausstellungsbereichen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin wird im Spätsommer 2022 eröffnet. Dann werden endgültig alle 40.000 Quadratmeter vom Keller bis zur Dachterrasse für die Besucherinnen und Besucher zugänglich sein.

Ausgestellt werden sollen dort dann eigentlich auch die Benin-Bronzen. So wünscht es sich zumindest die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK). Doch die Bronzen, die einst den Königspalast des damaligen Königreichs Benin im heutigen Nigeria schmückten, sorgen immer wieder für exemplarisch Debatten darüber, wie westliche Museen und auch das Humboldt-Forum mit ihrem kolonialen Erbe umgehen.

Absprachen mit Nigeria laufen

Aktuell wird mit den Partnern in Nigeria besprochen, welche und wie viele Objekte an Nigera zurückgegeben werden und was in Deutschland bleiben kann - dann als Leihgabe. Man befinde sich mitten im Prozess der Rückgabeverhandlungen, so die Preußenstiftung. Es ist also noch unklar, ob die Objekte gezeigt werden können – und wenn ja, in welcher Form.

1897 wurden die Benin-Bronzen von der britischen Armee geraubt und als Beutekunst nach Europa und in die USA verschifft. Allein in Deutschland befinden sich insgesamt rund 1.100 Objekte in mehreren Museen. Die Staatlichen Museen zu Berlin haben mit rund 500 Objekten den größten Bestand in Deutschland.

Beteiligt an diesem Austausch mit Nigeria sind weitere größere deutsche Häuser, neben dem Ethnologischen Museum Berlin auch das Linden-Museum in Stuttgart, das Museum am Rothenbaum in Hamburg, das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum und das Völkerkundemuseum Dresden/Leipzig. Kurz nach ihrem Amtsantritt hat die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) angekündigt, alle rund 20 betroffenen deutschen Museen in der zweiten Januarwoche zusammenbringen zu wollen. Erste Rückgaben soll es 2022 geben.

Es besteht Nachbesserungsbedarf

Auch über die Rückgabe anderer Objekte, die in der Kolonialzeit nach Berlin gelangt sind, wird bereits verhandelt. Einiges, besonders menschliche Überreste, hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz schon an die Herkunftsgesellschaften zurückgeben. Die Diskussion um den Umgang mit Raubgut aus kolonialem Kontext ist aber damit nicht vom Tisch. Vier Stellen für die Provenienzforschung sind 2019 am Humboldtforum eingerichtet worden – ihnen gegenüber stehen unzählige Objekte in den Depots der Staatlichen Museen, bei denen die Herkunftsgeschichte bisher ungeklärt ist.

Auch an der Präsentation der Objekte in der Ausstellung muss noch gearbeitet werden. Dass es Verbesserungsbedarf gibt, hat der Präsident der SPK in einem Zeitungsinterview bereits eingeräumt, vor allem die sogenannte Provenienzspur, die mit Aufstellern Auskunft über die Objekte gibt, könne noch deutlicher hervortreten, sagte Hermann Parzinger. Umstritten ist auch etwa die Präsentation eines großen Auslegerboots, das von der Südseeinsel Luf stammt.

Ideen für die umstrittene Kuppel

Die weithin sichtbare Kuppel auf dem rekonstruierten Schloss mit dem vergoldeten Kreuz nach historischem Vorbild ist ebenso immer noch Stoff für Debatten. In goldenen Lettern ist darauf ein Spruch zu lesen, der die Unterwerfung aller Menschen unter das Christentum fordert – und damit nicht zum weltoffenen Geist des Humboldtforums passe: "Es ist kein ander Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, daß im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind." Generalintendant Hartmut Dorgerloh kündigte im Rahmen einer Podiumsveranstaltung des Humboldt-Forums Anfang Dezember an, Ideen entwickeln zu lassen, "wie wir mit etwas umgehen, was bis heute nicht befriedigt und nicht befriedet".

Eine Idee etwa ist, das Spruchband künstlerisch zu bearbeiten. Die Initiative Leuchtturm Berlin schlägt vor, ein Netz von Leuchtdioden vor die weiterhin sichtbaren Inschrift zu montieren. Bei Einbruch der Dunkelheit könnten Passanten dann Auszüge aus Grundgesetz und Menschenrechtserklärung als Laufschrift vor dem Bibelspruch lesen.

