Sonderausstellung auf der Museumsinsel - Weltenbummler, Millionär, Troja-Entdecker - das Leben des Heinrich Schliemann

Fr 13.05.22 | 06:10 Uhr | Von Sigrid Hoff
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Audio: rbb24 Inforadio | 12.05.2022 | Sigrid Hoff

Unter dem Titel "Schliemanns Welten" würdigen die Staatlichen Museen in Berlin den "Entdecker Trojas" mit einer zweiteiligen Sonderausstellung auf der Berliner Museumsinsel. Sigrid Hoff hat sich auf eine spannende Zeitreise begeben.

Der Traum, die mythische Stadt Troja, von der Homer berichtet, auszugraben, habe sein Leben von frühester Jugend an bestimmt. Mit dieser Behauptung schmückte Heinrich Schliemann (1822-1890) die Selbstdarstellung seines Wegs in die Archäologie. Doch sie gehört zu den zahlreichen Mythen, mit denen er sein Leben und seine Entdeckungen präsentierte.

Denn erst in seiner zweiten Lebenshälfte begann Schliemann mit den Grabungen in Kleinasien und in Griechenland, mit denen er später weltberühmt wurde.

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Schliemanns Welten © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Schliemanns Welten Sein Leben. Seine Entdeckungen. Sein Mythos

Zweiteilige Ausstellung in der James-Simon-Galerie und im Neuen Museum [smb.museum]

Vom 13. Mai bis 06. November 2022

Öffnungszeiten:

So 10:00 - 18:00
Mo geschlossen
Di 10:00 - 18:00
Mi 10:00 - 18:00
Do 10:00 - 18:00
Fr 10:00 - 18:00
Sa 10:00 - 18:00

Tickets: 14,00 Euro (ermäßigt 7,00 Euro)

Schiffbrüchiger mit Sprachtalent landet in Amsterdam

Die Ausstellung nimmt erstmals den Menschen Schliemann in allen seinen Facetten in den Blick und stellt ihn in den Kontext seiner Zeit. Im ersten Teil, der in der James-Simon-Galerie gezeigt wird, geht es um seinen Aufstieg vom Krämerlehrling im Mecklenburgischen zum erfolgreichen Geschäftsmann in St. Petersburg in Russland. Der zweite Teil im Neuen Museum beleuchtet Schliemanns Ausgrabungen in Kleinasien und Griechenland und deren Deutung im Vergleich mit den mythologischen Orten, die er aufzuspüren suchte.

Zwei Reisetruhen vor einer Kulisse mit wilden Wellen gleich zum Auftakt in der James-Simon-Galerie verweisen auf das unruhige Leben Schliemanns, dessen Stationen sich wie die Kapitel eines Abenteuerromans lesen. Geboren am 6. Januar 1822 in Neubukow in Mecklenburg, beschließt er mit 19 nach Venezuela auszuwandern. Er erleidet Schiffbruch, landet in Amsterdam, wird Kaufmann und lernt nebenher nach einer von ihm entwickelten Methode mehrere Sprachen - die Grundlage für seine spätere Karriere sowohl als Geschäftsmann wie auch als Archäologe.

Vertreter in Russland - Goldgräber in den USA

Aufgrund seiner guten Russischkenntnisse wird er als Vertreter nach St. Petersburg geschickt, macht sich selbstständig und wird zum reichen Mann. "Schliemann war intelligent und flexibel denkend, er hat Situationen schnell erfasst und daraus Profit geschlagen, nicht nur in finanzieller Hinsicht", charakterisiert Bernhard Heeb, Kustos am Museum für Vor- und Frühgeschichte und einer der Kuratoren der Ausstellung den umtriebigen Selfmademan. "Später in der Archäologie hatte er schon so viel Geld, da ging es ihm um das Ansehen, der Entdecker Trojas zu sein." Doch bis dahin war es ein langer Weg.

Nicht nur die Aussicht auf gute Geschäfte, sondern auch Abenteuerlust lockte den Kaufmann 1850 ins kalifornische Sacramento, wo er zunächst den Nachlass seines verstorbenen Bruders regeln wollte. Schliemann versuchte ebenfalls sein Glück im Goldgeschäft – mit Erfolg, wie das Exponat seines Kontobuches zeigt. Er handelt mit Goldstaub, gründet ein Bankhaus, kann sein Vermögen verdoppeln.

Schliemann verliert Lust am Geldscheffeln

Zurück in Russland heiratet er eine Russin, gründet eine Familie. Während des Krimkrieges 1853-1856 wird Schliemann über den Handel mit kriegswichtigen Gütern wie Indigo und Schwefel schließlich zum Multimillionär. Auf Exponate aus Russland wie eine Militäruniform aus der Zeit mussten die Ausstellungsmacher wegen des aktuellen Konflikts mit Putin und des Kriegs in der Ukraine zwar verzichten, aber immerhin gelang es, ein Modell aus blauem Wollstoff nachzuschneidern.

