Koloniales Erbe - Museumsbund bezeichnet Aufarbeitung von Raubkunst als Generationenaufgabe

Mo 18.04.22 | 12:20 Uhr
Gedenkköpfe eines Königs aus einer Unbekannten Werkstatt der Bronzegießergilde Igun Eronmwon (Königreich Benin, Nigeria, 19. Jahrhundert) stehen in Hamburg in einer Vitrine (Quelle: DPA/Daniel Reinhardt)
Bild: DPA/Daniel Reinhardt

Viele Museen stehen bei der Aufarbeitung ihres kolonialen Erbes noch am Anfang, so der Deutsche Museumsbund. Die Rückgabe von geraubten Objekten sei aber nur ein Teilaspekt der Wiedergutmachung.

Museen wollen bei der Aufarbeitung des kolonialen Erbes ihren Beitrag zur Wiedergutmachung leisten - doch die Rückgabe von Raubgut und Kulturobjekten kann aus Sicht des Deutschen Museumsbundes nur der Anfang sein. "Es ist gut, wenn die Kultur die Rolle eines Katalysators hat", sagte der scheidende Verbandspräsident Eckart Köhne der Nachrichtenagentur dpa.

Das kulturelle Erbe sei nur ein Teilaspekt. Das eigentliche Ziel müsse über den Kulturaustausch hinaus ein globales Miteinander sein. Die Politik müsse auch ihr Engagement in Afrika und andernorts hinterfragen, zum Beispiel im Hinblick auf faire wirtschaftliche Beziehungen und das gemeinsame Problem des Klimawandels.

Rückgabe der Benin-Bronzen als Vorbild

Wie viele zweifelhafte Objekte in Museen lagern und zurückgegeben werden sollten, konnte Köhne nicht beziffern. Er kann sich vorstellen, dass vieles in den Museen bleibt, etwa als Dauerleihgabe oder in Ausstellungen. Im Fall der Benin-Bronzen habe es vernünftige Lösungen gegeben.

In deutschen Museen sind rund 1.100 kunstvolle Bronzen aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört. Sie stammen größtenteils von britischen Plünderungen im Jahr 1897. Ziel sei es, Objekte zurückzugeben, Kooperationen anzustoßen und den Austausch zu intensivieren. Allein die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat mehr als 400 Benin-Bronzen in ihrem Archiv. Bereits 1972 hat ein nigerianischen Museum um eine Kooperation gegeben. Später wurden immer wieder Rückforderungen gestellt, die von der Stiftung jedoch jahrzehntelang ignoiert oder abgewehrt wurden.

Illegale Einfuhre und fehlende Belege

Auch Übereinkünfte mit rechtmäßigen Besitzern seien möglich. Das Badische Landesmuseum, dessen Direktor Köhne ist, zeigt dies bei der Porzellan-Sammlung des jüdischen Industriellen Ernst Gallinek: Sie wurde als NS-Raubgut an die Erben restituiert, bleibt aber dank eines Ankaufs durch das Land im Museum. Köhne riet zu einer differenzierten Betrachtung beim Umgang mit der Sammlungsgeschichte. "Es ist nicht möglich, die Geschichte nach heutigen Maßstäben umzuschreiben."

Um illegale Einfuhren zu verhindern, trat 2016 das Kulturgutschutzgesetz in Kraft. Aus Sicht Köhnes ist es ein wichtiges Instrument, das evaluiert und gegebenenfalls nachjustiert werden könnte: "Viele Objekte haben keine Papiere. Reicht uns die eidesstattliche Erklärung des Vorbesitzers oder braucht es weitere Prüfungen? Da gibt es noch Spielraum."

Aufarbeitung des kolonialen Erbes sei Generationenaufgabe

Für die Aufarbeitung des kolonialen Erbes braucht es nach Einschätzung des Museumsbundchefs neben genug personellen Ressourcen viel Zeit. "Es handelt sich um eine Generationenaufgabe, die nicht auf die Schnelle zu lösen ist." Nicht alle kolonialen Kulturschätze in den Museen seien Raubgut. "Vieles wurde auch gekauft, getauscht oder geschenkt." Zwingend sind Köhne zufolge Rückgaben, wenn ethisch-moralische Prinzipien tangiert sind. Als Beispiel nannte er menschliche Überreste, die in anthropologische Sammlungen gelangten, oder beispielsweise Schrumpfköpfe. Letztere wurden bis in das 19. Jahrhundert als Trophäen von Kopfjägern angefertigt und zu kultischen Zwecken verwendet.

"Es geht in erster Linie nicht um juristische Fragen, sondern um eine moralische Verpflichtung", unterstrich Köhne. Bei der Prüfung der Erwerbshintergründe müssten Herkunftsländer eingebunden werden.

Sendung: Abendschau, 18.04.2022, 19.30 Uhr

Nächster Artikel