Interview | "Stasikomödie" von Leander Haußmann - "Ich wollte vor allem diesen DDR-Kitsch vermeiden"

23 Jahre nach "Sonnenallee" und 17 Jahre nach "NVA" nimmt sich Leander Haußmann mit seinem neuen Film "Stasikomödie" ein weiteres DDR-Thema vor: die Stasi. Im Interview erzählt er, was ihn dazu bewegt hat - und was es mit Ampeltypen auf sich hat.
Mit "Stasikomödie" kommt am 19. Mai der neue Film von Leander Haußmann in die Kinos. Der in Berlin lebende Regisseur schrieb auch das Drehbuch. Haußmann widmet sich der Künstlerszene im Ostberliner Stadtteil Prenzlauer Berg und ihrer Durchsetzung durch die Stasi in den 1980er-Jahren.
Protagonist Ludger Fuchs lernt man zunächst in der Gegenwart als etwa 60-Jährigen (Jörg Schüttauf) kennen. Er, den alle für ein Opfer des DDR-Staates halten, hat sich seine Stasi-Akte besorgt und erinnert sich an seine Jugend. Für den jungen Ludger (David Kross) hat in den 1980er-Jahren alles mit einem eher läppischen Verkehrsvergehen begonnen, das ihn der Stasi in die Fänge lieferte.
In weiteren Rollen sind Henry Hübchen, Tom Schilling, Margarita Broich, Detlev
Buck, Steffi Kühnert und Bernd Stegemann zu sehen.
rbb: Herr Haußmann, Sie haben elf Jahre an Ihrem neuen Film "Stasikomödie" gearbeitet. Das ist eine lange Reise. Das hatten Sie auch noch nicht, oder?
Leander Haußmann: Ja doch, gerade neue Filme, die so noch nicht gemacht wurden, haben es natürlich immer besonders schwer. Da wo sie finanziert werden sollen, sitzen jetzt nicht gerade die Visionäre. Dort möchte man immer ganz gerne Sachen machen, die sich bewiesen haben. Und dann macht man halt Teil eins, Teil zwei, Teil drei. Die gesamte Kinolandschaft ist voller Remakes. Das Publikum ist auch in gewisser Weise vergesslich. Eigentlich kann man alle drei Jahre den gleichen Film machen.
Aber mit Genrefilmen ist es schwieriger. Eine Komödie muss sich immer wieder neu erfinden und man lacht auch nicht immer beim gleichen Witz. Deshalb muss man sich immer etwas trauen. Wenn man mal was Neues machen will oder wenn man die Leute wieder zum Lachen bringen will, dann ist das ein langer, schwerer, harter und auch ziemlich frustrierender Weg. Aber langsam lichten sich die Wolken, und plötzlich finde ich den Film auch lustig. Das war in den letzten Jahren nicht unbedingt mehr der Fall.
Warum stellt sich keine Lust mehr ein? Weil Sie so lange daran gearbeitet haben, dass es irgendwann schal wird?
Der Film hat wahnsinnig viele Ebenen. Ich kann ihn selber gar nicht mehr beschreiben. Ich bin fast schon zum Zuschauer geworden. Eigentlich wollte ich einen Film machen wie "Die nackte Kanone" oder "Police Academy". Und plötzlich ist daraus eine ernsthafte Komödie geworden, wenn man das überhaupt sagen darf. Da war ich selbst erstaunt. Ich habe den Figuren von David Kross und von Henry Hübchen zugeschaut und festgestellt, dass sie plötzlich etwas spielen, womit ich nie gerechnet hatte.
In dem Film gibt es zwei Zeitebenen. David Kross spielt einen jungen Mann, der bei Rot nicht über die Ampel geht. Damit geht es los.
Man sollte sich auf jeden Fall beim Schauen des Films immer fragen, welcher Ampeltyp bin ich? Wie lange halte ich es aus, dass mir die Ampel vorschreibt, wann ich über die Straße zu gehen habe, obwohl die Straße leer ist. Und man sieht natürlich auch die Entwicklung in dieser Menschengemeinschaft. Das war ja unsere Coolness, dass wir uns eben nicht von einer Ampel sagen lassen, wann wir über die Straße zu geben haben. Mittlerweile beobachte ich vor allem im Prenzlauer Berg völlig absurde Situationen, wo Menschen stehen und stehen, es ist aber kein Auto da, wo ich sage, jetzt gehe halt rüber.