Spender mit rechtsextremen Positionen

Der Start des Humboldt-Forums verlief alles andere als geschmeidig. Und damit ist nicht nur die Eröffnung in Etappen gemeint. Immer wieder gerät das Projekt in die Schlagzeilen. Zuletzt weil sich die Stiftung fragen muss, wer eigentlich alles für die Rekonstruktion der Barockfassade gespendet hat und vor allem mit welcher Motivation. Um das alte Preußen wieder auferstehen zu lassen?

Als die antidemokratischen Äußerungen des Berliner Großspenders Ehrhardt Bödecker bekannt wurden, ist das ihn ehrende Medaillon wieder abgenommen worden. Etwas später wurden weitere Namen von einzelnen Bürgern und Institutionen öffentlich, die rechtsextreme Positionen vertreten sollen. Auch hier besteht noch Aufklärungsbedarf. Und das Humboldt-Forum und sein Intendant Hartmut Dorgerloh müssen einen Umgang damit finden, dass wahrscheinlich Mäzene zum Wiederaufbau beigetragen haben, die im Widerspruch zum Geist des Hauses stehen.

Sendung: 30.12.2021, Radioeins, 19.30 Uhr

Beitrag von Anna Pataczek

13 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 13.

    Die Sprengung der Gebäude ostelbischer Junker, die im Schweiße ihres Angesichts von Bauarbeitern errichtet wurden, hat schon zu DDR-Zeiten hinter vorgehaltener Hand Kontroversen ausgelöst. Gerade von Seiten derjenigen, die das tatsächlich erbauten.

    Nach Ihrer Logik müsste auch halb Venedig und müssten auch die Pyramiden dem Erdboden gleichgemacht werden. Bert Brecht, der das Verhältnis zwischen Herrschenden und tatsächlichen Erbauenden im Siebentorigen Theben formuliert hat, hätte sich niemals zu so etwas hinreißen lassen.

  2. 12.

    Dass beim äußerem Bau ein anderer Geist weht als beim tragenden inneren Inhalt, dahinter verbirgt sich ein ausgesprochener Mangel an gesellschaftlichem Schönheitsempfinden. Empfundene und nicht nur bloß oberflächlich erdachte Schönheit wird als Luxus, Steuergeldverschwendung, ja als Popanz gewertet, sodass demokratische Gesellschaften mit ihren Bauten zumeist all zu nüchtern daherkommen.

    Ich finde das schade.

    Die Inkaufnahme seitens Menschen mit einer vor- oder teilweise nichtdemokratischen Gesinnung als Mäzene ist keineswegs schön, aber so gesehen nachvollziehbar. Berlin steht dieses Gebäude gut zu Gesicht, es ist Teil der Stadtkomposition Unter den Linden und die Inhalte weisen in Richtung Offenheit.

    "Niemand kommt zum Vater im Himmel denn durch mich" wurde gesprochen zu den Jüngern, nicht in alle Welt hinaus. Heute ist diese gedankliche Engführung im Sinne des Ersten lediglich Dokumentation. Mensch muss sich schon den Hals verrenken, um das überhaupt lesen zu können.

  3. 11.

    Genauso ist es !!! Diese Werke konnten nur entstehen, weil die Könige unzählige Menschen in die Sklaverei verkauft haben um die notwendigen Metalle zu bekommen. Leider wird das in journalistischen Berichten so gut wie nie erwähnt. Und nun stellen die Nachfolgeherrscher und Gutmenschen hierzulande es so da, als ob das alles nicht so schlimm war und die Leute, die die Dinger damals, wie auch immer, hier her gebracht haben, etwas wahnsinnig Schlimmes getan haben. Vielleicht wurden sie auch vor dem Verfall gerettet. Die Bösen waren die Herrscher von Benin damals !
    Sollten sie da sein, werde ich sie in jedem Fall ansehen. Bin gespannt.

  4. 10.

    Ich freue mich jetzt schon auf die Benin-Bronzen.

  5. 9.

