Konzertkritik | Greta van Fleet in der Verti Music Hall - Schade nur, dass die Musik so bocklangweilig ist

Mi 08.06.22 | 12:18 Uhr | Von Hendrik Schröder
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Greta Van Fleet währe eines Konzertes in Kalifornien (Bild: dpa/Chris Tuite)
Audio: Inforadio | 08.06.2022 | Hendrick Schröder | Bild: dpa/Christ Tuite

Greta van Fleet spielen Rockmusik wie aus den 1970ern und begeistern damit junge und ältere Leute. Dabei sind die Musiker selbst erst Anfang 20. Bei ihrem Auftritt in Berlin am Dienstag feierte Hendrik Schröder sie vor allem für ihre Optik. Von Hendrik Schröder

Es ist schon ein kleines Phänomen. Da spielen blutjunge Burschen einen Sound, der seit den 1980ern eigentlich als "alte Leute Musik" abgestempelt wurde und gewinnen damit 2019 sogar einen Grammy. Nicht zuletzt wohl deswegen, weil Greta van Fleet das Credo des legendären Motörhead Frontmanns Lemmy Kilmister beherzigt haben, der in seiner unendlichen Weisheit mal über das Wesen des Rockstartums gesagt hat: "Die Leute wollen nicht den netten Typen von nebenan, die wollen jemanden von einem verdammten anderen Planeten."

Und viel mehr wie von einem anderen Planeten und vor allem aus einer anderen Zeit als die vier Musiker da auf der Bühne kann man nicht aussehen.

Barfuß mit wehendem Umhang

Kurz vor 21 Uhr kommen die Musiker auf die Bühne. Aber was heißt "kommen", sie schweben eher ein. Wie Erscheinungen, die sich vom Rockolymp mal kurz gen Verti Music Hall abseilen. Greta van Fleet besteht ja aus den drei Brüdern Jacob, Samuel und Joshua Kiszka und ihrem alten Schulkumpel Danny Wagner. Als sie Greta van Fleet 2012 gründeten, waren sie noch nicht mal volljährig. Jetzt steht Basser Samuel mit nacktem Oberkörper, darüber eine knappe schwarze Jacke mit meterlangen Fransen am Ärmel und hautenger schwarzer Hose, lange dunkle Haare, auf der Bühne - und mehr wie ein Rockstar kann man kaum aussehen.

Gitarrist Jacob in fast identischem Outfit, Drummer Danny trägt ein glitzerndes, schulterfreies Top. Aber Sänger Joshua schießt echt alles ab: In weiß-gold schillerndem Ganzkörper Spandex Anzug, mit Brokat Umhang darüber, barfuß, nicht gerade groß gewachsen, zartes Oberlippenetwas - und mit diesem arrogant-freundlichem Blick, gönnend und über den Dingen stehend, gen Publikum nickend, sieht er aus wie eine Mischung aus Prince, Freddie Mercury und Mick Jagger. Das ist so bescheuert, dass es schon wieder richtig cool ist.

Wie Led Zeppelin bei Wish bestellt

Zu den Klamotten kommt ein wirklich gelungenes Bühnenbild. Weiße Stoffbahnen hängen hinter dem Drummer, weiße Monitorboxen stehen weiter vorne auf der Bühne, Skulpturen, die wie Fernsehtürme aussehen blinken wild. Und auf jeder Bühnenseite stehen zwei Kästen mit je 24 Scheinwerfern, die die Musiker von ganz nah abwechselnd in alle möglichen Farben tauchen. Oh Yeah! Schade nur, dass die Musik dann so bocklangweilig ist.

Seit Bandgründung 2012 sagen die Leute zu Greta van Fleet: "Ihr seid ja wie Led Zepplin". Diese Schublade werden sie nicht mehr los. Sänger Joshuas Stimme ist der von Led Zeppelins Robert Plant einfach zu ähnlich. Leider haben Greta van Fleet nichts von die Vielschichtigkeit, der Düsterheit, der Tiefe von Led Zeppelin und anderen 70s Rock Granden, die sie hier kopieren. Sie wirken einfach wie eine oberflächlich sehr gut gemachte Replikation, bei der man leider das Innenleben vergessen hat. Klar, Josh singt natürlich irre gut, der Gitarrist kennt alle E-Gitarristen Posen und gniedelt hochtalentiert, natürlich ist das rein sachlich eine Hammer Band. Aber nichts verfängt, nichts bleibt hängen. Nichts hat eine zweite Ebene. Alle Songs klingen gleich und keiner hat auch nur eine originelle Idee. Es ist einfach altbackene, uninspirierte Rockmusik, wiederaufgelegt mit der Energie von sehr jungen Leuten, aber ohne echte Seele.

