Interview | Tempelhof Sounds - "Offensichtlich haben wir damit einen Nerv getroffen"

Fr 10.06.22 | 06:18 Uhr
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Besucher des Lollapalooza Festivals gehen am 13.09.2015 über das Gelände des ehemaligen Flughafen Tempelhof in Berlin (Quelle: dpa/Pedersen)
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Audio: rbb24 Inforadio | 10.06.2022 | Jakob Bauer | Bild: dpa/Pedersen Download (mp3, 4 MB)

Am Wochenende findet am ehemaligen Flughafen Tempelhof das erste große Musik-Festival seit Langem statt. Veranstalter Stephan Thanscheidt über Nachhaltigkeit, Gender-Equality, den Umgang mit der Lautstärke und ein Herzensprojekt.

rbb|24: Herr Thanscheidt, Sie sind verantwortlich für alle Festivals von FKP Scorpio. Warum ist Ihnen gerade das Tempelhof Sounds Festival so wichtig?

Stephan Thanscheidt: Wir haben uns in dieses Projekt während der Pandemie verliebt. Wir lieben den Tempelhofer Flughafen als Konzertlocation und hatten in diesem Jahr die Foo Fighters-Show angesetzt, die aufgrund des tragischen Todes von Taylor Hawkins nicht stattfinden konnte. In der Pandemie haben wir viele Kreativkräfte gebündelt und uns neue Konzepte für die Zeit danach überlegt. Und wir fanden, dass es an der Zeit sei, ein neues Festival zu machen. Wir wollten ein sehr erwachsenes Festival machen, wir wollten ein Festival machen, bei dem die Musik im Vordergrund steht, ohne großen Rummelplatz und viel Rahmenprogramm. Programmlich steht die Gitarre über allem, sie liefert den musikalischen Rahmen und hält alles zusammen. Außerdem waren uns Themen wie Nachhaltigkeit, Gender-Equality und Awareness sehr wichtig.

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Was bedeutet denn ein "erwachsenes Festival"?

Es geht um die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler. Es gibt Festivals, die auf ein sehr junges Publikum abzielen, davon haben wir auch einige: Das Hurricane, das Deichbrand oder das Highfield sind klassische Festivals in unserem Portfolio, bei denen das Publikum jünger ist. Das Tempelhof Sounds spricht eine deutlich breitere Altersspanne an.

Ein neues Festival ist ja immer auch ein Experiment. Gibt es Dinge, die Ihnen vorab Sorgen bereiten?

Eigentlich nicht. Es gab natürlich viele post-pandemische Probleme in den Gewerken, die zu einem Festival dazu gehören, meint: Ton, Licht, Stage-Hands, Security, Caterer. Im Prinzip das ganze Personal und Material, das wir so brauchen. Da hat die Pandemie natürlich einiges verweht, und es ist nicht mehr so, wie es vorher war. Wir haben aber schon im Januar gesagt, dass wir an die Festivals dieses Jahr glauben, trotz der Omikron-Welle. Gott sei Dank haben wir das gemacht. So waren wir am Ende ganz gut vorbereitet und haben jetzt die Möglichkeit, all unsere Festivals so umzusetzen, wie wir uns das vorstellen.

Schauen wir mal aufs Programm – große, legendäre Namen aus der Indie-Welt spielen auf dem Tempelhof Sounds: The Libertines, Florence & The Machine, Interpol, aber auch noch jüngere Bands, die in den letzten Jahren durchgestartet sind wie Big Thief oder die Parcels. Was ist euer Booking-Konzept?

Im Prinzip ging es darum, eine gute Mischung aus etablierten Headlinern und hoffnungsvollen Newcomern zu finden. Der rote Faden, der alle Bands verbindet, ist ganz klar die Gitarrenmusik. Bei Festivals in Deutschland ist es heutzutage ja meistens so: Da gibt’s Hiphop, Electro, Rock, alles Mögliche. Das ist auch nicht schlimm, das machen wir bei anderen Festivals auch. In diesem Festivalkontext hatten wir allerdings eine sehr stringente Planung und wollten unbedingt eine Art von Festival machen, die es so heute in Deutschland nicht mehr gibt. Und offensichtlich haben wir damit auch einen Nerv getroffen.

