Tagebücher von Manfred Krug - Notizen eines "wichtigen Männleins"

Mi 26.01.22 | 08:39 Uhr | Von Ute Büsing
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Archivbild: Manfred Krug bei einer Lesung. (Quelle: imago images/L. Winkler)
Audio: Inforadio | 26.01.2022 | Ute Büsing | Bild: imago images/L. Winkler

Der Schauspieler und Sänger Manfred Krug war schon in der DDR ein Star und wurde es dann nach seiner Übersiedlung auch in der Bundesrepublik. Nun erscheinen die Tagebücher des 2016 gestorbenen Allrounders. Von Ute Büsing

So kennt man ihn: schnoddrig und selbstgerecht, dabei extrem verletzlich, umtriebig ohne Ende. Dafür schätzten, ja, liebten, ihn viele, andere aber konnten ihn genau darum nicht ausstehen. Und genau so kommt das "wichtige Männlein", wie sich Manfred Krug selbstironisch nennt, in seinen nun veröffentlichten Tagebuchnotizen auch daher.

Egal, was er treibt - der feinnervige Macho-Mime, zum Zeitpunkt der im Nachlass seiner Ehefrau Ottilie gefundenen Aufzeichnungen 58 Jahre alt, bekommt große Aufmerksamkeit aller Orten: als singender NDR-"Tatort"-Kommissar an der Seite von Charles Brauer und als Anwalt in "Liebling Kreuzberg", der Serie aus der Feder seines Freundes Jurek Becker, als nimmermüder Werbeträger und schließlich auch als Verfasser der Biografie "Abgehauen", die sich auf der Spiegel-Bestenliste fest beißt.

Geheime Zweitfamilie in der Arbeitswohnung

Zuhause ist die Hölle los. Denn dort breitet sich in der von der langjährigen Ehefrau Otti abgetrennten "Arbeitswohnung" das Baby aus, das Krug mit der Geliebten gezeugt hat. Irgendwann stolpert Otti versehentlich in die Zweitpartnerschaft in der Zweitwohnung. Das neue Großfamilienmitglied nimmt sie bewusst erst wahr, als Krug mit einem Schlaganfall in der Klinik liegt und sich beide Frauen abwechselnd um ihn kümmern.

Der Schlaganfall bildet eine kleine Zäsur in diesen Eintragungen des Nimmermüden. Nach dem Überwinden der Sprachfindungsschwierigkeiten und Lähmungserscheinungen trägt Krug nach – vor allem die große Liebe zum neuen Kleinkind, an dem sich der späte Vater nicht sattsehen kann, dem er zärtliche Lieder singt und dessen Freiheitsdrang er unbedingt unterstützt. "Tante Otti" macht notgedrungen mit.

Erhellende Einblicke in den Produktionsalltag und das Verhältnis zu alten Freunden

Das Skandalon, oder was manche dafür halten mögen, steht gleich am Anfang der Notate aus der Feder des Ausnahmeschauspielers und Sängers Manfred Krug. Alle seine Erben haben den Schriftsatz frei gegeben, dessen unterhaltsamer Kern nicht so sehr die selbstverliebten Attitüden ihres Autors sind, der sich mit "Abgehauen" in "einer Reihe mit Rushdie und Grass" sieht, sondern die erhellenden Einblicke in den Fernseh-Produktionsalltag, die Auseinandersetzung mit so genannten "kreativen Köpfen" aus dem Kosmos der Werbeagenturen, der Gleichklang mit alten Freunden.

Manfred Krug trug nach seiner Ausreise aus der DDR stets ein Stück des dort gelebten Lebens weiter mit sich herum. Viele Zeilen sind seinem Lieblingsmenschen, dem Schriftsteller Jurek Becker, gewidmet. Immer wieder sucht oder findet er auch die Nähe von Schriftstellern wie Stefan Heym und Ulrich Plenzdorf, Regisseur Frank Beyer und anderen aus dem DEFA-Kosmos, obwohl er die linientreuen Filme aus der DDR-Filmwerkstatt bei ORB und MDR alle noch mal anguckt – und sie verachtet.

Meinungsstark war er, dieser Manfred Krug, eine explosive Mischung aus Everybody‘s Darling und Kotzbrocken. Er war aber auch einer, der nach eigenem Bekunden "den ganzen Tag Probleme" hatte, seine "so genannte Prominenz zu neutralisieren". Und so ist er in den Tagebuchnotizen auch beschwerdefrei zu erleben bei Ottis guter Hausmannskost, suffselig im Wirtshaus "Diener" und bei Flohmarktbesuchen, wo der passionierte Sammler immer etwas findet. Wie ein ganz normaler Mensch. Die Fortsetzung ist schon angekündigt.

Manfred Krug „Ich sammle mein Leben zusammen – Tagebücher 1996-1997“
Herausgegeben von Krista Maria Schädlich
Kanon Verlag, 22 Euro

Sendung: Inforadio, 16.01.2022, 07:43 Uhr

Beitrag von Ute Büsing

7 Kommentare

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  1. 7.

    manfred krug hat in seinen rollen so gesprochen wie leute im richtigen leben. ich hatte dadurch bei ihm stets das gefühl, daß das im fernsehen da grade wirklich passiert und kein film ist, egal ob er tatortkomissar, anwalt oder lkw-fahrer spielte. das geht und ging mir nur bei sehr wenigen deutschen schauspieler*innen so.
    außerdem hat er super musik gemacht.
    daß er wegen mangelnder kultureller freiheit in den westen ging, war eine verdiente strafe für das zonenregime.

  2. 6.

    Die Sache mit dem roten Büchlein.
    Erinnere mich dunkel an ihn als Casanova.
    Macho konnte er...
    Am Ende, wie soll es anders sein, wird er gezähmt.
    Die frühen DEFA Filme waren für Wessis, wie mich (geb. 1961) allerdings zu sozialistisch. Hatte immer etwas unfreiwillig komisches.
    Klingt jetzt hoffentlich nicht zu arrogant.


  3. 5.

    Eine angemessene Ehrung wie "Krug-Platz/Straße" statt "Manfred-Krug-Straße/Platz" wäre gut, weil dann eine Gefahr durch "Umbenenner*innen" nicht "drohen" kann...ausgeschlossen/abwegig? Wohl kaum...

  4. 4.

    Bleibt abzuwarten, ob er auch mit seinen Stasi-Büttel, die sein Leben begleiteten, wie Günter Fischer (Bundesverdienstkreuz-Träger), abrechnet.

  5. 3.

    Das erste Mal auf Achse war Manne Krug allerdings im DEFA-Film ,,Wie füttert man einen Esel"...

  6. 2.

    Nicht zu vergessen, seine Rolle "Franz Meersdonk" in "Auf Achse".
    Darin fand ich ihn sehr gut.
    Ihm stand die Grobmotorik eines abenteuerlustigen Lkw-Fahrers besser als der nachdenkliche, intellektuelle Anwalt oder Kommissar.
    Er kam für mich immer wie der Vorzeige-Ossi rüber.
    Seht her, ich schaffe es auch im Westen, bekannt zu werden, ohne meine Ostdeutsche Vergangenheit zu verleugnen. Das war sicher sein Platz in der Gesellschaft.
    Den hat er gut ausgefüllt.

  7. 1.

    Ich habe Auszüge im "SPIEGEL" gelesen und fand sie sehr bewegend. Werde mir alle 3 Bände zulegen.

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