Ausblick Humboldt-Forum - Ziehen die Benin-Bronzen ein?
Im Spätsommer 2022 soll das Humboldt-Forum komplett sein: Dann öffnet auch der Ostflügel mit weiteren Objekten der außereuropäischen Sammlungen. Aber viele Debatten um das rekonstruierte Schloss und sein Innenleben werden weitergehen. Von Anna Pataczek
Ein Puzzleteil fehlt noch, dann ist das große Gesamtkonstrukt Humboldtforum vollständig: Der Ostflügel des Humboldtforums mit weiteren Ausstellungsbereichen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin wird im Spätsommer 2022 eröffnet. Dann werden endgültig alle 40.000 Quadratmeter vom Keller bis zur Dachterrasse für die Besucherinnen und Besucher zugänglich sein.
Ausgestellt werden sollen dort dann eigentlich auch die Benin-Bronzen. So wünscht es sich zumindest die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK). Doch die Bronzen, die einst den Königspalast des damaligen Königreichs Benin im heutigen Nigeria schmückten, sorgen immer wieder für exemplarisch Debatten darüber, wie westliche Museen und auch das Humboldt-Forum mit ihrem kolonialen Erbe umgehen.
Absprachen mit Nigeria laufen
Aktuell wird mit den Partnern in Nigeria besprochen, welche und wie viele Objekte an Nigera zurückgegeben werden und was in Deutschland bleiben kann - dann als Leihgabe. Man befinde sich mitten im Prozess der Rückgabeverhandlungen, so die Preußenstiftung. Es ist also noch unklar, ob die Objekte gezeigt werden können – und wenn ja, in welcher Form.
1897 wurden die Benin-Bronzen von der britischen Armee geraubt und als Beutekunst nach Europa und in die USA verschifft. Allein in Deutschland befinden sich insgesamt rund 1.100 Objekte in mehreren Museen. Die Staatlichen Museen zu Berlin haben mit rund 500 Objekten den größten Bestand in Deutschland.
Beteiligt an diesem Austausch mit Nigeria sind weitere größere deutsche Häuser, neben dem Ethnologischen Museum Berlin auch das Linden-Museum in Stuttgart, das Museum am Rothenbaum in Hamburg, das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum und das Völkerkundemuseum Dresden/Leipzig. Kurz nach ihrem Amtsantritt hat die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) angekündigt, alle rund 20 betroffenen deutschen Museen in der zweiten Januarwoche zusammenbringen zu wollen. Erste Rückgaben soll es 2022 geben.
Es besteht Nachbesserungsbedarf
Auch über die Rückgabe anderer Objekte, die in der Kolonialzeit nach Berlin gelangt sind, wird bereits verhandelt. Einiges, besonders menschliche Überreste, hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz schon an die Herkunftsgesellschaften zurückgeben. Die Diskussion um den Umgang mit Raubgut aus kolonialem Kontext ist aber damit nicht vom Tisch. Vier Stellen für die Provenienzforschung sind 2019 am Humboldtforum eingerichtet worden – ihnen gegenüber stehen unzählige Objekte in den Depots der Staatlichen Museen, bei denen die Herkunftsgeschichte bisher ungeklärt ist.
Auch an der Präsentation der Objekte in der Ausstellung muss noch gearbeitet werden. Dass es Verbesserungsbedarf gibt, hat der Präsident der SPK in einem Zeitungsinterview bereits eingeräumt, vor allem die sogenannte Provenienzspur, die mit Aufstellern Auskunft über die Objekte gibt, könne noch deutlicher hervortreten, sagte Hermann Parzinger. Umstritten ist auch etwa die Präsentation eines großen Auslegerboots, das von der Südseeinsel Luf stammt.
Ideen für die umstrittene Kuppel
Die weithin sichtbare Kuppel auf dem rekonstruierten Schloss mit dem vergoldeten Kreuz nach historischem Vorbild ist ebenso immer noch Stoff für Debatten. In goldenen Lettern ist darauf ein Spruch zu lesen, der die Unterwerfung aller Menschen unter das Christentum fordert – und damit nicht zum weltoffenen Geist des Humboldtforums passe: "Es ist kein ander Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, daß im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind." Generalintendant Hartmut Dorgerloh kündigte im Rahmen einer Podiumsveranstaltung des Humboldt-Forums Anfang Dezember an, Ideen entwickeln zu lassen, "wie wir mit etwas umgehen, was bis heute nicht befriedigt und nicht befriedet".
Eine Idee etwa ist, das Spruchband künstlerisch zu bearbeiten. Die Initiative Leuchtturm Berlin schlägt vor, ein Netz von Leuchtdioden vor die weiterhin sichtbaren Inschrift zu montieren. Bei Einbruch der Dunkelheit könnten Passanten dann Auszüge aus Grundgesetz und Menschenrechtserklärung als Laufschrift vor dem Bibelspruch lesen.
Spender mit rechtsextremen Positionen
Der Start des Humboldt-Forums verlief alles andere als geschmeidig. Und damit ist nicht nur die Eröffnung in Etappen gemeint. Immer wieder gerät das Projekt in die Schlagzeilen. Zuletzt weil sich die Stiftung fragen muss, wer eigentlich alles für die Rekonstruktion der Barockfassade gespendet hat und vor allem mit welcher Motivation. Um das alte Preußen wieder auferstehen zu lassen?
Als die antidemokratischen Äußerungen des Berliner Großspenders Ehrhardt Bödecker bekannt wurden, ist das ihn ehrende Medaillon wieder abgenommen worden. Etwas später wurden weitere Namen von einzelnen Bürgern und Institutionen öffentlich, die rechtsextreme Positionen vertreten sollen. Auch hier besteht noch Aufklärungsbedarf. Und das Humboldt-Forum und sein Intendant Hartmut Dorgerloh müssen einen Umgang damit finden, dass wahrscheinlich Mäzene zum Wiederaufbau beigetragen haben, die im Widerspruch zum Geist des Hauses stehen.
Sendung: 30.12.2021, Radioeins, 19.30 Uhr