Opernkritik | "Die Blume von Hawaii" an der Komischen Oper - Die Berliner DNA aus der Weimarer Republik
Mit ihren Operettenproduktionen zu Weihnachten hat die Komische Oper ein oft verkanntes Genre für neue Publikumsgenerationen erschlossen. Nun der krönende Abschluss: eine der besten Operetten der Weimarer Republik: "Die Blume von Hawaii". Von Harald Asel
Er wolle zeigen, dass die Musik von Paul Abraham der Soundtrack von Berlin ist, so wie Johann Strauß für Wien, sagt Barrie Kosky beim Schlussapplaus auf der Bühne. Seit Beginn seiner Intendanz an der Komischen Oper 2012 hat er den Beweis angetreten, dass es da viel qualitativ Hochwertiges zu entdecken gibt. Nicht zuletzt mit konzertanten Produktionen immer um Weihnachten herum. Jetzt zum Ende seiner Ära steht ein Werk auf dem Programm, das eigentlich nie richtig weg war.

"Die Blume von Hawaii" war 1931 einer der größten Erfolge des 1892 geborenen Komponisten Paul Abraham. Doch als Abraham mit seiner Karriere richtig durchstartete, lag die Weimarer Republik bereits in den letzten Zügen. Die Menschen lebten zwischen überhitzter Vergnügungswut, drohendem sozialem Abstieg und politischer Militarisierung. Nach dem Zweiten Weltkrieg war für den durch Flucht, Exil und Krankheit psychisch zerrütteten Komponisten kein Neuanfang möglich. Auch weil eine neue Biederkeit sich wie Mehltau über die Operettenproduktionen legte.
Wechselnde Musiksprachen
Zwei Männer lieben die gleiche Frau. Ein Prinz und ein Kapitän. Aber weil das alleine nicht reicht, tauchen eine Gouverneursnichte mit dem in sie verknallten Gouverneurssekretär auf, dazu mit Joker Jim ein sozusagen soloselbständiger Sänger und Tänzer aus den USA. Das gibt Gelegenheit für eine Fülle unterschiedlichster Musik. Es gibt großes Sentiment und daneben jazzige Nummern, die am Broadway Weltkarriere gemacht hätten.
Koen Schoots am Pult treibt das hervorragend aufgelegte Orchester durch die wechselnden Musiksprachen. Wer hier die Abgründe in Abrahams Musik hört, muss dankbar sein, dass verlorene oder ungenaue Partituren zum Teil mühsam rekonstruiert worden sind.
Wie Barbies Ken
Aus dem Ensemble einzelne herauszuheben, ist eigentlich ungerecht. Dennoch: Wie sich die beiden rivalisierenden Tenöre, Tansel Akzeybek und Johannes Dunz, in feinen Nuancen unterscheiden, das erzählt viel von der Genauigkeit, mit der hier musikalisch gearbeitet wurde.
Und dann ist da Jörn-Felix Alt als Joker Jim. Er singt und tanzt mit Perfektion und Dauergrinsen wie die Puppenfigur Ken von Barbie, aber eine, die Angst hat, bald gefeuert zu werden. Durch den Abend führt Fräulein Schneider. Sie hält sich erstaunlicherweise, ja fast ein wenig eingeschüchtert, mit eigenen Akzenten zurück. Vielleicht, weil sie kurzfristig für Katharina Thalbach eingesprungen ist.
Zwischen "Will Dir die Welt zu Füßen legen" und "Lustig sein, das kostet kein Geld" wechselt in nur anderthalb Stunden das Lebensgefühl aus der Endzeit der Weimarer Republik. Trotz Banjo und Hawaiigitarre, diese "Blume" führt uns mitten hinein in die DNA eines Berlins, das wir gerne wieder wären.
Ach ja, am Ende finden sich alle Beteiligten in Monte Carlo wieder und in festen Pärchen zusammen. Und nicht wenige der Zuschauerinnen und Zuschauer gehen schließlich mit einem Ohrwurm nach Hause.
Sendung: Inforadio, 20.12.2021, 06.55 Uhr