Aktivistin Aljochina aus Russland geflohen - Band Pussy Riot tritt im Berliner Funkhaus auf

Do 12.05.22 | 08:58 Uhr | Von Antje Bonhage
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Die Aktionskünstlerin Maria Aljochina von der russischen Punkband Pussy Riot (Quelle: dpa/Uwe Anspach)
Bild: dpa/Uwe Anspach

Immer wieder stellt sich die Protestgruppe und Band Pussy Riot gegen das Regime von Wladimir Putin - und bezahlt dafür mit harten Einschränkungen. Diesen konnte sich die Aktivistin Maria Aljochina nun entziehen und nach Berlin fliehen. Von Antje Bonhage

Die russische Aktivistin und Musikerin der Band Pussy Riot Maria Aljochina ist nach ihrer Flucht aus Moskau in Berlin angekommen. Sie stand wegen ihrer kremlkritischen Haltung zuletzt unter polizeilicher Überwachung. Um weitere Sanktionen zu umgehen und mit ihrer Band auf Konzerttour gehen zu können, habe sie sich nun dazu entschlossen, das Land zu verlassen, sagte Aljochina dem rbb.

Mit ihren Konzerte, von denen das erste am Donnerstag in Berlin im Funkhaus in Treptow-Köpenick stattfindet, will die Band eigenen Aussagen zufolge gegen die Politik in ihrem Heimatland protestieren und die Ukrainerinnen und Ukrainer unterstützen.

"Putin kann uns nur lehren zu hassen: ihn und seine Taten"

"Putin wird Euch lehren, Euer Vaterland zu lieben", heißt es in einem Song, den Pussy Riot 2014 anlässlich der Olympischen Winterspiele in Sotchi aufnahm. Putin und Liebe zum Vaterland? Natürlich Ironie, sagt Maria Aljochina. "Ich glaube, Putin kann uns nur lehren zu hassen: ihn und seine Taten. In Russland und jetzt in der Ukraine. Das sind Verbrechen. Ja, nur das ist es, was wir von ihm lernen können", betont die Aktivistin im Gespräch mit dem rbb.

Und deshalb müsse man gegen Putin und seine Verbrechen ankämpfen. Nicht aufhören zu protestieren. Und Opfern wie den ukrainischen Flüchtlingen helfen.

Dafür will Maria Aljochina auf Konzerttour gehen, sagt sie: Mit ihren Mitstreiter:innen die Stimme erheben - und die Erlöse aus den Konzerten an eine Flüchtlingsorganisation spenden. Darum musste Aljochina jetzt aus Russland fliehen, denn dort hätten ihr unmittelbar weitere drei Wochen Straflager gedroht - und die Tour wäre geplatzt, wie sie erzählt.

Flucht in Verkleidung einer Essenslieferantin

"21 Tage mehr oder weniger in Haft, das ist an sich nicht das Problem", sagt Aljochina. "Aber ich habe mich entschieden, dass ich meine Zeit auch sinnvoller verbringen kann. Ich saß schon so oft im Gefängnis. So oft! Was letztlich natürlich auch meine Entscheidung war."

Zwei Jahre lang war Maria Aljochina in Haft, nach der spontanen Protestaktion von Pussy Riot 2012 in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale. Seit dieser Aktion ist die Band, die sich im Jahr zuvor als Künstlerinnenkollektiv gegründet hatte, weltweit bekannt. Die letzten anderthalb Jahre verbrachte Aljochina zum Teil in Straflagern oder stand unter Hausarrest. Streng überwacht, rund um die Uhr. Trotzdem ist ihr die Flucht gelungen. In der Verkleidung einer Essenslieferantin.

"Meine Freundin hatte die Idee mit dem Lieferservice", erzählt Aljochina. Sie hat vor drei Wochen dasselbe gemacht, nur war es für sie etwas einfacher, weil sie - anders als ich - einen Pass hatte. Aber die Lieferantenuniform war wirklich hilfreich."

Traum von Veränderung in Russland lebt

Über Belarus, Litauen und Island gelangte Aljochina schließlich nach Berlin. Bereits in Belarus, wohin ihr jemand ein Reisedokument schmuggelte, wurde nach ihr gefahndet. Aljochina wirkt ein wenig müde von der langen Reise. Immer wieder muss sie Telefonate und Textnachrichten beantworten. Zeit für sich allein hat sie kaum.

Ob sie Angst hatte während der Flucht? Nein, Angst nicht, sagt sie. Vielmehr habe sie Traurigkeit empfunden. Und Wut. Sie wolle die Hoffnung nicht aufgeben, den Traum, dass sich die Situation in Russland eines Tages ändert.

"Ich habe Hoffnung. Aus diesem Grund will ich auftreten. Ich habe die 1990er Jahre erlebt, ich bin zu Perestroika-Zeiten aufgewachsen. Ich weiß, dass Russen die Freiheit lieben und dass die wunderbar sein kann", sagt die 33-Jährige.

