Konzertkritik | Alicia Keys in Berlin - Halb Zeremonienmeisterin, halb DJ, voll Musikerin

Alicia Keys hat 16 Grammys gewonnen und mehr als 30 Millionen Alben verkauft. Derzeit ist sie auf großer Tour. Am Dienstag spielte sie in Berlin ein Konzert, das eigentlich aus zwei ganz verschiedenen Shows bestand. Von Hendrik Schröder
Der Anfang ist schon mal klasse. Die Bühne in der Berliner Mercedes-Benz-Arena ist lackschwarz gehalten, die Lichttraversen hängen sehr tief und zaubern in diese fürchterliche Mehrzweckhalle fast sowas wie Gemütlichkeit. Zumindest wenn man nur nach vorne schaut.
Dann Licht aus, Spot an und Alicia Keys steht da, auf einer Erhöhung, wie eine Erscheinung. Schwarzer Hosenanzug, einen halben Meter Silberschmuck um den Hals, wirft sie sich, das Kinn gereckt, in Pose - und singt. Eine Mischung aus Diva, Lady und lustig überkandidelt zugleich.
Rote Lichtblitze zucken über die Bühne, die fünfköpfige Band spielt los und Alicia gleitet die Stufen hinab zu ihrer Band. Der schwarze Flügel am Bühnenrand gleitet wie von unsichtbaren Händen gezogen zu ihr. Als zöge sie ihn magnetisch an. Tolles Bild, denn das Piano und sie gehören einfach zusammen, aber dazu später mehr.
Prolls und Schönheiten
Im Stehen spielt sie ein paar Klavierakkorde und guckt irrsinnig entschlossen in eine der Kameras, die sie überlebensgroß auf die drei Videowände werfen. Ihre Stimme ist immer noch megagut und sie singt alles live. Der Innenraum ist nicht bestuhlt, die Menge drückt sich gen Bühne und ist erst mal außer sich.
Das Publikum ist divers wie selten. Zu Alicia Keys gehen wirklich jede und jeder. Da stehen nette Prolls, die etwas zu laut reden und ihre Discomuskeln in zu engen Shirts präsentieren, neben übertrieben schönen Frauen in teuren Kleidern. Familien machen aufgeregt Selfies, die ersten tanzwütigen Paare springen von den Sitzen auf den Rängen.
Sie setzen sich aber bald wieder. Denn der erste Teil des Konzerts ist eher zum Zuhören und Genießen. Die Lichtshow ist ausgeklügelt, aber nicht überfrachtet opulent, wie sonst oft bei solchen Shows. Gut 45 Minuten lang reiht Alicia Keys quasi atemlos Song an Song.
Aber dann fällt ein auffällig knittriger Vorhang, der so gar nicht zur sonst perfekten Show passen will, und verdeckt die komplette Bühne. Die Band spielt weiter und man sieht nur noch den Schatten von Alicia Keys, wie er davon schreitet. Die ersten im Publikum stehen auf und gehen Getränke holen und denken es wäre Pause oder so. Weit gefehlt.
Mit Piano und Synthie auf der Kanzel
Denn schon wenige Minuten später taucht die Sängerin auf einer kleinen, kanzelähnlichen Bühne in der Mitte der Halle, zehn Meter über dem Publikum wieder auf. Und jetzt geht es wirklich ab. Ganz alleine sitzt sie da vorm E-Piano, Drumcomputer und Synthie neben sich. Eine glitzernde Kappe auf, die in auch in jeden "Star Wars"-Film passen würde. Ruft immer wieder "Hey, hey" und die Menge ruft zurück "Hey, hey".
Dann drückt sie drei Mal einen Buzzer wie auf der Kirmes, "Nööt nööt nööt" macht es. Und dann schmeißt sie sich regelrecht in das Piano. Jetzt ist sie zu Hause, alleine mit Tasten und Mikro, so ist sie am stärksten. Halb Zeremonienmeisterin, halb DJ, voll Musikerin.
Um die zehn Songs spielt sie da oben an, also immer nur kurze Schnipsel, dann kommt der nächste. Warum sie nicht einfach drei oder vier komplett spielt, erschließt sich nicht ganz, aber die Leute finden es super, jetzt ist richtig Stimmung in der Halle.
Dann läuft Alicia Keys, beschützt von finster guckenden Bodyguards, durch die Menge zurück zur Hauptbühne, klatscht ab, lässt sich auf die "Star Wars"-Kappe fassen und spielt noch mal gut zehn Songs inklusive der bekannten Hits. Ein großer Abend.
Sendung: rbb24 Inforadio, 22.06.2022, 09:55Uhr