    Das größte Problem im Land ist der Rechtsextremismus, keine Ahnung welche wichtigen Probleme Sie zu erkennen glauben, aber wenn nach nicht einmal 100 Jahren wieder Rechtsextremisten im Bundestag sitzen und braune Spender das alte Preußen auferstehen lassen wollen, dann haben wir ein sehr dekadentes Problem. Ich hadere außerdem sehr mit den Allmachtsfantasien, die als Kuppelinschrift erstrahlen sollen. Immer dann, wenn Religion als einziges Heil Jesus Christus einbezieht, wird es für mich amüsant, denn die größte Bevölkerungsgruppe in Deutschland ist atheistisch.

  6. 8.

    Mal davon abgesehen, dass England (aka Großbritannien/Vereinigtes Königreich), Spanien und Portugal keine 'Nachbarn' von uns sind und der Klimawandel kein alleinig deutsches Problem ist, handhabt jedes Land gesellschaftliche Herausforderungen unterschiedlich bzw. führt differierende Diskurse darüber; was ich aufgrund der unterschiedlichen Historien als normal ansehen würde, Steffen.

  7. 7.

    Warum müssen wir nur in Deutschland immer wieder solche Diskussionen führen? Wie gehe aber unsere Nachbarn, Frankreich, England, Spanien, Portugal... damit um? Vielleicht geht es uns einfach noch zu gut, das wir ausser diesem Thema und dem Klimawandel keine anderen Probleme haben.

  8. 6.

    5.
    Norbert SchulzSonntag, 02.01.2022 | 11:26 Uhr
    Man sollte diese Bronzen einschmelzen und zu einem Denkmal verarbeiten, denn an ihnen klebt das Blut unzähliger Menschen, die vom aggressiven Königreich Benin gejagt und in alle Richtungen als Sklaven verkauft wurden. Kupfer und Bronze dienten als Zahlungsmittel. Dieser Aspekt sollte in den hiesigen Artikeln zum geschichtlichen Hintergrund erwähnt werden.

    Sie sind ja ein richtiger Geschichtsprofessor.
    Aber überlassen Sie die Aufarbeitung ihrer Geschichte ruhig mal den Menschen in Benin.
    Sie wären ja sicher auch ein bisschen angefasst, würden man in Benin mal alles mögliche einschmelzen, was der deutsche für grosses Kulturgut hält. In Wirklichkeit aber nur Raubgut, Profit aus Feudalismus, Leibeigenschaft, Unterdrückung und Faschismus ist.

  9. 5.

    Man sollte diese Bronzen einschmelzen und zu einem Denkmal verarbeiten, denn an ihnen klebt das Blut unzähliger Menschen, die vom aggressiven Königreich Benin gejagt und in alle Richtungen als Sklaven verkauft wurden. Kupfer und Bronze dienten als Zahlungsmittel. Dieser Aspekt sollte in den hiesigen Artikeln zum geschichtlichen Hintergrund erwähnt werden.

  10. 4.

    Man kann die Geschichte nicht rückgängig machen. Nervig ist nur die selektive Betrachtung. Wenn die Bronzen zurückgehen, dann bitte auch den Vertriebenen ihr Eigentum zurück geben (lassen). Ein Museum zum Thema genügt nicht.

  11. 3.

    > ... dass wahrscheinlich Mäzene zum Wiederaufbau beigetragen haben, die im Widerspruch zum Geist des Hauses stehen.
    Man kann es auch so sehen, dass man es geschafft hat von Leuten Geld zu ergattern, die es selbst für wesentlich größere Nachteile für die Gesellschaft hätten verwenden können. Interessant dürfte jedoch sein, ob die Spenden an Bedingungen geknüpft waren, wenn ja welche?

  12. 2.

    Ich habe nichts gegen den Ausspruch. Jesus ist der einzige, der die Menschen erlösen kann.
    Ansonsten atmet der ganze Bau den Geist des Miltitarismus/Kolonialismus. Eigentlich müßte man ihn wieder abreißen.

  13. 1.

    Hat man das Ding nur wieder aufgebaut um sich über die Sitten der Zeit zu beschweren, in der das Schloß existiert hat? Mich nervt diese Debatte gewaltig, die Vergangenheit ist Passiert und lässt sich nicht ändern, schau nach vorne und mach es besser. Von mir aus gebt die gestohlenen Dinge zurück, Entschuldigung dazu und dann aber wieder nach vorne schauen, statt jahrelang drauf rumzureiten. Was ist aus unserer Kultur geworden?

Nächster Artikel