Konzertkritik | Rammstein im Olympiastadion - Die Gänsehaut ist noch nicht verflogen

Ein Flammenmeer über dem Olympiastadion - aber einen Alarm bei der Berliner Feuerwehr gibt es nicht. Dagegen finden sich im Inneren Tausende Rammstein-Fans bei zuckenden Feuerblitzen und hämmerndem Gitarrensound in Ekstase. Von Georg-Stefan Russew
Die Aufregung hat sich gelegt, die Rauchschwaden und Feuerblitze über dem Olympiastadion haben sich verzogen. Doch die Gänsehaut der Fans ist noch nicht verflogen. Vor ein paar Stunden hat die Band Rammstein hier noch Hof gehalten, hat am gesamten Wochenende mehrere zehntausend Konzertgängerinnen und Konzertgänger verzückt.
Bei jetzt aufgetauchten Fotos - aus der Ferne aufgenommen, reibt sich jeder Betrachter verdutzt die Augen, dass das altehrwürdige Olympiastadion noch immer unbeschadet im Westend steht.

"Schöner, größer, härter"
Denn Rammstein bietet - wie von den Fans gewohnt - eine Hammer-Bühnenshow. Die sechs Musiker um Frontmann Till Lindemann (59), die Gitarristen Richard Kruspe (54) und Paul Landers (57), Bassist Oliver Riedel (51), Schlagzeuger Christoph Schneider (56) und Keyboarder Christian "Flake" Lorenz haben alles an Konzerttechnik aufgefahren, was es auf dem Markt gibt.
Schon allein von dem mächtigen Bass, der durch das Rund schallt, müsste eigentlich dort kein Ziegelstein mehr auf dem anderen stehen. Dazu kommt eine ausgefeilte Lichtshow, Feuersäulen und andere Pyroeffekte. Allein 80 Trucks hat es gebraucht, um die Bühne heranzukarren. Das Motto scheint der neue Song "Zick Zack" vorzugeben - "Schöner, größer, härter".
Lindemann: "Zuhause ist es am schönsten"
Von der 1994 gegründeten Band scheint nun auch in Deutschland eine immense Strahlkraft auszugehen. Der hammerharte Gitarrensound, der mit elektronischen Elementen untersetzt ist, scheint förmlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. Der Blick ins weite Rund des Olympiastadions scheint diese These zu unterstützen, denn neben exaltierten Rockern, die natürlich ganz in Schwarz gekleidet und im Headbanging geübt waren, kamen Familienväter und -mütter mit ihren Cliquen oder gleich ganze Familien. Jung und Alt hingen förmlich an den Lippen von Frontmann Lindemann, sangen zum Teil tief düstere Songpassagen aus tiefsten Kehlen mit.
Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Band Klassiker wie "Du hast", "Sonne" oder "Engel" oder die neuen Songs von ihrem im April veröffentlichten Album "Zeit" anstimmt. "Zick Zack", "Armee der Tristen", "Adieu" und der Titelsong des neuen Albums "Zeit" werden genauso ekstatisch gefeiert.
Früher klagte Keyboarder Christian "Flake" Lorenz in alten TV-Interviews noch, dass die Band mehr im Ausland spiele als in Deutschland. Und kritisch beäugte vor allem der Feuilleton Rammstein. Doch das scheint Schnee von gestern zu sein. Als Beleg kann Lindemanns Konzert-Ansage "Zuhause ist es doch am schönsten" herhalten.

42 Shows spielen Rammstein auf ihrer Tour
22 Songs feuern die sechs Mannen im Olympiastadion ab. Viele Fans haben nach dem Spektakel vermutlich immer noch Gänsehaut. Ob es vielleicht der letzte Rammstein-Auftritt im Olympiastadion war, diskutierten Fans nach dem Konzert. Schließlich wird Frontmann Lindemann im kommenden Jahr 60 und Gerüchte um eine Auflösung der Band sind auch nicht neu. Als kleinen Fingerzeig wollen einige den letzten Song auf dem "neuen "Zeit"-Album von Rammstein - "Adieu" - gewertet wissen. Antworten darauf gibt es heute nicht.
Rammstein setzen ihre Europa- und US-Tour kommendes Wochenende in Stuttgart (10./11. Juni) fort. Weitere Stationen in Deutschland sind Hamburg (14./15. Juni) sowie Düsseldorf (18./19.Juni). Die Band spielt bei der zweimal coronabedingt verschobenen Tour 42 Konzerte in Europa und Nordamerika. Beim ersten Teil besuchten 2019 mehr als eine Million Fans die 30 Shows, davon zehn Auftritte in Deutschland.
Sendung: rbb24, 04.06.2022, 21.45 Uhr