Im Film handelt es sich um eine manipulierte Ampel. Diese Idee habe ich von Roland Jahn. Wir haben immer angenommen, dass eine falsch geschaltete Ampel, wo es unglaublich lange Rotphasen an einer leeren Straße gab, nicht vielleicht von der Stasi manipuliert wurde, um zu sehen, ob sich die Leute an die Regeln halten und wie lange sie das aushalten. Und wenn dem so ist, dann spricht man die an, weil sie Befehlsempfänger sind. Und so geht der Film los.
Aber es gibt noch eine zweite Geschichte.
Diese Geschichte spielt in der Gegenwart, wo ein Dissident, ein gefeierter Schriftsteller, seine Stasi-Akte nach Hause mitbringt und seiner Familie zeigt. Als er die Akte aufschlägt, sehen sie als erstes einen Liebesbrief einer anderen Frau, der dort von der Stasi einsortiert wurde. Daraus ergibt sich, dass diese Frau ein Verhältnis mit ihm hatte als er verheiratet war. Das stört zwar die Helden, aber es ist trotzdem lustig. Das ist sozusagen die Rampe, über die wir in die Vergangenheit eintauchen.
Ich habe versucht, verschiedene Dinge, wie Atmosphäre, Lebensfreude, Liebe und Korrumpierbarkeit einzubringen. Er gerät in eine Situation sozusagen, wo er nicht mehr rauskommt, weil er den Moment nicht mehr findet, die Wahrheit zu sagen. Und insofern ist es natürlich auch ein Film über die Gegenwart und über uns. Was ist die Wahrheit? Sollten wir sie sagen? Ist es immer gut, wenn wir sie sagen? Wieviel Kollateralschäden wird diese Wahrheit am Ende haben?
Daraus ergeben sich lustige Situationen und auch natürlich traurige. Und ich wollte vor allem diesen DDR-Kitsch vermeiden. Es gibt keinen Heldenkitsch, wie beispielsweise Demos, die auseinander geprügelt wurden. Wir kennen das aus anderen Filmen, was auch okay ist, was auch sein muss. Aber ich bin halt, wie ich bin.
Es wurde gesagt, "Stasikomödie" ist das Ende einer Trilogie nach "Sonnenallee" und "NVA". Es tauchen auch wieder Detlev Buck und Alexander Scheer auf. Ist es tatsächlich jetzt für Sie so eine Art Schlusspunkt auch hinter das Erzählen von DDR?
Letztendlich ist es eine zufällige Idee, die ich in einem Buchladen hatte. Es gab dort ein Buch namens "Top Secret", in dem Observationsfotos aus dem Archiv der Stasi-Unterlagen gezeigt wurden. Und da waren unter anderem Fotos von Stasi-Leuten, die Tiere fotografiert hatten, wie zum Beispiel Hamster, Katzen und Wellensittiche.
Man hat lange darüber nachgedacht, was das wohl gewesen sein könnte. Man konnte es sich nicht anders erklären, als dass sie die Tiere einfach niedlich fanden und dem Drang nachgaben, das festzuhalten. Sie haben sich auch beim Warten im Auto selbst fotografiert. Dabei dachte ich mir, dass das nach einer Komödie schreit über so viel banale Menschlichkeit innerhalb eines natürlich zu Recht verrufenen Systems.
Was Ihnen auch immer total wichtig ist, ist die Musik. Die Filmmusik für "Stasikomödie" hat Malakoff Kowalski gemacht.
Er ist ein Genie. Er ist nicht nur ein sehr guter Musiker, sondern auch ein hervorragender Pianist, Gitarrist, Sänger und Komponist. Er hat diese zweite Ebene reingebracht, so dass die Komödie eine besondere Tiefe bekommen hat. Aber auch zu dieser Tiefe hin war es ein Weg, den mir diese Geschichte und die Leute, die da drin agieren, gezeigt hat.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview mit Leander Haußmann führte Marion Brasch, Radioeins.
Der Text ist eine gekürzte und redaktionell überarbeitete Fassung. Das komplette Gespräch können Sie oben im Audio-Player nachhören.
Sendung: Radioeins, 19.05.2022, 08:40 Uhr