Tour durch ganz Europa

Aber diese Freiheit sei zugleich fragil – und unter Putin, davon zeigt sich Maria Aljochina überzeugt, werde es sie nicht geben. So werde sie weiter mit Pussy Riot gegen das russische Regime protestieren. Mit frechen, ironischen Punk-Songs und spontanen Aktionen.

Und mit ihrer "Riot Days"-Show, mit der sie und ihre Band jetzt durch Deutschland und andere europäische Länder touren werden. Im Vordergrund steht der Protest gegen den Krieg in der Ukraine und die Forderung von Frieden und Freiheit. Den Auftakt gibt es am Donnerstagabend im Funkhaus in Berlin.

Sendung: rbbKultur, 12.05.22, 7:10 Uhr

Beitrag von Antje Bonhage

13 Kommentare

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  1. 13.

    Die kompletten Einnahmen werden übrigens an Geflüchtete gespendet, Pussy Riot selbst behält nichts. Da finde ich 30 € allemal angemessen. Das Konzert wird geil!! Und super, dass die Mädels nicht in Putins Haftlager gelandet sind.

  2. 12.

    Es müssen trotzdem Kosten gedeckt werden. Und weniger als 30 € wäre ja schon fast umsonst. Selbst für Konzerte kleiner deutscher Acts (z.B. Rhonda, Liedfett) zahlt man rund 30 € für 'ne Karte. Den Eintrittspreis zu monieren ist hier völlig unangemessen.

  3. 11.

    Was heutzutage alles als Kultur "verkauft" wird, ich kann es nicht nachvollziehen. Ohjeee!

  4. 10.

    Danke für Ihre Antwort. Ja, dieser Vergleich ist nicht zutreffend. Aber ich bleibe dabei. 30 Euro finde ich gerade so im Rahmen des möglichen. Vor allem wenn das Geld für gute Zwecke gespendet wird.

  5. 9.

    @Lothar: Sowohl die Mercedes-Benz Arena als auch die Waldbühne dürften vermutlich und auch nicht ganz zu Unrecht wesentlich mehr an Miete verlangen als das Funkhaus in Treptow-Köpenick, insofern vielleicht kein so guter Vergleich.

    @Ansgar:
    Da die Erlöse aus den Konzerten laut Text an eine Flüchtlingsorganisation gespendet werden (und in diesem Fall nicht als Einkommen für die Künstlerinnen dienen, wie Sie schreiben), wäre es vielleicht eine Überlegung gewesen, einen niedrigeren Grundpreis als Eintritt zu verlangen und darüber hinaus alle Besucher/innen zu einer größtmöglichen zusätzlichen Spende aufzurufen. Das klappt im Subkultur-Bereich oft recht gut.
    Wenn Sie mich so verstanden haben, dass ich der Meinung sei, das Konzert solle gratis sein, dann tut es mir leid, vielleicht hatte ich mich da zu undeutlich ausgedrückt.

  6. 7.

    Die Ticketpreise decken nicht nur das Honorar der Künstler, sondern auch dke Saalmiete, die Gagen des Personals und die Kosten für die Technik, die benötigt wird. Je größer ein Konzert, umso höher die Nebenkosten und umso höher daher der Ticketpreis. Selbst wenn Aha und Grönemeyer auf ihr Geld verzichten würden, blieben noch die anderen Kosten.

  7. 6.

    30 Euro sind nicht viel. Sorry, aber für AHA in der Mercedes Benz Arena dürfte mehr an Eintritt verlangt werden. Selbst für ein ach ja so sozialen H.Grönemeier muß tiefer in die Tasche gegriffen werden. Noch ein Vergleich. Gehen Sie mal gut Essen. Noch fragen?

  8. 4.

    Geschrieben hat er, dass ihm 30 Euro zu teuer sind, von gratis lese ich nichts!

  9. 3.

    Sie meinen, das Konzert sollte gratis sein? Auch Künstler:innen benötigen ein Einkommen.

  10. 2.

    Allen Mitglieder von Pussy Riot wünsche ich eine friedliche und schöne Zeit im demokratischen Westen Europas.
    Dieses Gefühl die freie Meinung sagen und singen zu dürfen, geschützt von Rechtstaatlichkeit, muss für diese Frauen eine intensive Erfahrung sein.

    Eine Erfahrung, die wir selber vermutlich nur im Ansatz begreifen können.
    Sonst gäbe es sicher nicht so viele Querköpfe in diesen Gefilden.

  11. 1.

    Ich finde es toll, dass Pussy Riot hier auftreten und ihre Tour in Berlin beginnen. Leider bin ich bei einem Ticketpreis von 30 Euro raus, hätte sie mir gerne mal live angeschaut.
    Ich hoffe, es bleibt in Berlin und den anderen Orten der Tournee ruhig rund um die Auftritte dieses sehr politischen künstlerischen Projekts, würde mich nicht wundern, wenn es hier und da zu Gegenprotesten käme.

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