Ende der 1850er Jahre langweilt Schliemann das weitere Anhäufen von Geld und Besitz, er gerät in eine Art Midlife-Krise, trennt sich von seiner Frau und wechselt von St. Petersburg nach Paris. Er begibt sich auf eine Weltreise, will Reiseschriftsteller werden. Mit 44 Jahren nimmt er in Paris ein Studium an der Sorbonne auf, wendet sich der Antike zu und beschließt, nach dem Besuch archäologischer Stätten im Mittelmeerraum das Troja Homers auszugraben.

Neues Museum widmet sich dem Archäologen Schliemann

Der zweite Teil der Ausstellung, der im Neuen Museum zu sehen ist, lässt die Besucher eintauchen in die Welt des selbsternannten Archäologen Schliemann auf der Suche nach Troja. "Er ist tatsächlich Pionier, er ist Autodidakt, der mit seiner Zielstrebigkeit auf einmal Troja entdecken will", erklärt Matthias Wemhoff, Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte. Dabei argumentiere er mit Homers Darstellungen der antiken Stadt, die er unter geografischen Aspekten interpretiert.

Die Besucher durchschreiten die Simulation des großen Schliemann-Grabens, der den Amateur-Archäologen in einen Siedlungshügel im osmanischen Hissarlik treibt. Dort kann er mehrere Schichten identifizieren. Die Zweitunterste hält er für das Homersche Troja.

Dass er in der zeitlichen Einordnung seiner Funde irrte und Schichten aus der frühen Bronzezeit freigelegt hatte, schmälert seine Verdienste nicht, sagt Matthias Wemhoff: "Wir machen keine Troja-Ausstellung, wir zeigen nicht, was es an Bauphasen gibt, es geht uns darum zu zeigen, was Schliemann gemacht hat. Er ist der Erste, der einen Siedlungshügel ergräbt."

Ausflug ins antike Griechenland

Zahlreiche Exponate belegen den Reichtum der Berliner Sammlung, die Schliemann "dem deutschen Volke" geschenkt hatte. Der Goldfund von Troja, der ihn 1873 berühmt gemacht hatte, ist allerdings nur als Kopie zu sehen, da sich die Originale seit 1945 als Beutekunst in Moskau befinden.

Dafür ist weiter hinten ein späterer wichtiger Fund aus seiner Grabung im griechischen Mykene, das Gold aus den Königsgräbern, aus dem Archäologischen Nationalmuseum in Athen als Leihgabe zu sehen. Die Gräber von Mykene, die zweite große Entdeckung Schliemanns, können in der Ausstellung erstmals als Fortsetzung von Troja gesehen werden.

Und schließlich entlässt die Ausstellung die Besucher durch das Haus im Zentrum von Athen, Schliemanns "Iliou Melathron", das er für sich und seine griechische Frau Sophia als Palast von Troja imaginierte und mit Artefakten aus seinen Grabungen schmückte. Ein Höhepunkt sind hier die originalen Möbel aus seinem Arbeitszimmer, die die Ausstellungsmacher in einem griechischen Museum aufspürten.

Der Schau gelingt es, den Archäologen und Menschen Schliemann mit seinen vielen Facetten lebendig werden zu lassen - einen Mann von schier unerschöpflicher Energie und Entdeckerfreude, mit einer unstillbaren Neugier auf andere Kulturen. Die letzten 20 Jahre seines Lebens widmete er der Erforschung und Erhaltung antiker Stätten, die heute zum Welterbe der Menschheit zählen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12. Mai 2022, 17:55 Uhr

Beitrag von Sigrid Hoff

4 Kommentare

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  1. 4.

    Danke für diesen kritischen Einwurf, Christian. Der Artikel von Sigrid Hoff liest sich auch für mich wie eine ziemlich unreflektierte Lobhuddelei der Person Schliemanns.

  2. 3.

    Das Museum beleuchtet die Person Schliemann in demselben Licht, wie er auch zu Zeiten des Nationalsozialismus verherrlicht wurde, obwohl die moderne kritische Forschung eine ganz andere Gestalt entlarvt. Seine "Ausgrabungen", die er aus Zeit- und Kostengründen als Sprengungen mit Dynamit durchführte, zerstörten die historisch signifikantesten Schichten Trojas, wie es die Griechen nicht hätten besser machen können. Über den berechtigten Widerstand der Griechischen Politik, als er Fundobjekte der Akropolis entwendete, wird geschwiegen. Der Naional Geographic bezeichnete ihn 2004 als Betrüger ("Con-Man"). Seine opulente Lebensweise war auch kein Geheimnis. Dass Schliemann noch immer in Deutschland so glorifiziert wird, sollte man heute sehr kritisch sehen.

  3. 2.

    Ich möchte mich dem ersten Kommentar gerne anschließen. Vielen Dank für diesen interessante Artikel.

  4. 1.

    Ein sehr interessanter Artikel. Ich werde mir die Ausstellung auf jeden Fall ansehen.

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