Die Musik – oder auch: der Lärm, es kommt immer darauf, wie es wahrgenommen wird – ist immer ein Thema bei Stadt-Festivals. Gleich nebenan befindet sich eine Wohnsiedlung. Was tun Sie für den Immissionsschutz, also den Schutz der Natur und der Menschen vor Lärm, damit die Lage mit den Anwohnern nicht eskaliert?

Wir haben das von Anfang an im Konzept verankert: Wir haben mit Spezialisten ein Gutachten erstellt und haben versucht das so aufzustellen, dass die Belastung minimal, wenn überhaupt vorhanden ist. Wir haben uns ein Konzept überlegt, das die Beschallung des Feldes sehr genau auspegelt. Wir gehen davon aus, dass das gut funktionieren wird. Wir haben zumindest bisher im Vorfeld wenig bis keinen Gegenwind erfahren müssen und sind mit der aktuellen Situation eigentlich sehr zufrieden.

Sie haben sich auch das Thema "Nachhaltigkeit" aufs Revers geschrieben. FKP Scorpio ist der größte Festivalveranstalter Deutschlands. Ist das Tempelhof Sounds für vielleicht auch ein Laborversuch, was das Thema Nachhaltigkeit betrifft, was Sie über das Festival hinaus in die Branche tragen können?

Die ökologische Nachhaltigkeit steht bei uns ganz vorne. Wir werden einen Großteil unserer Infrastruktur mit Feststrom versorgen und nicht mehr mit Dieselaggregaten arbeiten, wie das sonst relativ üblich ist bei Festivals. Wir haben eine neue Form des Abfall-Managements, bei dem wir sehr stark darauf achten, Müll zu vermeiden. Es sollen möglichst wenig Plastik- und Einwegprodukte verwendet werden, es gibt ein hochwertiges nachhaltiges Speiseangebot. Die Sanitärbereiche setzen auf Komposttoiletten und wassergespülte Toiletten und nicht auf Dixi-Klos, die mit Chemie funktionieren. Die Anreise unserer Gäste ist so angelegt, dass Emissionen ausgeglichen werden. Es gibt Fahrradparkplätze, ein ÖPNV-Ticket ist im Festivalticket enthalten, es gibt ganz viele Dinge, ich könnte noch ewig weitermachen. Aber es ist keine Blaupause, es ist eine Weiterentwicklung dessen, was wir schon lange machen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jakob Bauer.

Sendung: rbb24 Inforadio, 10.06.2022, 06:55 Uhr

13 Kommentare

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  1. 13.

    Meckern, meckern, meckern.

    Ist es nicht schön, dass wir alle gesund sind (mehr oder weniger), dass wir ein Dach über dem Kopf haben, Heizung und warm Wasser aus Wand? Und jetzt, wo der Sommer vor der Tür steht, endlich wieder Konzerte besuchen können?

    Mein Gott Leute, seid doch endlich mal zufrieden. Schaut Euch die Ukrainer/innen an, die machen uns vor, wie‘s geht.

  2. 12.

    Bei Facebook war ein Bild mit den Anfangs- und Endzeiten abgebildet. Um 20.30 Uhr sollte Ende sein aber es ging bis 0.00 Uhr. Ich wohne in Britz am Teltowkanal und dort hört man nur noch die lauten Bässe. Einfach schrecklich! Da die Zugaben somit schon amFreitag von 20.30 bis 0.00 Uhr gespielt wurden hoffe ich, dass am Sa. u. So. um 20.30 Uhr Schluss ist. Aufgezwungen Krach finde ich rücksichtslos.

  3. 11.

    Alles scheiß egal.
    Hauptsache nachhaltig, klima- und CO²-neutral, Awareness, Gender-Equality, für Radfahrer problemlos zu erreichen und, vor allen Dingen, Strom aus der Steckdose.

  4. 10.

    Wenn FKP Scorpio das Thema Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung doch so wichtig ist: Wie kommt es zur Partnerschaft mit S H E I N beim Hurricane Festival, was ja genauso zum Portfolio gehört? S H E I N ist das genaue Gegenteil von nachhaltig! Und warum wird dort der Müllpfand abgeschafft, welcher der Hauptgrund zur Entsorgung des Müll für viele Menschen (Green Camping mal ausgelassen) war? Das ist leider alles sehr widersprüchlich!

