Verleihung deutscher Filmpreis - "Lieber Thomas" räumt bei den Lolas ab

Fr 24.06.22 | 22:08 Uhr
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Die Produzenten Michael Souvignier (l) und Till Derenbach jubeln mit der Lola über den Sieg in der Kategorie "Bester Spielfilm" mit dem Film "Lieber Thomas". (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Audio: Inforadio | 25.06.2022 | Alex Soyez & Jessica Wiener | Bild: dpa/Britta Pedersen

Das Schriftsteller-Biopic "Lieber Thomas" ist der große Gewinner der diesjährigen Filmpreisverleihung. Insgesamt neun Lolas räumte der Schwarz-Weiß-Film vom Andreas Kleinert an diesem Abend ab - und setzte sich damit weit vor andere Favoriten.

Bei der diesjährigen Lola-Gala im Berliner Palais am Funkturm hat Andreas Kleinerts "Lieber Thomas" einen rasanten Durchmarsch hingelegt. Mit zwölf Vorschlägen ging das kluge Schwarzweiß-Biopic über den 2001 verstorbenen Schriftsteller Thomas Brasch ins Rennen. Insgesamt neun Preise hat das Porträt eines ungewöhnlichen Protagonisten des deutschen Kulturbetriebs am Ende des Abends abgeräumt, darunter Regie, Drehbuch, Beste Bildgestaltung.

Hauptdarsteller Albrecht Schuch wurde in der Kategorie Beste männliche Hauptrolle mit einer Lola geehrt. Differenziert und einfühlsam verkörpert der 36-Jährige den rebellischen Autor, der sich in der DDR gegen seinen Vater, einen hohen Funktionär auflehnt, und später aber in den Westen geht. "Ich fühle mich sehr geehrt, vielen Dank", erklärte Schuch. Nach "Systemsprenger" und "Berlin Alexanderplatz" ist dies bereits seine dritte Lola. Schauspielerin Jella Haase wurde für ihre Leistung in "Lieber Thomas" als beste Nebendarstellerin gewürdigt.

Lolas in Silber und Bronze

Mit zehn Nominierungen galt der Gewinner der Lola in Silber "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" von Andreas Dresen als zweiter großer Favorit. Unterhaltsam stellt der Film die energische Mutter des früheren Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz in den Mittelpunkt. Hauptdarstellerin Meltem Kaptan, die für die Darstellung bereits einen Silbernen Bären bei der diesjährigen Berlinale erhielt, gewann nun auch eine Lola.

"Alter Schwede", sagte Kaptan am Freitagabend und erinnerte in ihrer Dankesrede auch an die Lebensleistung von Anwalt Bernhard Docke und Rabiye Kurnaz, die beide im Saal saßen. Der wunderbar wandelbare Schauspieler Alexander Scheer wurde für die Rolle ihres Anwalts zu Recht als Bester Nebendarsteller geehrt.

Saskia Rosendahl, die bereits 2021 beim Filmfest in Locarno für "Niemand ist bei den Kälbern" ausgezeichnet wurde, Sara Fazilat ("Nico") sowie Ursula Strauss ("Le Prince") gingen leer aus in der Kategorie.

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Eine Lola in Bronze nahmen die Produzenten des deutsch-österreichischen Dramas "Große Freiheit" von Sebastian Meise entgegen. Mit acht Nominierungen war der Film ins Rennen gegangen. Franz Rogowski, der die Hauptrolle in dem herausragenden Film über die Kriminalisierung von Homosexuellen spielt, war als Bester männlicher Hauptdarsteller aufgestellt, konnte sich wie Farba Dieng ("Toubab") nicht gegen Schuch durchsetzen.

Kritik im Vorfeld der Preisverleihung

Insgesamt sechs recht unterschiedliche Filme konkurrierten in der Spitzenkategorie Bester Spielfilm. Dazu gehörten noch "Wunderschön" eine Tragikomödie über weibliche Selbstfindung von Karoline Herfurth, die eine Lola für die Beste Filmmusik erhielt. "Contra" von Sönke Wortmann sowie die internationale Koproduktion "Spencer" des Chilenen Pablo Larraín mit US-Star Kristen Stewart als Prinzessin Diana wurden bei der Preisvergabe nicht berücksichtigt. Dass "Spencer" für den deutschen Filmpreis aufgestellt wurde, führte im Vorfeld zu Kritik, da der international besetzte "Spencer" nicht als Repräsentant deutschen Filmschaffens wahrgenommen wird.

Rund 2.200 Mitglieder der Filmakademie hatten über die Preisträger abgestimmt. Der Deutsche Filmpreis ist mit einem Budget von drei Millionen Euro der höchst dotierte deutsche Kulturpreis. Alleine eine Nominierung in der Spitzenklasse Bester Spielfilm bringt 250.000 Euro. Der Gewinnerfilm bekommt noch einmal die gleiche Summe on top dazu, erhält also eine halbe Million Euro. Kein Wunder, dass besonders diese Kategorie regelmäßig Debatten auslöst.

Stehende Ovationen für Kameramann Jürgen Jürges

Zwei Preise standen bereits im Vorfeld der Preisverleihung fest: Mit 1,5 Millionen Zuschauer:innen erhielt "Die Schule der magischen Tiere" von Gregor Schnitzler als erster Kinderfilm eine Lola als "besucherstärkster deutscher Film des Jahres".

