Konzertkritik | James Blake in Berlin - Bebende Ohren und bebende Herzen
Es sind die Lücken, die ihn groß gemacht haben: Der britische Musiker James Blake ist ein Meister des Minimalismus. In Berlin hat er nun ein umjubeltes Konzert gegeben - mit brillantem Gesang trotz Mandelentzündung. Von Simon Brauer
Ein James-Blake-Konzert als körperliche Erfahrung: Die Basstöne haben so viel Wucht, dass sich der gesamte Körper bewegt, obwohl Blake in den meisten Fällen alles andere als Tanzmusik macht. Dazu stroboskopartige Blitze und weiße Lichtkegel auf Blake und seinen beiden Mitmusikern - eine Herausforderung für Augen und Ohren.
Auf der Bühne der Berliner Verti Music Hall selbst passiert an diesem Sonntagabend eher wenig: Alle drei Musiker sitzen nebeneinander auf kleinen Podesten, ganz rechts Blake, der sich maximal im Radius von 90 Grad bewegt, wenn er auf seinem Drehstuhl zwischen Keyboard und E-Piano hin und her wechselt.
Brillanter Gesang trotz Mandelentzündung
Der Schlagzeuger in der Mitte konzentriert sich auf einen möglichst minimalistischen Beat, den er meist sogar mit nur einer Hand spielen kann, und am linken Bühnenrand ein Multiinstrumentalist, der ganz vertieft zwischen Gitarre, Cello und Synthesizer wechselt.
Nach fünf Alben und stetig wachsendem Erfolg hat der introvertierte James Blake gelernt, auch mal aus sich rauszugehen - auf die dezente britische Art natürlich. Seine Ansagen sind höflich und humorvoll, seine Dankbarkeit, nach mehr als zwei Jahren endlich wieder auf der Bühne stehen zu dürfen, absolut glaubwürdig. Und hätte er nicht ständig zu seiner Teetasse gegriffen, sich für sein Räuspern entschuldigt und auch noch erklärt, dass er mit den Folgen einer Mandelentzündung zu kämpfen hat, dann hätte das kein Mensch gemerkt. Sein Gesang: einfach brillant.
Elektro-Gospel und Zeitlupen-Techno
Auch wenn die Tour nach seinem aktuellen Album "Friends That Break Your Heart" benannt ist: James Blake spielt sich kreuz und quer durch sein Gesamtwerk, Altes, Neues, Unveröffentlichtes, Cover-Versionen von Stevie Wonder, Leslie Feist und Joni Mitchell. Nach knapp 90 Minuten zwischen Elektro-Gospel und Zeitlupen-Techno verabschiedet sich Blake mit einer Ballade solo am Klavier. Zurück bleibt ein begeistertes Berliner Publikum mit bebenden Ohren und bebenden Herzen.
Sendung: Inforadio, 09.05.2022, 6:55 Uhr