  5. 9.

    Je nachdem, wie der Wind steht, krieg ich im Körnerkiez – wenn auch zumeist sehr gedämpft – auch immer noch was davon mit. Wenn ich weiß, dass aufm Feld tausende Menschen Spaß daran haben, stört mich das aber auch kein kleines bisschen. Da ist es bedeutend lauter, wenn ab und zu mal jemand im Hof die Mucke etwas lauter aufdreht … und auch das kann ich meinen Nachbarn ebenfalls sehr gut gönnen. Da soll sich mal bitte keine:r anstellen.

  6. 8.

    „"offensichtlich haben wir damit auch einen Nerv getroffen" - Wie hat er das gemessen?“

    Die Zahl der vorab verkauften Tickets und die Geschwindigkeit des Verkaufs könnte eventuell ein Indikator dafür sein. Vielleicht bezieht er sich aber auch auf direktes Feedback, dass er von künftigen Festivalbesuchern bekommen hat. Oftmals stellen Sie hier Fragen, die Sie sich auch sehr gut selbst hätten beantworten können.

    „"Gender-Equality und Awareness" - Buzz-Worte? Erwachsener, so wie behauptet wirkt es dann doch nicht...“

    Wenn Sie persönlich mit diesen Begriffen eher wenig anfangen können, ist es ja doch ein bisschen lustig, dass ausgerechnet Sie andere (die Organisatoren dieses Festivals bzw. das Festival selbst) als „wenig erwachsen“ bezeichnen …

  7. 7.

    Also die Beschallung des Feldes wurde wirklich wunderbar "ausgepegelt" :'D. So gut, dass ich noch in der Warthestraße (genau am gegenüberliegenden Ende des Feldes, plus Wohnblöcke dazwischen) dazu tanzen kann! Den Menschen, die an der Oderstraße wohnen, wünsche ich von Herzen, dass ihnen die Musik gefällt.
    Ich freue mich trotzdem für die Veranstalter und Gäste, dass sie so ein wunderbares Wochenende erwischt haben und so tolle Bands buchen konnten. Nächstes Mal wäre es dennoch super, das Schallkonzept besser zu gestalten, allein schon um das Festival dort weiter halten zu können.

  8. 6.

    Ersteinmal ist die Vorbereitungsleistung zu würdigen. Die Werbung dafür auch, wenn man verkaufen will...
    Nur wenn deutlich mehr "Schein als Sein" verkauft wird, dann zweifelt man eher:
    "offensichtlich haben wir damit auch einen Nerv getroffen" - Wie hat er das gemessen?
    "Gender-Equality und Awareness" - Buzz-Worte? Erwachsener, so wie behauptet wirkt es dann doch nicht...

  9. 5.

    Das Tempelhofer Feld bietet sich eh für Konzerte, Love Parade etc. an. Schade, dass das Gelände nicht zum Teil entwickelt wurde. Sehr gern hätte ich in einer Wochenendaktion mit 999 weiteren Bürgern je einen Baum gepflanzt, angegossen und über mehrere Wochen mit Wasser versorgt. Die Südseite benötigt dringend Schattengebiete und mehr Grün. Diese hässlichen Bretterbuden störten immer sehr. Als Idee könnte man auch eine leichte Vertiefung schaffen und das Regenwasser des Gebäudes dort einleiten.

  10. 4.

    Sound ausgepegelt??
    Ich war gestern zufällig beim Soundcheck aufm Feld, fast am anderen Ende. Ich konnte dort, in Neukölln konnten wir noch gut mitsingen. Ausgepegelt schien mir da überhaupt nichts. Sondern einfach nur laut - und übergriffig für alle, die lieber Vogelgezwitscher statt Musik hören wollen.

  11. 3.

    Offensichtlich ist das Musik-Festival doch nachhaltiger, ökologischer, grüner als grün aber vor allem profitabler als Volksfeste.

  12. 2.

    Richtig gutes Event, dass auch perfekt zum Tempelhofer Feld passt. Musik in der Stadt unter freiem Himmel im Sommer. Mega.
    Nur die Tickets sind etwas zu teuer.

  13. 1.

    Komisch, das deutsch-amerikanische volksfest war zu laut fürs tempelhofer Feld aber Konzerte dürfen dort stattfinden oder was??

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