Mit stehenden Ovationen würdigten die Gäste Kameramann Jürgen Jürges. Der 82-Jährige erhielt die Lola für herausragende Verdienste um den deutschen Film. Jürges arbeitete mit Regiegrößen wie Wenders, Fassbinder oder Schlöndorff und wirkte auch bei "DAU.Natasha" mit. In seiner Dankesrede sagte er, dass langfristig die weltweite Aufrüstung keine Lösung bringen würde: "Konsequentes Umdenken, gerade auch in der Politik ist gefordert, wenn wir unsere Welt lebenswert erhalten wollen."

Schauspieler Ulrich Tukur spielt Akkordeon. (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Ulrich Tukur mit Akkordeon | Bild: dpa/Britta Pedersen

Ausgelassene Stimmung überschattet vom Krieg

Die Stimmung war ausgelassen an diesem Abend - Schauspieler Ulrich Tukur begleitete seine Laudatio mit dem Akkordeon - aber dennoch überschattet von den Ereignissen in der Ukraine.
"Der Krieg verändert alles, auch einen Abend wie diesen", sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Nicht einmal 1.000 Kilometer seien es von hier bis nach Lwiw, bis an die ukrainische Grenze. "Kann man trotzdem feiern? Man kann es, man soll es", erklärte die Grünen-Politikerin. Roth rief die Filmbranche auf, sich auf ihre Kraft zu besinnen. "Wir brauchen die Kraft der Kunst. Die Kraft der Literatur. Und die Kraft des Films." Nicht, um abzulenken vom Elend der Welt, sondern um ihm etwas entgegenzusetzen.

Alexandra Maria Lara und Florian Gallenberger, Präsidenten-Duo der Deutschen Filmakademie. (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Alexandra Maria Lara und Florian Gallenberger, die Präsidenten der Deutschen Filmakademie | Bild: dpa/Britta Pedersen

"Wir müssen die Leute animieren, sich ins Kino zu begeben"

Auch Alexandra Maria Lara und Florian Gallenberger betonten die Solidarität mit der Ukraine: “Wir feiern heute all das, was in der Ukraine unter Beschuss steht: Die Freiheit, die Vielfalt und den Respekt”. Seit diesem Jahr teilen sich die Schauspielerin und der Regisseur den Chefposten der Deutschen Filmakademie, zuvor war Ulrich Matthes drei Jahre lang Präsident.

Die Filmbranche in Deutschland habe sich von der Pandemie erholt, sagten sie auf der Gala, es herrsche "Vollbeschäftigung". Doch den Kinos selbst gehe es nicht gut, die Zuschauerzahlen blieben weit zurück im internationalen Vergleich. "Der deutsche Kinofilm steht enorm unter Druck. Jetzt heißt es, für das Kino zu kämpfen.” Dabei seien auch die Politik und der öffentlich-rechtliche Rundfunk gefordert.

Zur Verleihung des Deutschen Filmpreises waren rund 1.700 Menschen eingeladen. Bei der Feier auf dem Berliner Messegelände waren unter anderen die Schauspielerinnen Heike Makatsch und Anna Loos dabei, auch Schauspieler Matthias Schweighöfer und seine Freundin Ruby O. Fee.
Während des Abends wurde mehrfach an den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine erinnert. Wladimir Klitschko schickte eine Videobotschaft. Moderiert wurde der Abend von Katrin Bauerfeind.

Für die Lolas kommen sie alle nach Berlin

Sendung: Inforadio, 25.06.2022, 9:55 Uhr

Alle Nominierungen im Überblick

  • Bester Spielfilm

  • Beste Regie

  • Beste Kamera/Bildgestaltung

  • Bestes Drehbuch

  • Beste Filmmusik

  • Beste Tongestaltung

  • Beste männliche Hauptrolle

  • Bestes Szenenbild

  • Beste weibliche Hauptrolle

  • Bestes Maskenbild

  • Bester Dokumentarfilm

  • Beste Visuelle Effekte

  • Bester Schnitt

  • Bestes Kostümbild

  • Beste weibliche Nebenrolle

  • Beste männliche Nebenrolle

  • Bester Kinderfilm

  • Ehrenpreis des Deutschen Filmpreises

  • Besucherstärkster Film

  • Der Bernd Eichinger Preis

2 Kommentare

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  1. 2.

    Vielleicht sollten wir mal kurz innehalten und an die vielen Tausend arbeitslosen oder prekär bezahlten Schauspieler denken.
    Ein ausgebildeter Schauspieler verdient nach 4 Jahren an einem staatlichen! Drei-Sparten-Theater in der Provinz etwa 2000,- € brutto!

    Was auf dem roten Teppich auf - und ab flaniert, sind die, die es
    (nicht immer aus künstlerischen Gründen!) geschafft haben und oft von genau den Politikern hofiert werden, die, die künstlerische Basis dieses Landes bilden, kaputt sparen!

  2. 1.

    So langsam gehen mir die Filme über die ach so schlechte DDR auf die Nerven!
    Gibt es nicht wichtigere Themen, die in einem Film thematisiert werden sollten?!

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