Interview | Meret Becker zum letzten Mal im rbb-Tatort - "Nina Rubin ist für mich irgendwie auch Berlin"

Am Sonntag ist Meret Becker zum letzten Mal als Nina Rubin im Einsatz. 15 Mal ermittelte die Schauspielerin in der Hauptstadt. Wieviel Berlin in ihrer Rolle der rbb-Tatort-Kommissarin steckt und warum sie es wegzieht, erzählt Becker im Interview.
rbb: Frau Becker, im neuen rbb-Tatort wird ein fröstelndes Berlin gezeigt. Wie kommt es eigentlich zu der Wärme, die Sie in der Figur "Nina Rubin" ausstrahlen?
Meret Becker: Ich finde das sehr berlintypisch - ich bin eigentlich nicht dagegen angegangen, dass es hier fröstelt. Also gar nicht. Ich finde, Berlin ist eine ziemlich raue Stadt. Sie ist schnelllebig. Es ist alles so verstreut und die Leute haben verschiedene Rhythmen, verschiedene Leben. Keiner weiß genau, wie der andere tickt. Da kracht es im Gebälk.
Das ist kein freundlicher Ort unbedingt. Für mich ist Berlin trotzdem ein Ort, an dem es Warmherzigkeit gibt. Nina Rubin ist natürlich für mich irgendwie auch Berlin. Sie soll möglichst viel von dem einbringen, was Berlin so hat oder was Berliner in einem Berliner Leben erleben.
Also haben Sie doch von sich selber viel eingebracht. Sie sind ja in Berlin aufgewachsen.
Ich kann es wiedergeben, weil ich es sehr genau kenne. Mir ist wichtig, dass die 1980er Jahre mit einfließen. Da habe ich tatsächlich auch schon mitgeturnt, weil ich sehr jung durch die Gegend gezogen bin. Berlin ist immer ein bisschen 80er, ein bisschen 20er irgendwie. Die 90er waren natürlich total wichtig nach dem Mauerfall. Da bin ich aus dem Nachtleben schon ausgestiegen.
Ich fand zwar die ganzen Läden interessant, die aufgemacht haben. Aber Technomusik ist mir einfach zu Egomäßig. Da stehe ich nicht so drauf. Aber das habe ich Nina Rubin sozusagen mitgegeben, auch vom Look her. Ich berliner - nicht immer, aber oft und sehr gerne. Und ich finde das befreiend.
Sie haben grade das Tanzen angesprochen. Nina Rubin ist eine Tänzerin, die sich ab und zu abreagieren muss. Und dann zieht sie los.
Das ist ein großes Missverständnis. Sie zieht schon los, aber sie tanzt nicht, sondern sie f****.
Sie ist aber auch Mutter und Kollegin – dann wieder mittendrin bei den anderen Leuten, wenn es darum geht, den Fall aufzuklären. Sie ist sehr vielschichtig. Mal ist sie auch die Partnerin des Kommissars.
Na ja, sie treffen sie sich ab und zu zum einvernehmlichen Sex. Und da weiß man ja auch nicht so genau, wie das geht. Das ist ja auch das Tragische. Sie hat diese vielen Möglichkeiten, die sich bieten. Sie will alles mitmachen. Aber ihre Familie ist gescheitert, weil der Trieb, sich abzureagieren, in den Klub zu gehen und irgendjemanden abzuschleppen, damit nicht zusammengepasst hat.
Sie versucht aber trotzdem, dem gerecht zu werden. Außerdem ist sie vollberuflich. Dort versagt sie aber auch, weil sie oft Dinge versäumt. Die Kinder kommen zu kurz. Und dieses ständige Scheitern gehört ja irgendwie dazu. Und das ist das, was ich auch mag. Ich finde es schön, dies zu erzählen.
Sie haben 15. Mal im Tatort mitgespielt. Warum geben Sie diese Bühne mit Millionen Zuschauern auf?
Ich komme nicht vom Fernsehen. Das ist nicht meine Welt. Ich wollte als Kind altes Hollywood machen. Das gibt es so fast nicht mehr. Dann bin ich beim Arthouse-Kino gelandet, und das finde ich auch sehr schön. Über das Cabaret und Varieté bin ich in der Musik gelandet, und das mag ich alles sehr. Mittlerweile finde ich auch das Theater wieder ganz toll, was ich als Teenager irgendwann doof fand. Ich bin im Theater groß geworden.
Mich interessieren Dinge, bei denen Sachen aus mir rauskommen. Und die muss ich dann tun. Ich bin auch jemand, der gerne auch kreiert und sich nicht nur engagieren lässt. Beim Fernsehen gibt es Regeln, die von den Sendern oder Redakteur:innen erfunden werden. Aber das ist nicht mein Reglement. Ich hinterfrage das und es arbeitet in mir so sehr, dass ich denke, wozu dieser Kraftakt?
Wenn ich einen Kraftakt für eine Platte mache, kann ich das nachvollziehen. Ich kann den Kraftakt für einen Kinofilm nachvollziehen, weil es für mich etwas ganz Besonderes ist. Aber beim Fernsehen fehlt die Poesie und Genauigkeit. Es kommen aber auch noch andere Aspekte hinzu, die mich nicht so interessieren.
Wie gefährlich wird es im letzten rbb-Tatort für Nina Rubin?
Meine wunderbare Maskenbildnerin Sonia Salazar hat mich viele Jahre begleitet. Ich kam mit einem Nagellack auf den Fingern zum Set, der war schon so runtergeramscht. Sie hat sehr gelacht und meinte: "Wie schön, dass Du den Nagellack vom Tatort immer noch trägst." Dann haben wir beschlossen: Der Lack ist ab. Also, so gefährlich wird es beim Tatort.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview mit Meret Becker führte Christian Wildt, rbb24 Inforadio. Der Text ist eine gekürzte und redaktionell bearbeitete Fassung. Das komplette Gespräch können Sie im Audio-Player nachhören.
Sendung: rbb24 Inforadio, 18.05.2022, 10:45 Uhr