Publikum von 17-70

Das Publikum ist übrigens eine erfreuliche Mischung aus alten Männern in Rolling Stones und Black Sabbath-T-Shirts und jungen, aufgeregten Leuten in den ersten Reihen. Das ist schön. Wann hat man das schon mal, dass zwei Generationen völlig unabhängig voneinander dieselbe Band feiern. Die eine, weil sie sie an früher erinnert und die anderen...? Ja, warum eigentlich die anderen?

Wahrscheinlich ist es am Ende doch die Inszenierung. Die Fans bejubeln die Songs und recken auch mal die Hände in die Luft, sie mögen den guten Sound und die lauten Gitarren und das Überkandidelte. Aber wenn man ehrlich ist: so richtig Feuer will nicht ausbrechen in der Halle. Dabei ist diese Art Musik doch dazu da, die Leute wahnsinnig zu machen. Auf welche Art auch immer. Völlig überschätze Band. Sehen aber geil aus.

Sendung: Inforadio, 08.06.2022, 6.55 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

7 Kommentare

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  1. 7.

    Mein lieber Freund und Kollege, eine Konzertkritik ist zum einen immer eher subjektiv und zum anderen ist die Band-Historie für diese ziemlich irrelevant. Ich habe die Alben der Band auch im Regal, ich mag den Sound, aber sonderlich kreativ ist die Band leider tatsächlich nicht. Auch war die Konzertkritik absolut nicht persönlich, sie bezog sich ausschließlich auf das Konzert. Und wieso Du eine Konzertkritik persönlich nimmst, bleibt Dein Geheimnis...

  2. 6.

    Warum können die Leute, welche GVF bewerten, nicht einfach die Tatsache zu schätzen wissen, dass Greta Van Fleet dem Rock'n'Roll am nächsten kommt, den wir in dieser Generation haben? "Ihr" kritisiert moderne Musik wegen ihrer sich wiederholenden Melodien und Akkordfolgen, und wenn Bands auftauchen, die die Musik der 70er-80er Jahre wieder in Ihrem Style aufleben lassen, sagt ihr, dass sie ein Abklatsch und langweilig sind? Wahrscheinlich vor dem Schlagzeug-Solo gegangen ?! :)

  3. 5.

    ...ich bin nicht dein Kollege :) Und klar nehme ich diese unfundierte Kritik persönlich. Habe die Band zu Ihren Anfängen in den Staaten das erste Mal live gesehen und was die sich technisch und musikalisch hochgearbeitet haben, ist bemerkenswert und für mich ärgerlich mit welchen teils oberflächlichen "Kritiken" und Vergleichen sie bewertet werden.
    "Das ist so bescheuert, dass es schon wieder richtig cool ist." - schön, dass der Hr. Schröder festlegt, was bescheuert ist ?!...und wen interessiert das bitte? Wo bleibt der Fokus auf der Musik, Bandgeschichte, Performance, Interaktion, Stimmung, Setlist und Können?!
    Am Ende hast du schon recht, mit deiner Anmerkung der Subjektivität - dennoch würde ich mir gerade aus beruflicher Sicht eines Kritikers mehr Objektivität, mehr Perspektiven und ein ganzheitlicheres Bild eines Konzerts wünschen (Für alle Künstler).

  4. 4.

    Ich empfinde es ebenfalls als vermessen, Musik grundsätzlich als altbacken und langweilig zu bezeichnen. Musik ist immer dann gut, wenn sie bei mir eine Schwingung erzeugt, eine Saite zum Klingen bringt. Nur ist das eben bei jedem Menschen unterschiedlich. Rammstein kann ich nicht ausstehen. Ich respektiere aber, dass sie auf der ganzen Welt unzählige Zuschauer in die Stadien locken. Ich mag Greta van Fleet, höre ihnen gerne zu, finde ihren Style gut. So what? Ich fand auch das Konzert klasse. Das einzige, was ich kritisieren würde, war die Länge. Für den Preis fand ich eine Dauer von 1:20h viel zu kurz.

  5. 3.

    Kollege, ich denke, einzig Du nimmst hier was persönlich. Manöverkritik bleibt immer subjektiv. Und meine, subjektive, Meinung, die schließt sich dem Beitrag an. Völlig überschätzt die Band.
    Schönen Tag noch.

  6. 2.

    Ich mag die Band auch, und doch hat der Autor irgendwie nicht unrecht...

  7. 1.

    Es war gestern einfach überragend - auf welchem Konzert sie gestern laut ihrer Kritik waren,... keine Ahnung.
    Und sich derart persönlich bewertend über diese Band auszulassen, ist wirklich schwach. Allgemein jedem Künstler ggü. sollte man einen gewissen Respekt, auch bei einer Kritik, verbal zollen. Diese Band auf ihre Optik und permanent den Vergleich zu Led Zeppelin runter zu brechen, ist eher ein musikalisches Armutszeugnis für Sie. Ich hoffe, der rbb hat einen andere Sparte zum kritisieren für sie offen!


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